"Dem Antragsgegner wird untersagt, die für den 21.05.2008 angekündigte Abschiebung des Antragstellers durchzuführen". Diese Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Meiningen in einem Eilentscheid gefällt. Damit droht Mohammad Sbaih aus Palästina vorerst keine Abschiebung mehr. Sbaih ist der Sprecher von Flüchtlingen aus Katzhütte/Thüringen, die sich dort über ihre unwürdige und isolierte Unterbringung beklagt hatten. Daraufhin war ihm am Montag überraschend seine Ausweisung angekündigt worden. Das hatte das bundesweite 'Netzwerk der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten' öffentlich gemacht und heftig kritisiert.
Zu der Gerichtsentscheidung teilte am Nachmittag des 21.5. Ralf S. Lourenco von der 'Karawane' in Hamburg der Presse mit: "Rechtsanwalt Mark Nerlinger hatte sowohl formal rechtliche Gründe wie inhaltliche Gründe vorgetragen. Das Gericht traf seine vorläufige Entscheidung aufgrund der formal rechtlichen Verstöße der Behörden wie Art und Weise der Ankündigung der Abschiebung, Einziehung der gültigen Duldung etc. . Über die inhaltlichen Gründe aufgrund rechtlicher und tatsächlicher Abschiebehindernisse hat das Gericht in seinem Urteil nicht entschieden, was aufgrund der Kürze der Zeit schwierig zu prüfen gewesen wäre. Die Ausländerbehörde macht dazu keine konkreten Angaben, spricht von einem "Verbindungsmann in Ramallha", nennt die Öffnungszeiten des israelischen Checkpoints auf der König-Hussein-Brücke und betont Geld für die Visa und Einreiseanträge Herrn Sbaih mitzugeben.
Die Vorhalte des Rechtsanwalts über die Gefahren und Risiken des Reisewegs, nicht vorhandene Visadokumente, die Gefahren der Festnahme durch jordanische Behörden, das nicht einschätzbare Verhalten der israelischen Seite, vergleicht die Ausländerbehörde Eisennach mit "Erzählungen aus 1001 Nacht" ohne selbst konkrete Angaben zu den Vorhalten zu machen.
Daß die Ausländerbehörde die katastrophale Situation der Palästinenser , verursacht durch die israelische Besatzung, in die Nähe von Märchen rückt, zeugt entweder von völliger Unwissenheit oder enormer Arroganz.
Die Gefahr der erneuten Abschiebung besteht weiter. Es muß mit neuen Versuchen gerechnet werden. Insbesondere da sich gezeigt hat daß einige Behörden in Thüringen, wenn sie zu Recht in die Kritik geraten, ihre Haltung nicht korrigieren, sondern aggressiv gegen die FlüchtlingsaktivistInnen des Barackenlagers Katzhütte vorgehen.Wir danken allen, die nach der Abschiebeankündigung mit öffentlichen Stellungnahmen ihren Protest ausgedrückt haben. Wir bitten alle aufmerksam zu bleiben und den Fall weiter zu verfolgen. Demonstration für die Schließung des Baracklenlagers Katzhütte Donnerstag, 05.06.2008, Saalfeld/Rudolstadt".
Der Fall lehrt, dass sich Engagement lohnt, auch wenn nur wenig Zeit zur Verfügung steht. Erst gestern hatte die Karawane den Fall wie folgt gemeldet:
"Der Protest der Flüchtlinge aus Katzhütte für die Schließung des abgelegenen und maroden Barackenlagers treibt Thüringer Behörden zu blindwütigen Bestrafungsaktionen. Insbesondere auf Mohammed Sbaih, der das Anliegen der Flüchtlinge in der Öffentlichkeit vertreten hat und der von den protestierenden Flüchtlinge als Sprecher benannt wurde, hat es die zuständigen Behörden abgesehen. Das Landratsamt Saalfeld versucht, die katastrophalen Bedingungen im Barackenlager Katzhütte herunterzuspielen, kann aber nicht leugnen kann, daß es wissentlich die Menschen dort darunter auch Kinder in von Schwarzschimmel befallenen Zimmern hat wohnen lassen.
Mittlerweile wird die Strategie der Behörden auf den Protest der betroffenen Flüchtlinge deutlich. Während der aufmerksam gewordenen Öffentlichkeit kleine Versäumnisse eingestanden werden und zur Beruhigung sinnloses oberflächliche Renovierungen begonnen werden, werden die Flüchtlinge, die an der einzig sinnvollen Lösung nämlich der Schließung des Barackenlagers festhalten, massiv bedroht.
