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„Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ - eine Aussage, die nicht zwingend von einem Neonazi stammen muss. Menschenverachtende Parolen wie diese sind tief in der Gesellschaft verankert und ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die Konsequenz: Auch auf Familienfeiern oder bei einem Treffen mit Freunden kann man mit ihnen konfrontiert werden. Doch wie reagiert man darauf? Diskutieren? Aber wie?
von Luisa Wingerter und Konrad Eucken
In einer Diskussion tragen die Gesprächspartnerinnen und -partner ihre Meinungen vor und versuchen, das Gegenüber mit den eigenen Ansichten zu überzeugen, oder wenigstens zum Nachdenken zu bringen. Die notwendige Voraussetzung für einen Meinungsaustausch: Beide Seiten erkennen die Grund- und Menschenrechte als unbestreitbare Basis des Gesprächs an. Menschen, die diesen Grundkonsens nicht teilen und gleichzeitig versuchen mit ihren Argumenten an dieser Basis zu rütteln, sind keine potentiellen Diskussionspartnerinnen und -partner.
Ist man mit rassistischen Aussagen konfrontiert, stellt sich daher zunächst die Frage: Mit wem habe ich es zu tun? Sitzt mir ein Neonazi mit einem gefestigten extrem rechten Weltbild gegenüber? Oder eine Person, die unreflektiert die in der Gesellschaft tief verankerten rassistischen Vorurteile reproduziert? Die Antwort auf diese Frage beeinflusst den weiteren Gesprächsablauf sowie die Erwartungen an das mögliche Ziel einer Diskussion.
Keine Diskussion mit Neonazis
Neonazis vertreten Ideologien der Ungleichwertigkeiten und achten daher weder Grund- noch Menschenrechte. Aussagen, die lediglich auf das Verbreiten dieser zielen oder provozieren wollen, stellen keine Ausgangssituation für eine Diskussion dar. Erstens ist ein Neonazi nicht an einer Diskussion interessiert, sondern eben lediglich an der Verbreitung ihrer oder seiner menschenverachtenden Weltanschauung. Eine Debatte könnte daher ein Gefühl der sozialen Anerkennung dieser Parolen vermitteln, die diese nicht verdienen. Zweitens werden sich Neonazis mit einem gefestigten extrem rechten Weltbild nicht kurzerhand vom Gegenteil überzeugen lassen, egal wie logisch oder überzeugend Gegenargumente daherkommen. Und drittens: Grund- und Menschenrechte sind niemals verhandelbar. Diskutieren ist also weder angebracht noch zielführend. Darüber hinaus kostet es unnötig Kraft, die bei anderen Gesprächspartnerinnen und -partnern zielführender eingesetzt werden könnte.
Eine Diskussion sollte daher nur mit Menschen geführt werden, die die unveräußerlichen Grund- und Menschenrechte anerkennen. Erst diese gemeinsame Basis eröffnet überhaupt die Möglichkeit in einem Gespräch bestehende Vorurteile zu hinterfragen und pauschalisierende, rechte Aussagen zu entkräften.
Rechte Parolen nicht unkommentiert lassen
Für eine Konfrontation mit rassistischen Parolen im öffentlichen oder privaten Umfeld gilt unabhängig von den Einstellungen des Gegenübers: Menschenverachtende Einstellungen dürfen nicht unkommentiert im Raum stehen bleiben. Das Erteilen einer klaren Absage ist zwingend erforderlich, auch wenn das Gegenüber nicht immer überzeugt werden kann. Nur so kann verhindert werden, dass der Eindruck einer schweigenden Zustimmung entsteht. Und zusätzlich, dass die Parolen verkündende Person sich als „Gewinnerin bzw. Gewinner“ inszeniert oder sogar andere auf ihre Seite zieht.
Strategien in Diskussionen
Doch welche konkreten Strategien gibt es, um sich in Diskussionen mit Menschen behaupten zu können, die menschenverachtende Parolen äußern? Bestimmte Muster tauchen im Argumentationsverhalten der Parolenverkünderinnen und -verkünder immer wieder auf. Auf diese kann jeweils unterschiedlich reagiert werden.
