Sie sind hier

30 Prozent mehr Nazi-Straftaten...

...in Sachsen-Anhalt.  Innenminister Hövelmann spricht von einer „anhaltend hohen Gefahr vor allem von rechts“.  Sowohl im rechten wie im linken Lager sei die Bereitschaft gewachsen, politische Auseinandersetzungen mit Gewalt zu führen. Diese wachsende Gewaltbereitschaft zeige sich vor allem bei Demonstrationen.

Von Keven Nau

Die Zahl der rechtsextremen Straftaten ist im Jahr 2008 in Sachsen-Anhalt dramatisch angestiegen. 1761 Delikte zählten die Sicherheitsbehörden in diesem Bereich. Das ist ein Anstieg um 30,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Damit steht Sachsen-Anhalt im bundesweiten Vergleich wieder ganz oben in der Statistik bei rechtsextremen Straftaten, stellte Innenminister Holger Hövelmann (SPD) bei der Vorstellung der Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität in Magdeburg fest. Insgesamt kam es bei den Gewalttaten zu einem Anstieg von 72 Fällen auf 203 Delikte. Die rechten Gewaltstraftaten kletterten von 22 auf 121 Fällen, im linken Lager von 43 auf 75 Fälle an.

In 147 Fällen handelte es sich bei den Gewaltdelikten um Körperverletzungen. Besonders schwerwiegend waren 2008 ein Tötungsdelikt und zwei Versuche. Hövelmann erinnerte besonders an den Fall des Kunststudenten Rick L. in Magdeburg, der laut Ermittlungsergebnis der Polizei auf dem Heimweg nach einem Discobesuch von einem Angehörigen der rechten Szene erschlagen und beraubt worden war. Der Fall wird aktuell vor dem Landgericht Magdeburg verhandelt. Mit einem Urteil ist Ende März zu rechnen.

Wachsende Gewaltbereitschaft bei Demonstrationen

Sowohl im rechten wie im linken Lager sei die Bereitschaft gewachsen, politische Auseinandersetzungen mit Gewalt zu führen. Hövelmann: „Leider schaukeln sich die Szenen bei Demonstrationen und Gegendemonstrationen oft gegenseitig hoch, so dass die Lage zum Teil eskaliert.“ Zum Ausdruck komme dies in der hohen Anzahl von Straftaten, die im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen zwischen den Szenen registriert worden sind (356 Delikte). Hierin enthalten sind insgesamt 99 Gewaltstraftaten, die je zur Hälfte einer der beiden Szenen zugeordnet werden konnten.

Auch die Zahl der von rechtsextremen Parteien und Organisationen angemeldeten Demonstrationen ist im Jahr 2008 angestiegen. Nach Angaben des Landeskriminalamtes stieg die Zahl der Anmeldungen von 37 im Jahr 2007 auf 58 im vergangenen Jahr an. Dadurch trafen Anhänger der rechten und linken Szene häufiger aufeinander. Dies hatte einen Anstieg der Gewaltdelikte und Sachbeschädigungen zur Folge. Deutlich sei auch die Zahl der sogenannten Propagandadelikte gestiegen, heißt es aus dem Innenministerium Sachsen-Anhalt in Magdeburg.

Lob für Zivilgesellschaft

Der SPD-Politiker warnte davor, dass eine weitere Verschärfung der Wirtschaftskrise auch negative gesellschaftspolitische Entwicklungen auslösen könnte: „Wir müssen verhindern, dass Menschen ihre Hoffnungen auf autoritäre, demokratiefeindliche Scheinlösungen richten. Gerade jetzt kommt es darauf an, im Streit um die richtigen Lösungen, die Handlungsfähigkeit der Demokratie unter Beweis zu stellen.“ Die Zurückdrängung extremistischer Tendenzen bleibe eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der Polizei und Verfassungsschutz nur Teilaufgaben übernehmen könnten.

LoHövelmann: „In Sachsen-Anhalt ist mit dem Netzwerk für Demokratie und Toleranz und der Kampagne ,Hingucken und Einmischen!‘ eine Plattform für alle zivilgesellschaftlichen Kräfte entstanden, um gemeinsam Phänomenen wie Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt entgegenzutreten. Diese Arbeit trägt unabhängig von den heute vorliegenden Zahlen Früchte. Besonders positiv ist die deutlich verstärkte Bereitschaft der jeweiligen örtlichen Bevölkerung zu werten, an Aktionen in der Öffentlichkeit gegen rechts teilzunehmen. Diese Entwicklung macht uns Mut. Ich bleibe dabei: Die Qualität der Demokratie in Sachsen-Anhalt ist nicht an der kriminellen Energie ihrer Feinde zu messen, sondern an der Bereitschaft der Demokraten, sie zu verteidigen.“

Termin zum Thema am 26.3: Let's talk about Rassismus. Eine Konferenz der Mobilen Opferberatung in Kooperation mit dem Landesnetzwerk der Migrantenselbstorganisationen (LAMSA)

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto (Kulick): beschmierte Parkbank in Dessau

adriano-bank.jpg

bank in dessau mit SS-Rune