Sie sind hier

Nazisymbole in Window Color

In Schwarzbach (Sachsen) bemüht sich eine Sozialarbeiterin, Jugendliche für ein demokratisches Miteinander zu begeistern. Nicht leicht, wenn sie die einzige Fachkraft für drei Jugendclubs in drei Orten ist. Einer davon wird nur von rechtsextremen Jugendlichen besucht wird. Noch schwerer wird es, weil ein Bürgermeister zugleich behauptet, das wäre gar nicht wahr.

Von Simone Rafael

Schwarzbach ist ein 600-Einwohner-Dorf in sächsischen Landkreis Mittweida. Seine Häuser reihen sich links und rechts der Haupstraße aneinander. Ziemlich in der Mitte des Ortes steht ein gelb angestrichener Betonflachbau mit Wellblechdach: Das Bürgerhaus. Die Pinnwand am Eingang ist fast leer. Die meisten Türen zum langen Flur sind geschlossen. Nur ganz hinten ist eine Tür geöffnet. Das Büro dahinter ist klein und kunterbunt. Die Wände sind dekoriert mit den Fotos und Schaubildern. Der Schreibtisch trägt eine große Last an Akten, Briefen, Anträgen. Steffi Bormann ist die Chefin dieses kleinen Reiches. Sie ist Jugendsozialarbeiterin für die Jugendclubs in Schwarzbach, Stollsdorf und Königsfeld. Und sie hat eine Geschichte zu erzählen über Rechtsextremismus im ländlichen Raum, wie sie immer wieder vorkommt und immer wieder erschreckend ist.



Nazisymbole in Window Color
Offiziell ist Steffi Bormann, die beim Jugend- und Kulturverein e.V. angestellt ist, Fachkraft für soziale Arbeit. Zu DDR-Zeiten war die Mutter von zwei Kindern Krippenerzieherin, „aber die wurden nach der Wende und dem Geburtenrückgang als erste nicht mehr gebraucht.“ Sie bildet sich fort und beginnt 2004, die drei Jugendclubs in den benachbarten Orten Schwarzbach, Stollsdorf und Königsfeld zu betreuen. Drei Jugendclubs und eine offizielle 30 Stunden-Woche, das bedeutet anderthalb bis maximal zwei Tage pro Woche, in denen Steffi Bormann in jedem einzelnen Jugendclub nach dem Rechten sehen kann. Sie bietet für die Jugendlichen Tanzgruppen an. Es gibt in Schwarzbach einen Bandprobenraum. Einmal im Jahr organisiert sie ein sachsenweites Newcomerbandfestival im Festsaal, einmal gibt es ein Fußballfest. Der Jugendclub in Königsfeld ist besonders klein und unansehnlich. Bormann schlägt den im Schnitt 14-jährigen Jugendlichen, die den Club damals nutzen, vor, die Räume gemeinsam schön zu machen. „Was die Mädchen da mit Window Color an die Fenster gemalt haben, da kommen Sie nicht drauf“, sagt Steffi Bormann, „SS-Runen, Nazisymbole, verfassungsfeindliche Zeichen, alles.“



Die Hälfte der Jugendlichen würde NPD wählen
Königsfeld hatte Anfang der 1990er Jahre ein Rechtsextremismus-Problem, doch nachdem ein rechtsextremer Kandidat für den Gemeinderat abgeschmettert wurde, hielt man es für erledigt. Steffi Bormann reagierte, wie die meisten Erwachsenen auf rechtsextreme Jugendliche reagieren: „Ich dachte, die plappern etwa nach. Ich habe geglaubt, deren Meinung wäre noch gar nicht verfestigt.“ Steffi Bormann bemüht sich beim Bürgermeister um schönere Räume für den Jugendclub. Sie hofft, dass der Rechtsextremismus verschwindet, sobald mehr Jugendliche in den Club kommen. Es kamen mehr Jugendliche. „Nur das rechtsextreme Gedankengut blieb“, sagt Bormann und klingt ernüchtert. An den Tagen, an denen sie nicht im Jugendclub sein kann, ritzen die Jugendlichen SS-Runen und Hakenkreuze in die neue Holzverkleidung. Bei einer gespielten Wahl im Jugendclub bekommt die NPD 50 Prozent. Wenn Steffi Bormann mit den Jugendlichen zu diskutieren versucht, stößt sie auf reine NS-Propaganda.