Daten, Fakten und Nachfragen
Daten und Fakten können hilfreich sein, um platte Parolen auch vor unbeteiligten Dritten entlarven zu können. Wenn Fakten z.B. in Form persönlicher Erfahrungen und eigener Geschichten vermittelt werden, sind sie zugänglich und können zum Nachdenken anregen. Besonders gut funktioniert es, wenn die innere Widersprüchlichkeit der Argumentation gezeigt werden kann und so die ganze Absurdität der Parole zu Tage tritt. Wie etwa bei den häufig zusammengenannten Vorurteilen, dass „Ausländer Arbeitsplätze wegnehmen“ aber gleichzeitig „auf Kosten des Staates leben“ würden. Die Strategie der Gegenargumentation ist es, die Ungereimtheiten solcher Vorurteile aufzudecken und das Augenmerk auf die eigentliche politische Absicht der Aussagen zu lenken.
Häufig bringen parolenschwingende Personen gleich eine ganze Reihe an Vorurteilen und springen von einer pauschalen Aussage zur nächsten. Hier ist es wichtig sich nicht in viele Argumentationsstränge verwickeln zu lassen, sondern sich auf ein Thema festzulegen und immer wieder nachzuhaken. Durch gezieltes nachfragen können dann einzelne Behauptungen besser bearbeitet werden. Im besten Fall kann so die Gesprächsführung erlangt und einzelne Argumentationslinien abgearbeitet werden.
Kommt man auf dieser sachlichen Ebene mit Daten, Fakten und Fragen nicht weiter, kann man sich aber noch anderer Gesprächsmittel bedienen.
Ironie und Humor
Wenn es die Situation erlaubt, kann es manchmal hilfreich sein, mit Ironie und Humor das Gespräch wieder zu öffnen. Das kann einige Situation entschärfen und zur Entspannung des Gesprächsklimas beitragen. Wichtig hierbei: Menschenverachtende Parolen keinesfalls verharmlosen und das Thema weiterhin ernstnehmen.
Verbündete suchen
Kommt man alleine nicht weiter, kann man sein Umfeld auffordern, Position zu beziehen. Die parolenschwingende Person erkennt eher den Charakter und die Konsequenzen von abwertenden Äußerungen wenn deutlich wird, dass diese nicht akzeptiert werden. Daher: Je mehr Menschen sich gegen menschenverachtende Parolen aussprechen, desto überzeugender ist die Wirkung.
Was sonst noch zu berücksichtigen ist:
Wenn versucht wird zu belehren oder stark moralisierend argumentiert wird, schalten viele Menschen sofort ab oder rechtfertigen sich. Um den Gesprächsteilnehmenden für Argumente zu öffnen, muss eine Gesprächsatmosphäre gegeben sein, die nicht sofort eine Abwehrhaltung provoziert. Allerdings sollte auch darauf geachtet werden, dass diese nicht vom Gegenüber ausgenutzt wird. Gegebenenfalls muss erneut auf die gemeinsame Basis der Grund- und Menschenrechte verwiesen werden.
Wichtig ist auch eine ruhige und sachliche Argumentationsweise, auch wenn die Gegenseite aufgebracht und emotional ihre Position vertritt. Die Aufmerksamkeit bei ruhig vorgetragenen Argumenten ist sehr viel größer, als wenn versucht wird, die andere Seite mit Lautstärke zu übertönen. Auch die richtige Körpersprache führt dazu, dass aufmerksamer zugehört wird und die Argumente leichter angenommen werden.
Verwandte Artikel: Pro Menschenrechte. Contra Vorurteile und Rassismus
https://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/node/12263
Argumentieren im Netz:
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Überblick über Argumente gegen Vorurteile:
http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41601/argumente-gegen-rechte-vorurteile?p=0
http://no-nazi.net/news/fakten-gegen-vorurteile/
Argumentieren gegen Rechts („Ausländer nehmen den Deutschen die Arbeitsplätze weg“):
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Argumentieren gegen Rechts („Ausländer liegen uns auf der Tasche“):
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Foto: Lucas Cobb (CC BY 2.0)