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Der Fall Ermyas M. - Zwei Jahre danach

Vor genau zwei Jahren, am 16. April 2006, wurde der schwarze Deutsche Ermyas M.in Potsdam lebensgefährlich verletzt. Mit einem ausführlichen Dossier zieht die Opferperspektive Brandenburg eine kritische Bilanz der gesellschaftlichen Diskussionen, die durch den rassistischen Angriff ausgelöst wurden.

Von Jonas Frykman

 

In dem 52-seitigen Text »Der Fall Ermyas M. – Chronik einer Debatte«, der auf der Website des Vereins veröffentlicht wird, sind die Geschehnisse von der Tat im April 2006 bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens im Juni 2007 mit einem umfangreichen Quellenapparat rekonstruiert.

Die mediale, politische und juristische Aufarbeitung wird von der Soziologin Beate Selders einer kritischen Analyse unterzogen, die von drei Interviews ergänzt wird: Elena Buck (Universität Leipzig) zeigt anhand der Berichterstattung Schnittmengen in den Diskursen der »gesellschaftlichen Mitte« und des »rechten Randes« auf. Mario Peucker (Europäisches Forum für Migrationsstudien) erläutert, weshalb die Tat – unabhängig des Gerichtsurteils – als rassistisch zu werten ist. Der Migrationsforscher Mark Terkessidis geht der Frage nach, warum es in Deutschland auch dann vermieden wird, von Rassismus zu sprechen, wenn dieser evident ist.

Die Gewalttat sorgte kurz vor der Fußballweltmeisterschaft bundesweit für Schlagzeilen und löste eine hitzige Debatte um die Sicherheit ausländischer Fußballfans und die Existenz von »No-go-Areas« in Deutschland aus. Die Medien berichteten ausführlich über den Fall, die Ermittlungen und das Gerichtsverfahren. Das zunächst als sicher angenommene fremdenfeindliche Tatmotiv wurde immer stärker in Zweifel gezogen und von den Ermittlungsbehörden später fallen gelassen. Während dieser Zeit drehte sich die öffentliche Stimmung von einer Empathie mit dem Opfer hin zu einer weitgehenden Demontage seiner Person. Die öffentlichen Bewertungen prägten die Atmosphäre und gestalteten auch den Gerichtsprozess mit, an dessen Ende im Juni 2007 die Angeklagten aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurden.

Ein schwerer rassistischer Angriff blieb ungesühnt. Im gesellschaftlichen Gedächtnis bleibt er als Symbol »vorschneller und reflexartiger« Reaktionen auf rechte Gewalt zurück. Mit der Publikation, die durch eine Förderung der Brandenburgischen Landeszentrale für politsche Bildung ermöglicht wurde, will die Opferperspektive auf diese fatale Bedeutung des »Falls Ermyas M.« für den Umgang mit rassistischer Gewalt aufmerksam machen.


Zur Studie: www.opferperspektive.de/Dokumente/Publikationen/Ermyas_M


Foto: Aus einer Schülerausstellung in Neuruppin

 

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abends halb 10 in ostdeutschland