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Braunes Stühlerücken in Baden-Württemberg – ein Rechtsruck im Ländle?

Am 25. Mai 2014 haben in Baden-Württemberg und neun anderen Bundesländern Kommunalwahlen stattgefunden. Nun sind in mindestens 10 kommunalen Vertretungen rechtsextreme oder rechtspopulistische Abgeordnete vertreten, können dort hetzen und ihre rechte Propaganda vor Publikum verbreiten. In Mannheim schickt die NPD erstmals seit 40 Jahren einen Neonazi in den Gemeinderat, der wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch und Volksverhetzung vorbestraft ist. In Baden-Württemberg erzielen rechte Parteien auf kommunaler Ebene bescheidene Wahlerfolge, aber sie schaffen es dauerhaft, ihr Wählerinnen- und Wählerpotential zu mobilisieren.

Von Sophie Bose

Rechtsextreme Abgeordnete – der Einzug der NPD

In mindestens 10 kommunalen Vertretungen haben rechtsextreme Parteien und Listen Mandate erhalten. In das Regionalparlament Stuttgart und den Kreistag Freudenstadt zogen die Republikaner mit jeweils einem Abgeordneten ein. Bei den letzten Kommunalwahlen im Jahr 2009 hatten sie auch im Rhein-Pfalz-Kreis einen Sitz erhalten, den sie nun aufgeben mussten. Die NPD ist wie auch in den letzten fünf Jahren im Kreistag von Böblingen und im Schwarzwald-Baar-Kreis mit je einem Mandat vertreten. In Weil am Rhein (3,1 Prozent) und in Mannheim (1,1 Prozent) hat die NPD erstmals je einen Sitz erhalten. Die rechte Partei „Pro Heilbronn“ erlangte in Heilbronn ein Mandat und in Villingen-Schwenningen erhielt das NPD-Mitglied Jürgen Schützinger mit seiner rechten Liste „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ 2,5 Prozent der Stimmen. Vergleicht man diese Ergebnisse mit den Kommunalwahlen 2009, so entsteht der Eindruck, dass es einen festen Stamm an Wählerinnen und Wählern rechtsextremer Parteien gibt. In Mannheim beispielsweise stellt die NPD mit 1,1 Prozent der Stimmen zwar erstmals seit 40 Jahren einen Abgeordneten, bei der vergangenen Kommunalwahl hatten jedoch die rechte „Deutsche Liste Mannheim“ und die Republikaner dort zusammen 1,9 Prozent der Stimmen erhalten. Beide waren damals nicht in den Gemeinderat eingezogen, weil das damalige Verfahren zur Zuteilung der Sitze noch ein anderes und zum Nachteil von Kleinstparteien war. Der diesjährige Einzug der NPD bedeutet also keinen Zuwachs an Stimmen für rechtsextreme Parteien, sondern kommt durch das neue Berechnungsverfahren zustande.

Vorbestrafter Neonazi im Mannheimer Gemeinderat

Der Vertreter der NPD im Mannheimer Gemeinderat, Christian Hehl, ist über die Region hinaus als gewaltbereiter Neonazi und Hooligan bekannt. Wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch sowie Volksverhetzung wurde er bereits mehrmals vorbestraft. Er war Mitglied mehrerer rechter Gruppen und Beauftragter der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) für die Region Vorderpfalz und hatte im eigenen Laden in Ludwigshafen einschlägig rechte Musik, Kleidung und Waffen verkauft.

Jeder dritte Rechtsextreme ist gewaltbereit

Am Beispiel Christian Hehls wird eine Tendenz deutlich, die auch der am 5. Juni präsentierte Baden-Württembergische Verfassungsschutzbericht 2013 feststellt: Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremen ist mit rund 610 von 1800 Personen unverändert hoch. Der Landesverband der JN hat laut Verfassungsschutzbericht im Jahr 2013 die Zusammenarbeit mit der Neonazi- und Kameradschaftsszene intensiviert.

Erfolg der rechtspopulistischen AfD

Aufmerksamkeit verdienen außerdem die Stimmanteile für die rechtspopulistische Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Mit ihren europaskeptischen, nationalistischen und einwanderungsfeindlichen Positionen spricht sie offenbar einen nicht unerheblichen Teil der Baden-Württembergischen Bevölkerung an, der mit offen rechtsextremistischen Parteien nichts zu tun haben möchte. Aus dem Stand erhielt die AfD in den Gemeinde- und Stadträten von Stuttgart (4,7 Prozent; 3 Sitze), Karlsruhe (5,6 Prozent; 3 Sitze), Mannheim (7,5 Prozent; 4 Sitze), Heidelberg (2 Sitze), Breisgau-Hochschwarzwald (3 Sitze), Ludwigshafen (8 Prozent), Wiesloch (2,3 Prozent), Landau, Bad Dürkheim (5,1 Prozent), im Rhein-Pfalz-Kreis (7,8 Prozent) und Pforzheim (4 Sitze) sowie im Regionalparlament Stuttgart (3,6 Prozent; 3 Sitze) zahlreiche Mandate.

Rechte und rechtspopulistische Parteien nur „Sonstige Parteien“?

In Baden-Württemberg erzielen offensichtlich rechte Parteien auf kommunaler Ebene zwar bescheidene Wahlerfolge, aber sie schaffen es seit vielen Jahren, ihr Wählerinnen- und Wählerpotential zu mobilisieren. Darüber hinaus identifiziert sich ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung mit der rechtspopulistischen AfD. Angesichts dessen wäre es hilfreich und angebracht, die Aktivitäten und Wahlergebnisse auch über den Verfassungsschutzbericht hinaus zu beobachten und Informationen darüber zu sammeln. An derartige Informationen in Baden-Württemberg zu gelangen, ist allerdings nicht einfach: Das Statistische Landesamt fasst Parteien wie die NPD, Die Republikaner und die AfD unter „Sonstige Parteien“ zusammen und äußerte auf Nachfrage, dass einzeln aufgeschlüsselte Ergebnisse erst später vorliegen werden. Es fehlt also eine offizielle und vollständige Gesamtübersicht. Die Subsummierung der AfD unter „Sonstige Parteien“ durch das Statistische Landesamt ist bei häufigen Anteilen von 7 bis 8 Prozent zumindest fragwürdig.

Foto: © Jörg Kantel/ CC BY-NC-ND 2.0
 

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Foto: © Jörg Kantel