Die Behörden versuchen jetzt Mohammed Sbaih abzuschieben, im Glauben alle anderen Flüchtlinge damit zum Schweigen zu bringen. Dazu bedient sich das Thüringer Landesverwaltungsamt unseres Erachtens nach illegaler Methoden. Als der Protest der Flüchtlinge vor einigen Wochen begann, weil die Zustände nicht mehr aushaltbar waren und insbesondere die Kinder ständig krank sind, sagte die Ausländerbehörde Herrn Sbaih, daß er, statt an der Schließung festzuhalten, einen Umverteilungsantrag für sich stellen könnte und wenn ihm es hier nicht passe, dann könne er ja nach Palästina zurückkehren. Als die Proteste weiter gingen, wurden Herr Sbaih und Herr Sajren am 06. Mai morgens unter Androhung von Gewalt durch Polizei und Behördenmitarbeitern zwangsweise nach Eisennach/Nordthüringen bzw. nach Greiz/Südthüringen gebracht. Proteste gegen diese Bestrafungsmaßnahme wurden ignoriert. Herr Sbaih wurde als Unruhestifter und als jemand von dem eine "negative Wirkung" ausgeht diffamiert. Ein Rechtsanwalt stellte gegen die Behörde Strafanzeige wegen der krankmachenden Unterbringung und auch wegen der Zwangsmaßnahme gegen Herrn Sbaih.
Alle bisherigen Methoden der Einschüchterung brachten den Protest nicht zum Schweigen. Heute wurde Herrn Sbaih die Abschiebung angekündigt. Herr Sbaih soll am Mittwoch den 21.05. um 14°° Uhr von Frankfurt am Main nach Amman/Jordanien abgeschoben werden. Den Brief der Behörde an Herrn Sbaih, der diese Information enthält, wurde ihm erst auf seine Forderung hin vorgelegt. Obwohl der Brief an Herrn Sbaih adressiert ist, wollte die Behörde ihm den Brief wieder wegnehmen. Herr Sbaih gab den Brief nicht zurück und die Behörde behielt unerlaubter Weise seine Duldung.
Heißt es in dem Brief: "Ihre Abschiebung nach Palästina (Westjordanland) am 21.05.2008" wird schnell klar, daß die Behörden eine Abschiebung nach Jordanien planen. Nach dem Abschiebeflug nach Amman/Jordanien soll Herr Sbaih laut Behörde dort ein Einreise/Durchreisevisum beantragen und bezahlen. Dann soll er ein Taxi nehmen und an die Grenze fahren. Dort soll er ein Einreisevisum für das Westjordanland stellen und dann über die König-Hussein-Brücke in das besetzte Westjordanland spazieren.
Herr Sbaih wird ausdrücklich daraufhin gewiesen, daß, wenn er nicht freiwillig folge leiste, polizeilicher zwang angewendet wird. Außerdem können die jordanischen Behörden, falls er nicht entsprechend mitwirke ihn festnehmen.
Es ist ein Skandal, daß das Thüringer Landesverwaltungsamt die Abschiebung in ein Nachbarland des Herkunftlandes plant, welches in keinster Weise für Herrn Sbaih zuständig ist. Es besteht sogar die große Gefahr (die Behörde weist selber daraufhin), daß Herr Sbaih festgenommen wird. In Jordanien leben palästinensische Flüchtlinge unter sehr schweren Bedingungen. Das andere kaum lösbare Problem ist, daß eine Einreise ins Westjordanland/Palästina nur über die israelische Besatzungsbehörde läuft, was das Vorhaben des Thüringer Landesverwaltungsamt doppelt absurd erscheinen läßt.
Unser Auffassung nach ist die geplante Abschiebung eindeutig rechtswidrig. Das Rechtsanwaltsbüro Nerlinger/Töpfer in Hamburg hat einen Eilantrag gegen die Abschiebeankündigung beim Verwaltungsgericht Meiningen eingereicht. Eine Entscheidung wird für morgen erwartet. Wir protestieren scharf gegen das Vorgehen der Thüringer Behörden gegen Herrn Sbaih. Es ist eine Schande, daß Behörden in Deutschland die legitimen Forderungen nach menschenwürdiger Unterbringung mit Repression und Abschiebung beantworten wollen. Besonders perfide ist auch, daß die Landrätin Marion Philipp (SPD) versucht, der Flüchtlingsselbstorganisation
the VOICE Refugee Forum die Schuld für das zu geben, was das Landratsamt selbst den Flüchtlingen in Katzhütte antut. >Die "selbsternannten Flüchtlingsvertreter" trügen ihre bundesweit laufende Kampagne gegen die Asylgesetzgebung auf dem Rücken der Verfolgten" aus, die eigentlich nichts als in Unterkünften wie in Katzhütte "nun endlich zur Ruhe"
zukommen.
