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Vor mehr als 600 Besuchern wurde am Mittwoch zum ersten Mal der Preis „Rechtsextremismus im Spiegel der Medien“ vergeben. Initiiert hatten den Preis das Justizministerium Sachsen-Anhalts und Landesverband Sachsen-Anhalt des Deutschen Journalistenverbandes. Geehrt wurden Journalisten, die vorbildlich genau "hingucken". Die Jury traf eine gute Wahl, erlebte aber auch eine Überraschung...
Von Franziska Schwarzmann
Mit dieser festlichen Abendveranstaltung startete aber auch die Kampagne der Landeszentrale für Politische Bildung "Hingucken - Für ein demokratisches und tolerantes Sachsen-Anhalt" in ihr zweites Jahr - um Journalisten zu ehren, die "hingucken" - was in der Branche keineswegs üblich ist. Die Preisträger - emotional und dokumentierend Beispielhaft haben sich die drei Preisträger mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandergesetzt. Die Jury einigte sich auf zwei erste Plätze, die die gesamte Bandbreite der journalistischen Berichterstattung abdecken sollten: Der Berliner Tagesspiegel-Redakteur Frank Jansen sowie Anke Jahns und Felix Pankok vom NDR teilen sich das mit 3000 Euro dotierte Preisgeld.
Forderung nach mehr Engagement Sowohl der Printjournalist Jansen als auch Jahns und Pankok betonten in ihren Dankesreden, dass es noch immer an Engagement fehlt von Seiten der Demokratie. Außerdem berichteten sie alle drei von Schwierigkeiten, die ihnen während ihrer Recherchen begegneten, von Seiten der Politik aber auch der Medien. So waren die beiden Fernsehjournalisten dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden mit ihrem Film der NPD ein nie da gewesenes Forum im deutschen Fernsehen bieten. Sie freute der Preis, gerade wegen dieser Probleme, besonders. Man kann nur hoffen, dass diese Auszeichnung für mehr Verständnis sorgt: Journalist Jansen will, wenn er Zustände des "Wegguckens" im Bundesland Sachsen-Anhalt kritisiert, keineswegs der Politik den schwarzen Peter zuschieben, sondern alle auf Defizite aufmerksam machen. Es scheint immer noch so, als wolle ein jeder die Verantwortung von sich schieben: Wir sind gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, aber wir sind bestimmt nicht daran schuld, dass es so ist.
Die nahegehende Emotionalität in der Berichterstattung Jansens überzeugte die Jury. Er berichtet seit 10 Jahren über den Italiener Orazio Giamblanco, der im September 1996 in Trebbin von einem Skinhead angegriffen wurde. Seine authentische Beschreibung des Momentes, als Jansen dem Opfer die schriftliche Entschuldigung des Täters vorlegt, wurde von der Jury gekrönt.
Die 44-minütige Dokumentation „Die neuen Nazis“ von Anke Jahns und Felix Pankok erstaunte die Jury: „Er [der Film] kommentiert nicht vieles und kommentiert dadurch vieles von selbst“, erklärte DJV-Vorsitzende Uwe Gajowski in seiner Laudatio.
Auf die Frage, ob das Erstarken der NPD mit dem Versagen demokratischer Strukturen Hand in Hand ginge, entgegnete Justizministerin Angela Kolb, dass man nicht vom Versagen demokratischer Strukturen sprechen könne: sie erreichten nur nicht mehr alle Bürger. Ihrer Meinung nach fehle es in bestimmten Bevölkerungsschichten an rudimentärem Wissen über das Funktionieren einer Demokratie. Preisträgerin Anke Jahns hingegen sieht ein solches Versagen durchaus. Sie bemängelte die fehelnde inhaltliche Auseinandersetzung mit der NPD. Sie musste während ihrer Dreharbeiten feststellen, gestand sie traurig, dass vielerorst "die NPD vor Ort ist und die Demokraten nicht". Zusammengefasst hat das dann Frank Jansen: "Rechtsextreme können nur so stark sein, wie das die Demokratie zulässt".
Auf der einen Seite stand dieser Abend beispielhaft für eine engagierte Gesellschaft und Politik. Auf der anderen Seite ließ sich auch eine medienheischende Kampagne erkennen, bei der kritische Worte weniger gefragt waren. Das merkte man vor allem, als Frank Jansen (Foto 2.v.l. am Rande einer NPD-Demo in Berlin) um die faire Behandlung von drei Dessauer Staatsschützern bat. Nach Medienberichten waren sie bei ihren Ermittlung gegen Rechtsextremismus zu erfolgreich und wurden aus noch nicht eindeutig geklärten Gründen versetzt. Ein Raunen ging durch den Saal, als Jansen die Geschichte zur Sprache brachte, über die er ausführlich in ZEIT und Tagesspiegel berichtet hat (>klick). Justizministerin Kolb schien auffällig erleichtert, dass er es bei wenigen Worten beließ. Waren ihr doch sichtlich die Gesichtszüge entglitten, als Jansen die drei zwangsversetzten Staatsschützer namentlich lobte. Und auch Sachsen-Anhalts Innenminister Hövelmann schien not amused. Aber Jansen verteidigte seine Haltung auch in anschließenden Gesprächen. Selten habe er so kompetente Fachbeamte erlebt, die aber dann allein wegen einer Meinungsdifferenz mit ihrem Vorgesetzten das Feld räumen mussten. Zur Freude der örtlichen Neonaziszene.
Was dieser Abend lehrte? Man darf nicht ungerecht sein und diejenigen an den Pranger stellen, die etwas tun. Und jederman sollte so ehrlich zu sich selbst sein und sich eingestehen, dass Rechtsextreme in Deutschland nicht nur aus sich heraus erstarken. Mehr zivilgesellschaftliches Engagement, mehr Feinfühligkeit der Politik könnten dazu beitragen Rechtsextremismus zu marginalisieren.
Und noch mehr engagierte Journalisten wie Frank Jansen braucht diese Auseinandersetzung auch.
Der dritte Preis: Die Dortmunder Lokalredaktion der Westfälischen Rundschau >klick
Der Medienpreis soll auch 2008 wieder vergeben werden: >klick
MUT-Schwerpunkt Medien bei der bpb: >klick
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