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Eben erst hat die CSU in den Koalitionsvertrag gegen alle Vernunft und mal wieder mit Brachialgewalt die umstrittene und überflüssige Maut hineingeboxt, schon macht Horst Seehofers bayerische Splittertruppe neuerlich von sich Reden. “Wer betrügt, der fliegt”, heißt es in einer Beschlussvorlage der Partei, mit der sich die lieben Christsozialen und das Land gegen die angeblich bevorstehende Flut von Arbeitsmigranten aus Osteuropa wappnen will.
Von Marion Kraske
Dabei hatte die Bayerntruppe eben noch unterschrieben, dass die Willkommenskultur in diesem Lande gestärkt werden soll. So steht es im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Doch was schert mich mein Geschwafel von gestern, mag sich Horst Seehofer über die Feiertage gedacht haben und er und seine Mannen formulierten ihr ganz eigenes Welcome-Sprüchlein, das an Plattheit und Populismus nicht zu überbieten ist.
Es sind Parolen, wie man sie von Rechtsaußen kennt, in einen schönen Reim verpackt, für ganz Depperte, damit es auch der letzte Stammtischhorst versteht. Hetze gegen Fremde (in diesem Falle gegen andere EU-Bürger), gegen die Bösen, die allesamt einzig und allein zu uns kommen, um uns und unsere Sozialsysteme zu plündern. Um uns auszunehmen, zu betrügen.
Eben so macht seit Jahren die FPÖ in Österreich höchst erfolgreich Stimmung gegen Migranten, Zuwanderer, Muslime. Die Partei des tollwütigen Heinz-Christian Strache erweist sich dabei als äußerst kreativ: “Pummerin statt Muezzin“ (Pummerin ist die Glocke im Stephansdom) reimte die Rechtsauslegertruppe vor Jahren oder auch: “Asylbetrüger haben zu gehen – Rot-Schwarz will das nicht verstehen”.
Mit ihrem flotten Spruch zeigt nun auch die Bayern-Partei, dass sie für Wählermaximierung gewillt ist, aufs Ganze zu gehen. Die bevorstehende Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für Rumänen und Bulgaren wird – wie so vieles was mit Zuwanderung zu tun hat – alarmistisch erhöht und vor allem unnötig kriminalisiert. Vor den Europawahlen ein bisserl Stimmung gegen die ungeliebten Osteuropäer, die mit dem Spruch allesamt mit Betrügern gleichgesetzt werden – das kommt eben gut an in den Bierzirkeln des Bayernlandes. Es steckt also Kalkül hinter der Hetze – und macht sie umso erbärmlicher.
Die komplexe und sensible Thematik von Migration und Freizügigkeit zu vereinfachen ist schnell gemacht. Die Wirkung dieser geistigen Zündelei ist jedoch verheerend, bereitet sie doch den Nähr-Boden für Rechtsextreme, die ihre Vorurteile und ihren Hass gegen Ausländer und Zugewanderte auch in die Tat umsetzen. Die sich aufgrund der Aussagen durch die Politik darin bestärkt sehen, das „kriminelle Gesocks“ auch zur Strecke zu bringen. Wie Menschen verachtend Rechtsextreme agieren, hat nicht zuletzt die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gezeigt. Junge Menschen zogen mordend durchs Land und knallten wahllos Zugewanderte ab, dessen Leben sie als wertlos erachteten.
Nach Auffliegen des NSU war die Bestürzung groß: Alle Parteien im Bundestag entschlossen sich zu einer gemeinsamen Erklärung (Drucksache 17/7771): „Wir brauchen eine gesellschaftliche Atmosphäre, die ermutigt, gegen politischen Extremismus und Gewalt das Wort zu erheben. Rechtsextremistischen Gruppen und ihrem Umfeld muss der gesellschaftliche und finanzielle Boden entzogen werden.“
Der NSU-Prozess läuft noch, da sind die hehren Ziele schon wieder vergessen.
Die Hetze der CSU macht denn auch das genaue Gegenteil. Sie schafft ein Klima, in dem sich Rechtsextreme bestätigt sehen dürfen. Das ist alles andere als christlich (ja ja, die CSU – sie trägt ein “C” im Namen – weiß sie das eigentlich?). Das ist unerträglich. Und höchst gefährlich.
Marion Kraske, studierte Politologin, ist freie Journalistin, Kolumnistin und Buchautorin. In ihrem 2009 erschienenen Buch „Ach Austria. Verrücktes Alpenland“ (Molden-Verlag) zeigt Kraske unter anderem die Problematik des geistigen Rechtsextremismus in Österreich auf. Sie ist außerdem Gründerin des Polit-Blogs www.debattiersalon.de.
Marion Kraskes Kommentar ist zuerst erschienen auf www.debattiersalon.de
Foto: Friedemann Weise/ Twitter