Das Portal
für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Bei einer von der örtlichen Bevölkerung sehr gut besuchten Veranstaltung in der Boizenburger Kirche am Mittwochabend, wurde der Fraktionsvorsitzende der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs der Kirche verwiesen - nachdem er sich rassistisch geäußert hatte. Anlass der Andacht war ein brutaler Überfall Ende November 2007 auf einen Flüchtling aus dem Lager Horst, nahe Boizenburg.
Von Christian Galati
Mehrere Täter hatten am Bahnhof einen Asylbewerber erst beschimpft und dann brutal zusammengeschlagen, der Vorfall wühlt viele Menschen in Boizenburg auf. "Es gibt niemals eine Entschuldigung für Gewalt und schon gar nicht, wenn sie jemanden wegen seiner anderen Herkunft oder Gesinnung angetan wird", sagte Pastor Dino Steinbrink in seiner Andacht vor den rund 350 Besuchern. Vielen Menschen bereite es ein Klima der Angst, wenn sie sähen, wie Rechtsextreme im Raum Boizenburg auftreten.
Das genoß offensichtlich NPD-Chef Udo Pastörs, er war zu Beginn mit Ehefrau sowie weiteren Begleitern in der Kirche erschienen und hatte sich an der Diskussion "beteiligt". Da es leider versäumt worden war, vorher in den Veranstaltungsankündigungen, Nazis von der Teilnahme auszuschließen und auch, weil der Pfarrer sagte, die Kirche sei ein Raum für Alle, er könne dort niemanden von vornherein ausschließen, sondern erst wenn rassistische und persönlich beleidigende Äußerungen gemacht worden seien, konnte nicht durchgesetzt werden, den Obernazi und seine Kameraden sofort hinauszubitten.
Unter den zahlreich erschienenen Flüchtlingen aus dem Lager Horst und UnterstützerInnen aus HH und Bb. wurde daher vorher im Boizenburger Kino beratschlagt, ob sie unter diesen Umständen an der Veranstaltung in der Kirche teilnehmen wollten. Die Flüchtlinge entschieden sich einhellig für die Teilnahme und gingen geschlossen in die Kirche. Zu Beginn der Diskussion, die von der Flüchtlingsbeauftragten der NEK, Pastorin Fanny Dethloff sehr souverän geleitet wurde, wurde klar gestellt, dass jede rassistische oder beleidigende Äußerung oder Störung der Beiträge zum sofortigen Verweis aus der Kirche führen werde. Die Gruppe "Courage" hatte zu der Diskussionsveranstaltung in der Marienkirche aufgerufen.
Viele anwesende Boizenburger Bürger brachten zunächst ihre Betroffenheit zum Ausdruck über den feigen rassistischen Überfall in ihrer Stadt und zeigten sich überwiegend solidarisch mit den Flüchtlingen.
Pastörs (der auch in der Nähe von Boizenburg wohnt und sein Begleiter T., die beide mehrfach das Wort ergriffen, nutzten die Veranstaltung als Plattform für ihre braune Ideologie, hielten sich aber zunächst mit direkten rassistischen Beleidigungen zurück. Zum Glück verhinderte auch die Redezeitbegrenzung von jeweils 1 Minute ein allzu deutliches Ausbreiten jeglichen Wortmülls. Und die große Mehrheit der Anwesenden zeigte auch deutlich ihren Unmut über diese Nazireden.
Als Pastörs nach ca. einer 3/4 Stunde, bei seinem 4. Redebeitrag dann doch zwei rassistische Floskeln äußerte, machte der Pfarrer dem Spuk endlich ein Ende und verwies ihn des Raumes. Er ging dann auch, mit ihm seine Frau und zwei weiteren Begleiter, T. und die übrigen 4 oder 5 Rechtsextremen blieben drinnen, meldeten sich aber nicht mehr zu Wort. Allerdings schrieb T. eifrig Namen von DiskussionsrednerInnen auf.
Die weiteren eineinhalb Stunden Diskussion verliefen dann sehr solidarisch mit den Flüchtlingen. Auch viele Flüchtlinge selbst beteiligten sich (während der ganzen Diskussion wurde über Mikro Arabisch und parrallel in der Gruppe Türkisch übersetzt). Offenbar hat der rassistische Überfall nun doch viele Boizenburger aufgerüttelt - sie wollen "nicht mehr wegsehen" bei rassistischen Angriffen und einige auch aktiv werden.
Auch wenn es selbstverständlich besser gewesen wäre, die Rechtsextremen nicht in den Raum zu lassen, hat sich doch in der Diskussion gezeigt, dass gerade die dummerhaften Sprüche der Nazis viele BoizenburgerInnen "aus der Reserve gelockt" und zu Äußerungen der Solidarität mit den Flüchtlingen ermutigt haben.
Die Flüchtlinge wurden nach der Veranstaltung per Shuttle-Service gemeinsam zum Lager Horst zurück gebracht, so dass sie nicht erneut Opfer der mit ihren Autos durch die Stadt fahrenden Neonazis werden konnten.
Am Samstag gibt es in Boizenburg eine Demonstration:
Da nach der massiven Präsenz der Nazis bei der Veranstaltung, nun wohl auch mit ein noch massiveren Auftreten bei der Demo am kommenden Samstag gerechnet werden muss, sind hiermit möglichst viele Bürger aufgefordert zur Demo nach Boizenburg zu kommen, nicht zuletzt auch um den dort teilnehmenden Flüchtlingen Schutz zu bieten. Die Demonstration beginnt am 22.12. um 11 Uhr mit einerAuftaktkundgebung am Bahnhof und Demonstration zum Marktplatz, nach der Kundgebung dort Demo zurück zum Bahnhof.
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de
Wie auf die NPD in Veranstaltungen reagieren. Ein Dilemma nicht nur in Boizenburg: >klick