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Am Freitag den 24. Oktober 2008 fand im Jugendtreff ''Kupferdächle'' in Pforzheim ein Konzert der “Killerpilze” statt. Gegen 22.00 Uhr griffen etwa fünfzehn Neoazis die Gäste an und versuchten in die Location zu kommen. Die antifaschistische Initiative und die Securities konnten Schlimmeres verhindern und einen der Angreifer festsetzen, gegen den sich eine Frau mit Pfefferspray wehren konnte. Besorgte Eltern verließen nach dem Vorfall mit ihren Kindern fluchtartig den Ort. Nicht auszudenken, wenn die erwachsenen rechtsextremen Angreifer die 12 bis 16jährigen Killerpilze - Fans angegriffen hätten. Die Neonazis gingen mit enormer Brutalität vor. Drei Gäste wurden bei der Auseinandersetzung vor der Location verletzt.
Von Jörn Menge, Laut gegen Nazis
Ein solcher Vorfall dürfte der NPD und den Nazi-Funktionären wie Jürgen Rieger nicht schmecken, die sich sonst im Moment eher versuchen, als anständige “Deutsche” zu verkaufen. Die in Pforzheim und Umgebung ansässige Kameradschaft “Heidnischer Sturm” hat eine andere Auffassung davon, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen, nämlich mit Gewalt!
Wir wurden durch unsere Anwesenheit Zeugen dieses Vorfalls und staunten nicht schlecht über die Polizei, deren Einsatzleiter auf unsere Frage, ob man die Rechtsextremen die angriffen erwischen konnte, sagte: “Wir werden den Sachverhalt klären-noch ist die Beweislage diesbezüglich nicht zu ermitteln-zunächst müssen wir die Zeugenaussagen auswerten-wenden Sie sich in zwei Wochen an das Referat für Presse und Öffentlichkeit der Polizei Pforzheim-dort können Sie mehr erfahren.” So der Einsatzleiter Herr Bitto vor Ort. Das heißt zunächst mit anderen Worten-wir haben Gespenster gesehen. Herr Bitto garantierte uns eine Präsenz seiner Beamten bis zum Schluss der Veranstaltung, als die “Killerpilze” jedoch abfuhren, konnten wir danach leider keinen Streifenwagen mehr entdecken!
Pforzheim wurde im Zweiten Weltkrieg zu 80% zerstört wurde. Allerdings auch nicht ohne Grund. In Pforzheim waren Teile der deutschen Rüstungsindustrie ansässig. Hierzu eine Kurzbeschreibung von de.indymedia.org:
“Auch die Stadt begeht diesen Tag jährlich mit einer Gedenkveranstaltung auf dem Hauptfriedhof. Was dabei jedoch systematisch ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass die in der Stadt ansässige Rüstungsindustrie das eigentliche Ziel des Angriffs war. So gab es im Jahre 1944 in Pforzheim 101 Betriebe mit insgesamt 18.622 Arbeitern , davon arbeiteten mindestens 10.000 in der Rüstungsindustrie. Da am Ende des Krieges nicht mehr genügend Arbeiter zur Verfügung standen wurden Zwangsarbeiter aus den Vogesen, italienische Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiter aus Russland und der Ukraine herbeigeholt. Ebenso wurden KZ-Häftlinge zur Arbeit gezwungen. Dadurch entstand in Pforzheim eine große Rüstungsindustrie, von der knapp 50% aller Bordfunkgeräte des deutschen Militärs produziert wurden.”
Dresden läßt grüßen: Die Jugendlichen und die antifaschistische Initiative vor Ort berichteten uns von einem jährlich stattfindenden Fackelmarsch der Rechtsextremen durch Pforzheim am 23. Februar, dem Tag der Bombardierung durch die Allierten. Zwar mit 200 teilnehmenden Nazis kleiner als in Dresden (jährlich am 13./14. Februar), aber mit der gleichen Wirkung. So wollte die Pforzheimer Initiative in einem Jahr eine Woche vor diesem Spuk ein Konzert in der Stadt veranstalten, um auf diesen Horror aufmerksam zu machen. Die Stadt lehnte ab. Wir selber hatten bisher leider noch keine Kenntnis von diesem Marsch und waren doch ziemlich schockiert. Hierzu später mehr.
Die Jugendlichen selbst haben auf das Konzert mit den Killerpilzen und den örtlichen Bands gedrängt. Die Organisatoren und Betreiber sowie der Bürgermeister der Stadt fanden diese Idee sehr schön, so berichtete eine Mitarbeiterin des Kupferdächle. Wir vermissten am Abend jedoch einen Abgeordneten der Stadt bzw. den Bürgermeister. Meist ist so eine Geste sehr willkommen und stärkt das Selbstbewusstsein der aktiven Jugendlichen. Die “Killerpilze” setzten ein klares Zeichen zum Nachdenken und appelierten an die Konzertgäste Aufmerksamkeit und Sensibilität für das Thema zu entwickeln.
Angriff nach Konzertende
Um 22.00 Uhr war es dann soweit (das Konzert der Killerpilze war beendet). Wir selber standen am Einlass des Kupferdächles und sahen sechs klassische Schlägernazis, die versuchten rein zu kommen. Der Security konnte diese umleiten. Die anderen Nazischläger befanden sich auf der anderen Seite des Hauses (insgesamt ca. 15). Dort stellten sich Gäste, Securitys dem Treiben. Die Nazis griffen diese dann mit äußerster Brutalität an. Hierbei verletzten sie drei der Gäste (einer musste zur Untersuchung in das Krankenhaus). Einer von den Schlägern wurde durch Pfefferspray, das eine Frau bei sich trug, außer Gefecht gesetzt und der Polizei übergeben. Nach Angaben der Gäste, wurden bei der Auseinandersetzung auch die Schläger selbst leicht verletzt.
Eine doch sehr bittere Realität war die Tatsache, dass sich zu diesem Zeitpunkt, die meist weiblichen 12 bis 16jährigen Fans der Killerpilze (teilweise mit ihren Eltern) im Kupferdächle befanden. Nicht auszudenken, wenn es den Schlägern gelungen wäre in die Location einzudringen. Die Polizei traf mit ihren Beamten nach ca. fünf Minuten ein. Die Gäste der Veranstaltung konnten sehr schnell berichten, wer die Nazi-Schläger waren. Diese kennen sie aus ihrem Alltag und nennen sich “Heidnischer Sturm”-eine rechtsextreme Kameradschaft. Gegen 23.00 Uhr beruhigte sich die Lage. Mit der Abreise der “Killerpilze” war dann auch kein Polizist mehr zu sehen, obwohl die Veranstaltung mit jungen lokalen Bands weiterlief.
Quelle: www.lautgegennazis.de/blog
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: Wallberg/Gedenkstätte Pforzheim