Die Landrätin ist verantwortlich, daß Menschen jahrelang isoliert in schimmligen Baracken hausen und daß der nach langer Leidenszeit enstehende Protest mit Drohung, Repression und Abschiebung beantwortet wird. Die interessierte Öffentlichkeit, die mittlerweile über Deutschland hinausgeht, schaut mit Verwunderung und Abscheu auf solche Entwicklungen in Katzhütte und Saalfeld/Rudolstadt.
Das bundesweite Netzwerk der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen ruft alle Organisationen und Menschen auf, Solidarität mit Mohammed Sbaih und den Flüchtlingen in Katzhütte zu zeigen. Wir fordern die thüringischen Behörden auf, die Abschiebeplanung sofort zu stoppen und endlich die unwürdigen Barackenlager Katzhütte zu schließen.
Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen".
Als erstes reagierten noch am Dienstag Thüringens Grüne mit nachfolgender Erklärung:
"
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN protestieren scharf gegen die geplante Abschiebung von Herrn Sbaih und unterstützen das Vorgehen seines Anwaltes", stellt Astrid Rothe-Beinlich, Landessprecherin der Thüringer Bündnisgrünen klar, die erst in der letzten Woche in Katzhütte mit den Verantwortlichen gesprochen und sich von der Gemeinschaftsunterkunft ein Bild gemacht hatte. Das Rechtsanwaltsbüro Nerlinger/Töpfer in Hamburg hat einen Eilantrag gegen die Abschiebeankündigung beim Verwaltungsgericht Meiningen eingereicht. Eine Entscheidung wird für morgen erwartet.
Auch die LINKE reagierte. Deren Migrationspolitische Sprecherin Sabine Berninger, teilte in einem Offenen Brief mit:: Ich möchte mittels dieses Offenen Briefes meinen schärfsten Protest gegen diese geplante Abschiebung artikulieren und kann nur dringend an Sie, Herr Minister, appellieren, von dieser Abschiebung abzusehen!
Nicht allein die bereits (nach meinen Informationen gegen den Willen Herrn Sbaihs) erfolgte Umverteilung in einen anderen Landkreis lässt vermuten, dass der berechtigte Protest der in Katzhütte untergebrachten Flüchtlinge seitens der zuständigen Behörden mit repressiven Mitteln beantwortet wird.
Mittels der nun angedrohten Abschiebung will man nun offensichtlich auch andere Flüchtlinge davor abschrecken, inhumane Unterbringungs- und Lebensbedingungen öffentlich zu machen und dagegen zu protestieren und ihr Recht auf ein Leben in Würde einzufordern.
Sollten solche Methoden Ihrerseits, Herr Minister, nun nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch noch befürwortet (ich hoffe, diese Abschiebungsandrohung beruht nicht auf einer Anweisung Ihres Hauses) werden, so würde dies nicht nur ein bezeichnendes Bild vom Freistaat Thüringen zeichnen, sondern spielte all dem in die Hände, wogegen viele ThüringerInnen sich engagieren: nämlich ausländerfeindlichen, rassistischen Einstellungen und integrationsfeindlichen Bemühungen.
Sehr geehrter Herr Minister Scherer,ich fordere Sie hiermit auf, das Landesverwaltungsamt zur Rücknahme dieser Abschiebungsandrohung anzuweisen und damit die Abschiebung von Herrn Sbaih zu verhindern."
Am Abend meldete dann schon voab der MDR in Radio Thüringen:
"Behördensprecher Adalbert Alexy sagte MDR 1 RADIO THÜRINGEN, der Mann sei in Deutschland nur geduldet, deshalb sei sein Aufenthalt befristet. Inzwischen wurde die geplante Abschiebung vorerst gestoppt. Ein Hamburger Anwalt hatte beim Verwaltungsgericht Meiningen einen entsprechenden Eilantrag eingereicht. In dem Antrag verwies der Anwalt darauf, dass Sbaih bis Anfang August in Deutschland geduldet sei und er auf Grund der kurzfristigen Ankündigung seiner Abschiebung keine Möglichkeit habe, sich darauf einzustellen und persönliche Dinge zu organisieren. Die Abschiebung soll dem Palästinenser erst am Montag mitgeteilt worden sein...". Hundertprozent zuverlässige Informationen, was und ob etwas geschieht, gab es aber zunächst nicht. Dass die Abschiebung am 21.5. nicht stattfindet, steht gerichtlich auch erst seit Mittwoch um 15 Uhr fest. Die Meldung der 'Karawane' ist überschrieben mit der Zeile: "Gefahr ist nicht vorbei"...
Erstmeldung des Falls: MUT am 26.2.2008
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de