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NPD droht weiterhin kein Verbot

Die demokratiefeindliche NPD hat  derzeit keinen Verbotsantrag zu befürchten: Mindestens acht von Union oder schwarz-gelben Koalitionen regierte Bundesländer weigern sich, Materialsammlungen über die Partei an das Bundesinnenministerium zu liefern. Damit wird eine MUT-Umfrage unter den Innenministerien aus dem vergangenen Jahr bestätigt: die NPD bleibt trotz ihrer verfassungsfeindlichen Haltung durch die CDU-Innenminister demokratisch legitimiert. Die SPD-Innenminister sind entsetzt - sie betonen "erfolgversprechendes Material" für ein solches Verbot zu zu haben".

Laut ARD-Hauptstadtstudio zeigen weiterhin Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen kein Interesse an einem NPD-Verbot. Entsprechende Stellungnahmen hätten die Länder in einem Verfahren abgegeben, das SPD-Fraktionschef Peter Struck im vergangenen September angestoßen hatte. Ohne eine mehrheitliche Zustimmung der Bundesländer ist ein neues NPD-Verbotsverfahren aber nicht möglich. Für die Beantragung des Verfahrens wären Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat nötig.

In dem ARD-Bericht heißt es wörtlich: "Auf Anregung des SPD-Fraktionschefs Peter Struck hin hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Bundesamt für Verfassungsschutz und die 16 Verfassungsschutzämter der Länder gebeten, bis zum 31. März Informationen zusammenzustellen. Die acht Innenminister von CDU, CSU und FDP lehnen nach ARD-Informationen die Mitarbeit an einem neuen Verfahren aus juristischen wie nachrichtendienstlichen Gründen ab.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, der Freistaat sehe nach dem wegen der Rolle von V-Leuten gescheiterten Verbotsantrag von 2003 "keine Chance, dass ein neues Verfahren zum Erfolg geführt wird". Herrmann warnte: "Das Schlechteste wäre, wenn die NPD noch einmal obsiegen würde." Das Abziehen von V-Leuten sei nicht vertretbar. "Wir müssen wissen, was in diesem braunen Sumpf vor sich geht", argumentierte der CSU-Politiker. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) findet es dagegen "schade, dass ein großer Teil der CDU-Bundesländer die Mitarbeit verweigert". Ohne die Union werde es aber kein NPD-Verbotsverfahren geben. Nach ARD-Recherchen haben sich auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, intern gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren ausgesprochen. Aus gutem Grund:

Auch Verfassungsschutz will kein NPD-Verbot

Das erste NPD-Verbotsverfahren scheiterte 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht weil V-Leute von Bund und Ländern teils Posten in Führungsgremien der rechtsextremen Partei bekleidet hatten und sich das Verfassungsgericht deshalb außerstande sah, sich ein unabhängiges Bild zu machen. Ein Abzug der V-Leute wäre eine Grundvoraussetzung des Gerichts für eine Neuansetzung eines solchen Verfahrens. Doch die meisten Innenminister wollen dies nicht - zum entsetzen der SPD.

SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck nannte es einen "Skandal", dass sich Unionsminister weigerten, Material für eine Datensammlung über die rechtsextreme Partei zur Verfügung zu stellen. Das zuständige SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner, früher Innenminister Schleswig-Holsteins, warf ihnen vor, schon die "Vorstufe eines NPD-Verbotsverfahrens zu blockieren".

SPD spricht von "vielversprechendem Material"

Nach Stegners Angaben haben die fünf SPD-Innenminister "vielversprechendes" Material für ein Verbotsverfahren gesammelt, das sie in den nächsten Tagen bei Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorlegen wollen. Allerdings sind sie sich teilweise noch nicht im Klaren, ob ihr Material ausreicht, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa ergab. Nach Angaben der Bremer Innenverwaltung haben die fünf SPD-Minister bereits ein gemeinsames Papier erstellt. Unklar war, ob es sich nur um eine Materialsammlung handelt oder ob auch Empfehlungen für oder gegen einen Verbotsantrag gegeben werden.
Die von der SPD initiierte Materialsammlung über die NPD soll Grundlage für die Prüfung der Erfolgsaussichten eines zweiten Verbotsanlaufs sein. Die Innenminister befassen sich damit bei ihrem nächsten Treffen Mitte April. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Silke Stokar, forderte für die Sitzung des Bundestagsinnenausschusses am 9. April von der Bundesregierung einen Bericht zum Stand der Materialsammlung an.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting und Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (beide SPD) unterstützten einen Verbotsantrag. Körting mache sich schon lange dafür stark, sagte seine Sprecherin. Berlin habe für die Sammlung der SPD-Minister "erfolgversprechendes Material" geliefert. Hövelmanns Sprecher äußerte sich ähnlich. Über Inhalte und Quellen des Materials wollten beide nichts sagen.

Auch Rheinland-Pfalz hat sein Material zusammengetragen. Bei der Bewertung habe man sich aber noch nicht entschieden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Sein Haus sei "grundsätzlich für ein Verbotsverfahren", wenn es eine Erfolgschance gebe. Schleswig- Holsteins Innenminister Lothar Hay (SPD) will in der nächsten Woche zur Bewertung des Materials Stellung nehmen, wie sein Sprecher mitteilte. Bislang sei noch nicht entschieden, ob ein neues Verbotsverfahren befürwortet werde: "So weit sind wir noch nicht."

Anders als andere Unionspolitiker dringt auch Mecklenburg- Vorpommerns CDU-Innenminister Lorenz Caffier auf ein NPD-Verbot. Er hatte seine Materialsammlung bereits am Dienstag vorgelegt. In Schwerin sitzt die NPD im Landtag, ebenso in Sachsen.

Die anderen Unionsminister bremsen vor allem, weil sie die V-Leute des Verfassungsschutzes nicht aus der NPD abziehen wollen - aus Angst, die Partei unbeobachtet zu lassen. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) warf ihnen deshalb in Berlin vor, der NPD "das Parteien-Privileg" zu garantieren.

Im vergangenen Jahr demonstrierten Neonazis 140 Mal, wie die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke berichtete. 2005 waren es demnach noch 208 Kundgebungen. Die Innenexpertin der Fraktion, Ulla Jelpke, führte dies auf eine zunehmende Verankerung der NPD in der Gesellschaft zurück, derentwegen sie auf Aufmärsche eher verzichte.

MUT-Übersicht

Bereits im vergangenen Jahr hatte die MUT-Redaktion in eine Umfrage unter den Innenministerien ermittelt, dass es keine Aussicht auf eine Mehrheit für ein neues Verbotsverfahren gibt. Dies hat sich offenkundig bis heute nicht verändert. Hier die Positionen der Innenminister.

Hierzu aktuell: taz-Interview mit Sebatian Edathy

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/hk/Foto aus Dortmund: hkulick

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