Sie sind hier

Aufstehen und Hinsehen!

Mehr als 1000 Menschen haben am 3. Januar in Passau gegen einen Neonaziaufzug demonstriert, der sich gegen "volksfeindliche" Medien und Politiker richtete. Anlass war der Überfall auf Passaus Polizeipräsidenten Alois Mannichl Mitte Dezember, der nach dessen Aussagen durch einen Rechtsextremisten verübt worden sein soll.

Am Samstag den 3.1.2008 haben mehr als 1000 Menschen friedlich gegen einen Neonazi-Aufmarsch vor der Passauer Polizeidirektion protestiert. Auf Transparenten forderten sie „Aufstehen und Hinsehen“ und „Rechtsextremisten unerwünscht“. In vielen Kommentaren wurde der Ruf nach einem Verbot neonazistischer Aufmärsche und Parteien laut.

Rund 150-300 Rechtsextreme aus dem Umfeld sogenannter „Freier Nationalisten" und der rechtsextremen NPD demonstrierten zeitgleich unter dem Motto "Gegen polizeiliche Willkür und Medienhetze" dagegen, dass seit dem Mordanschlag auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl am 13. Dezember 2008 gezielt in der rechten Szene nach dem Täter gesucht werde. Auf Transparenten zeterten sie über „volksfeindliche Politiker" und "volksfeindliche Medien“. Der Hamburger Neonaziführer Christian Worch, der seit Jahren schon rechtsextreme Aufmärsche in der gesamten Bundesrepublik anmeldet, leitete die Demonstration, um die es bis zuletzt ein juristisches Tauziehen gab. Er erhielt vom zuständigen  Verwaltungsgericht  allerdings Auflagen: Unter anderem durfte nicht ehrverletzend über Mannichl geredet werden und es durften keine Eselsmasken getragen werden.

neonazis in passau reuters-foto
neonazis in passau reuters-foto

So sehen also "volkstreue" Deutsche aus. Reuters-Bild aus Passau.

Gerichtlich untersagt wurde auch das von den Veranstaltern zunächst angekündigte Mitnehmen von "Lebkuchenmännern". Hintergrund ist, dass Mannichl mit einem Lebkuchenmesser niedergestochen wurde. Indirekt wurde dennoch dagegen verstoßen. So beobachtete der Korrespondent von Spiegel Online: „Worch ist der Veranstalter, ein so genannter "Freier Nationalist" aus Hamburg. Mit seinem Münchner Pendant Philipp Hasselbach auf dem Beifahrersitz fährt er im weißen VW Polo vor "Heli's Imbiss" vor. Sie montieren einen Dachträger und vier Megafone auf dem Wagendach, an die Flanke kleben sie ein Plakat mit den Preisen für die "Mannschafsverpflegung". Später trägt ein orthographisch bewanderter Kamerad dann noch das fehlende "t" bei Mannschaft nach. Wurst- und Käsesemmeln kosten einen Euro, hinter Lebkuchenmänner steht ‚Zensiert, zensiert’...“.In Neonaziforen war anschließend Frust über die relativ geringe Teilnehmerzahl nachzulesen. Allerdings war auch auf Seiten der Gegendmonstranten mit mehr Beteiligung gerechnet worden. 

Rund 1000 Gegendemonstranten


An der Gegendemonstration in der Passauer Innenstadt nahmen zunächst etwa 1000 Menschen teil, der Passauer "Runde Tisch gegen Rechts" hatte dazu aufgerufen. Bei Minusgraden zogen sie friedlich durch die Innenstadt bis zu einem Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus, anschließend zogen rund 400 der Teilnehmer weiter in Richtung des Neonaziaufzugs. Eine Blockade wurde aber unterbunden. Das feierten anschließend Neonazis im Internetals "taktischen Erfolg". So heißt es auf Altermedia: "...so gewann man nicht nur den Rechtskampf, sondern man konnte die Veranstaltung auch ungehindert durchführen. Versuche eines Teils der Gegendemonstranten, durch zivilen Ungehorsam die nationale Veranstaltung zu be- bzw. zu verhindern wurden von der Polizei verhindert. Was will man noch.".

Der Passauer Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) kritisierte, dass es nicht gelungen sei, den Neonazi-Aufmarsch zu verhindern. Er forderte, die Menschen dürften die Auseinandersetzung mit dem Rechtextremismus nicht nur Lokalpolitikern und der Polizei überlassen. „Wir müssen die Tugenden einer wehrhaften Demokratie ausschöpfen“, so Dupper. Er hoffe dabei auch auf die Unterstützung der Rechtssprechung. Der bayerische Grünen-Landtagsabgeordnete Eike Hallitzky betonte die Verbundenheit mit dem seit Jahren gegen die Rechtsextremisten kämpfenden Alois Mannichl, der nach dem Anschlag noch nicht in den Polizeidienst zurückgekehrt ist: "Er hat uns vor den Ewiggestrigen geschützt." Dass die Neonazis ihn nun verspotteten, das sei "ein Anschlag auf die Polizei und auf uns alle", so Hallitzky.

neonazis in passau mit transparent volksfeindliche politiker hand in hand mit volksfeindlichen medien ddp-foto
neonazis in passau mit transparent volksfeindliche politiker hand in hand mit volksfeindlichen medien ddp-foto

Rechtsextreme Feindbildwelt: Es wird nur noch zwischen "Volkstreuen" und "Volksfeinden" unterschieden. "Volsfeind" ist, wer gegen Neonazis ist....(ddp-Foto)

Mannichl war am 13. Dezember vor seiner Haustür mutmaßlich von einem Neonazi überfallen und schwer verletzt worden. Es wird ein Racheakt vermutet, weil der 52-Jährige mit seinen Beamten häufig gegen rechtsextremistische Veranstaltungen vorgegangen ist und von autonomen Neonazis und der NPD stark angefeindet wird. Nach Angaben der Ermittler gibt es allerdings weiterhin keine konkrete Spur zu dem nach wie vor unbekannten Täter – Szenekenner verwundert das allerdings nicht. Schon seit einigen Jahren ist die Neonaziszene bemüht, Spuren von Überfällen zu kaschieren und sich nicht zu Anschlägen zu bekennen, um den Erfolg des parlamentarischen Arms der Neonazibewegung nicht durch Negativschlagzeilen zu gefährden.


TV-Berichte (ZDF 3.1.) und (ARD 3.1.)

Neonazifeindbild Polizei (MUT 15.12.2008)

www-mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk / Quelle: dpa,afp,stern / Fotos stern-Archiv (dpa,reuters,ddp)

passau-braun-ist-keine-farbe.jpg

demonstranten in passau braun ist keine farbe dpa-foto