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In Berlin ist 2008 die Zahl rassistisch motivierter Angriffe massiv um insgesamt 40 Prozent gestiegen. Insgesamt registrierte die Berliner Opferberatungsstelle 'ReachOut ' 148 rechte, rassistisch, antisemitisch und homophob motivierte Übergriffe - im Jahr 2007 waren dies 'nur' 112.
Von Keven Nau
Nicht alle diese Fälle wurden öffentlich bekannt. Einige der Opfer lehnen aus Angst vor weiteren Gewalttaten jede Form der Veröffentlichung des Angriffs ab, teilte 'Reach Out' auf einer Pressekonferenz mit. In 65 (2007:39) Fällen wurden Menschen aus rassistischen Motiven angegriffen. Diese stellten mit Abstand die größte Opfer-Gruppe dar. 26 Gewalttaten trafen Linke (2007: 30), vor allem AntifaschistInnen, gegen nicht-rechte, alternative Jugendliche und Erwachsene richteten sich 30 (2007: 28) Angriffe, 4 Angriffe waren antisemitisch motiviert.
Erfahrungsgemäß handelt es sich bei diesen Fällen nicht um klar eingrenzbare Tätergruppen. Angreifer, die der rechtsextremen Szene oder deren Umfeld zu zurechnen sind, greifen in erster Linie Linke oder alternative Jugendliche an. 86 (2007: 70) Angriffe fanden im öffentlichen Raum statt. Insgesamt 39 (2007: 25) Gewalttaten wurden in öffentlichen Verkehrsmitteln und Bahnhöfen verübt. Die meisten Angriffe geschahen an Wochenenden.
Im Stadtbezirk Friedrichshain wurde mit 30 (2007: 24) Gewalttaten die höchste Angriffszahl registriert. 15 (2007: 14) Attacken wurden für Lichtenberg) dokumentiert. Es folgen Pankow mit 14 (2007: 11), Marzahn mit 12 (2007. 7), Treptow (4) und Neukölln (2007: 5) mit je 9 Angriffen. Während in Friedrichhain die Angriffe gegen nicht rechte, alternative Jugendliche überwiegen, sind in Lichtenberg die meisten Angriffe rassistisch motiviert gegen vermeintliche 'Ausländer' (7) oder richten sich gegen Linke bzw. gegen AntifaschistInnen (5). Auch in Marzahn und Neukölln ist der größte Teil der Angriffe rassistisch motiviert.
Ein Ost-West-Problem?
„Rassistisch motivierte Übergriffe haben mit 65 Fällen eine besorgniserregende Größe erreicht“, betonte die Sprecherin von ReachOut Sabine Seyb. Nach Erfahrungen der Initiative gehen im Laufe eines Jahres immer noch zahlreiche Nachmeldungen für das Vorjahr ein. Seyb glaube aber nicht, dass es entsprechend solcher Taten Unterschiede zwischen Ost und West gebe. Gerade aus Neukölln oder Spandau seien rassistisch, antisemitisch und homophob motivierte Taten bekannt. Sie sprach sich für eine Ausweitung der Erhebung auf ganz Berlin aus und sicherte interessierten Bürgerforen Unterstützung zu.
Seyb kritisierte in diesem Zusammenhang Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Von ihm liege noch keine offizielle Kriminalitätsstatistik für 2008 vor, alle Anfragen von ReachOut habe Körting „scheitern lassen“. Zudem wäre es in Ländern wie Brandenburg oder Sachsen-Anhalt möglich, einen monatlichen Abgleich mit dieser Statistik vorzunehmen. Eine Sprecherin Körtings zeigte sich über die Vorwürfe „erstaunt“. Für Berlin sei eine Vorlage der polizeilichen Kriminalstatistik im März üblich.
In Pankow ein Drittel mehr Vorkommnisse
Zusätzlich zu den Erhebungen von ReachOut stellten am Montag verschiedene Anti-Gewalt-Initiativen von ihnen selbst erstellte Register für die Bezirke vor. Sie erfassen - basierend auf eigenen Recherchen und Bürgerhinweisen - auch Vorfälle wie extremistische Veranstaltungen, Aufkleber oder Plakate mit extremistischen Inhalten, Pöbeleien sowie Graffiti-Schmierereien. Einbezogen sind auch die gewalttätigen Übergriffe.
In Treptow-Köpenick wurden 2008 allein 149 überwiegend sogenannte Propagandadelikte registriert. „Schwerpunkte sind die Stadtteile Schöneweide, Altglienicke und das Gebiet um den S-Bahnhof-Köpenick“, sagte Kati Becker vom Register des Bezirks. Lichtenberg registrierte einen leichten Rückgang auf 106 Fälle, wovon 35 Fälle Angriffe auf Personen waren.
Im Bezirk Pankow wurde mit 133 Vorfällen ein Drittel mehr Vorkommnisse als im Jahr 2007 erfasst. Hier haben sich Pankow-Zentrum, Prenzlauer Berg und Weißensee als Gewalt-Hochburgen herauskristallisiert. Für Marzahn-Hellersdorf wurden seit Start des Registers im Jahr 2008 95 vorwiegend rechtsextreme Aktivitäten vermerkt. Es gab allein zehn Konzerte von extrem Rechten.
Mehr unter: www.reachoutberlin.de/
Und linke Gewalt? Ein Kommentar aus dem Tagesspiegel vom 17.3.2009
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk / kn/ Quellen: reachout, dpa,ddp / Bild: Fachhochschule Dortmund