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Samstag, den 5. April 08: NPD und Neonazis wollten durch Weimar marschieren. Doch eine Bürger-Koalition stand auf und blockierte den Goethe-Platz im Herzen der Stadt. Sieben Stunden hielten Politiker, Bürger und Kinder stand, um ihre Kulturstadt nicht Neonazis zu überlassen. Ein kleiner Rückblick auf diesem friedlichen und fröhlichen Kampf um die Demokratie.
Von Julian Perdrigeat
„Ihr könnt nach Hause gehen! Ihr könnt nach Hause gehen!“ Die bunte Menge jubelte als sich die NPD-Anhängerschaft endlich auf den Heimweg begab. Die ungefähr 300 Rechtsextremen kapitulierten und wurden ausgepfiffen. Ein NPD-Organisator war sehr wütend und schimpfte wie ein Rohrspatz auf Polizisten ein: Seine kleine Truppe konnte ihr eigentliches Ziel, den für die Kulturstadt Weimar so zentralen Goethe-Platz in der Innenstadt nicht erreichen. Er war besetzt.
Applaus, Lachen und Freude aus der anderen Seite der Polizistenkette. Die mehr als 1000 Gegendemonstranten, die aus Weimar und der ganzen Umgebung kamen, tanzten nun Samba. Legal und schlau hatten sie auch verhindert, dass die Neonazis ihre Reden im Herzen Weimars halten konnten. Sie hatten sich gleichzeitig auf drei strategischen Kreuzungen (Ecke Washingtonstraße – Schwannseestraße, Ecke Schwanseestraße zum Goethe-Platz und Sophienstiftplatz) niedergelsassen und waren so viele, dass die Polizei nur an einer Ecke eine Gruppe vertreiben konnte, die zwei andere standen fest und blockierten alle Wege zum Goethe-Platz. Das Herz Weimars war bunt und nicht braun. Noch besser: Die braunen Propaganda-Reden wurden dank den Trommeln der Sambagruppe übertönt. Ein Doppel- Sieg.
Sit-in am Sophienstiftplatz, 15:00.
Die Nationaldemokraten hatten ihre Demo vorher angemeldet und die Erlaubnis zum Goethe Platz der Klassischen Stadt zu demonstrieren. Das Motto „Kinder, Zukunft, NPD – sozial geht nur national“. Die rechtsradikale Partei blickt nämlich schon auf die Landtagswahlen, die 2009 in Thüringen stattfinden und auf die Landratswahlen im selben Jahr. Sie versucht sich als Oppositionspartei zu profilieren. Um die Köpfe zu gewinnen, braucht sie aber Präsenz auf der Straße. Aber die überließen ihnen die Weimarer nicht.
Ein friedlicher Kampf von sieben Stunden
Ab 10 Uhr morgens hatten sich bereits 200 Bürger am Theater-Platzversammelt und folgten damit einem Aufruf von Oberbürgermeister Stefan Wolf. Der engagierte SPD-Politiker hatte am 1. April (ohne Scherz) in einem Rundschreiben an alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung appelliert, zu „zeigen, dass der Rechtsextremismus und seine Vertreter in dieser Stadt nichts zu suchen haben.“ Denn der Rechtsextremismus ziele „auf die Vernichtung des freien Geistes, des vermeintlich Andersartigen, der Menschenwürde, kurz: der Demokratie.“
Weimar kennt eine starke Kultur des Engagements. Die Verfassung der Ersten Demokratischen Republik Deutschlands wurde wegen politischen Unruhen in Berlin 1919 in dieser Stadt verfasst, wo früher Goethe, Bach und Schiller den freien Geist gelobt hatten. Die Stadt Weimar liegt aus diesen Gründen im Zentrum der demokratischen Geschichte Deutschlands. Geographisch liegt sie auch in der Nähe vom KZ-Buchenwald. Alles gute Gründe, hier keinen Nazigeist zu dulden.