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Hier irrt Eva Herman

"...was gut war, und das sind Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft, es durfte nichts mehr stehen bleiben". Mit diesem Lob für Hitlers Familienpolitik hat sich die TV-Journalistin Eva Herman bei der ARD ins Aus geschossen, weil sie offenkundig unkundig war, über das, was Adolf Hitler mit Familienpolitik verband. stern.de fragte nach bei der Hamburger Historikerin Annette Kuhn.

Interview: Inga Niermann.

stern.de
: Frau Herman hat sich positiv über den Umgang der Nazis mit Werten wie Familie und Mütter geäußert. Was sagen Sie dazu?
Annette Kuhn: Ich habe das heute im Radio gehört und dachte, das darf doch nicht wahr sein. Solche Äußerungen zeigen deutlich, dass NS-Ideologie in unseren Köpfen noch nicht überwunden ist. Wenn man dann noch oberflächlich argumentiert, steht uns das nicht gut zu Gesicht. Die Äußerungen von Frau Herman halte ich für sehr unglücklich.

Welche Familienpolitik haben die Nazis verfolgt?
Die Familienpolitik war von der NS-Ideologie geprägt. Die Aufgabe der arischen Frau war es, biologisch für das Fortbestehen der Herrenmenschen zu sorgen. Diese guten, weil reinrassigen Frauen hatten die Aufgabe, dem System zu dienen. Sie sollten möglichst viele Kinder gebären. Dem Führer ein Kind schenken, wurde das genannt. . .

Hat das funktioniert?
Statistisch gesehen haben weder finanzielle Zuwendungen noch Auszeichnungen etwas bewirkt. Es wurden im Dritten Reich nicht mehr Kinder geboren, sondern es blieb größtenteils bei dem bürgerlichen Modell der vierköpfigen Familie mit zwei Kindern. Wir haben bei unseren Forschungen festgestellt, dass viele Frauen sich nicht von der NS-Ideologie beeinflussen ließen und sie auch aktiv unterlaufen haben.

Wie sahen die Nazis die Rolle der Frau im Arbeitsleben?
Die Nationalsozialisten sind in einer Zeit an die Macht gekommen, als es eine hohe Arbeitslosigkeit gab. Hitlers Frauen-Ideologie war diesbezüglich Augenwischerei. Mit den Frauen am Herd wollten die Nazis auch den Arbeitsmarkt bereinigen.

Wie bekam man die Frauen an den Herd?
Jungen Paaren bot man als Anreiz zum Kinder kriegen ein Ehestandsdarlehen an, mit dem sie beispielsweise ihre erste Einrichtung kaufen konnten. Das Darlehen sollte dann 'abgekindert' werden: Nur wer sechs Kinder zeugte, musste von dem Darlehen nichts mehr zurückzahlen.

Wurden arbeitende Frauen auch gefördert?
Nein, das Darlehen konnten nur junge Paare in Anspruch nehmen, wenn nachweislich nur der Ehemann erwerbstätig war. Paare, bei denen die Frau zum Lebensunterhalt beitragen musste, waren für die NS-Ideologen uninteressant.

Annette Kuhn ist emeritierte Professorin für Frauengeschichte der Universität Bonn, Vorsitzende des Vereins Frauengeschichte in Bonn, erklärte Feministin und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes.


Mehr zum Thema Familienpolitik im Dritten Reich hat am 10.9. auch die BILD-Zeitung zusammengestellt: >klick

Wie die rechtsextreme NPD mit einer Einladung an Eva Herman reagierte: (10.9.) >klick und  (11.9.)>klick

Wie Eva Hermann reagierte (11.9.): >klick

Mehr über rechtsradikale Frauen (ZDF Mona Lisa  >klick, SZ, 30.6.2007: >klick ) 

Mehr über Frauen im Umfeld der NPD (bpb):
>klick)

© www.stern.de & www.mut-gegen-rechte-gewalt.de - 11.10.2007. Foto: Kulick