Aber dabei bleibt es nicht. Neonazis aus dem Königsfelder Jugendclub überfallen, mit Schürhaken bewaffnet, die Jugendclubs und Feste, in und auf denen sich nichtrechte Jugendliche aufhalten. Die Polizei steht vor der Tür des Jugendclubs, die Sonderkommission Rechtsextremismus und der Staatsschutz. Steffi Bormann sucht Rat beim Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus vom Kulturbüro Sachsen. Der Bürgermeister hat ein offenes Ohr für die Nöte seiner Jugendsozialarbeiterin, sieht die Unmöglichkeit, einen Jugendclub mit einer so schwierigen Klientel von einer mobilen Jugendsozialarbeiterin betreuen zu lassen. Er unterstützt Bormanns Bemühungen, Projekte gegen Rechtsextremismus auf die Beine zu stellen, Auseinandersetzung zu ermöglichen. Dies gelingt allerdings nur in den Jugendclubs in Schwarzbach und Stollsdorf. In Königsfeld wird der Jugendclub geschlossen, um ihn hinterher mit anderen Jugendlichen wieder aufzubauen. „Das aber ist gescheitert“, erzählt Steffi Bormann, „die rechtsextremen Jugendlichen hatten mehr Unterstützung. Die anderen blieben weg.“ Daraufhin soll der Jugendclub geschlossen werden.

Nazimusik schallt durch das Dorf
Dann aber wird in Königsfeld ein neuer Bürgermeister gewählt. Der ist der Meinung, dass die Gemeinde besser für den Jugendclub sorgen könne. Er findet auch, dass Steffi Bormann übertreibt mit den Rechtsextremismus-Vorwürfen. Deshalb lässt er den Jugendclub geöffnet und entlässt dafür Steffi Bormann. Jetzt betreuen zwei 1-Euro-Jobbern ohne spezifische Qualifikation die Jugendlichen. Für Steffi Bormann, die sich über Jahre engagiert hat, Drohungen gegen sich und ihre Familie ertragen hat, die immer noch versucht hat, im Gespräch auch die rechtsextremen Jugendlichen nicht fallen zu lassen und nach Möglichkeit doch mit Argumenten zu überzeugen, ist das bitter. Sie beobachtet, dass die Königsfelder Rechtsextremen, die jetzt größtenteils um die 18 Jahre alt sind, sich durch das Verhalten des neuen Bürgermeisters gestärkt fühlen. „Laute Nazimusik schallt durch das Dorf“, erzählt Bormann, „die Nachbarn fühlen sich bedroht.“ Jugendliche aus dem Club überfielen Dorffeste und die Treffpunkte nicht-rechter Jugendclubs, gehörten auch ins Umfeld der jüngst verbotenen Kameradschaft Sturm 34 aus Mittweida. „Da sind Leute dabei, die sogar Polizisten mit Reizgas angreifen“, berichtet Steffi Bormann. Die lokale Presse beschloss währenddessen, dass man Rechtsextremen kein Forum bieten wolle, und enthält ihren Leserinnen und Lesern im Moment vor, von wem die Gewalt im Landkreis ausgeht. Wenn etwa im Mai 2007 Rechtsextreme ein Radio-Fest in Breitenbach überfallen, ist in der Zeitung nur von „Jugendlichen“ die Rede.



Es gibt also viel zu tun in Königsfeld und Umgebung. Vor allem, wenn man eine der wenigen Menschen seiner Region ist, die angesichts rechtsextremer Umtriebe nicht wegsehen möchte. „Offiziell scheint mir derzeit die Taktik zu sein: Wir sitzen das aus“, sagt Steffi Bormann, „aber die Teppichkanten sind hier schon übervoll vom vielen Drunterkehren.“

Der Bürgermeister: "Keine verbotene CD"
Frank Ludwig ist die offizielle Seite. Der Bauunternehmer ist der derzeitige parteilose Bürgermeister von Königsfeld, und er gibt sich im Gespräch überzeugt: „Wir haben keine rechtsextreme Szene im Jugendclub Königsfeld.“ Er wisse lediglich von einem Polizeieinsatz im Januar, wegen lauter Nazi-Musik, „und das war keine verbotene CD.“ Der Königsfelder Gemeinderat habe sich mit den Jugendlichen zusammengesetzt und „eine sehr konstruktive Aussprache“ gehabt. „Die wissen jetzt, was die Spielregeln sind“, sagt Ludwig. Er findet, dass man „jegliche Gewalt, auch linke und aus der Mitte“ sehr bedenklich sei, „das müsse man ganz stark unter Kontrolle haben. „Sie können sich sicher sein, wenn es hier Rechtsextremismus gäbe, würden wir dagegen vorgehen. Da sind wir doch auch als Gemeinderat in der Pflicht, der wir die Räume zur Verfügung stellen.“ Er sagt auch: „Wir haben hier ja jetzt eine Demokratie, was immer das heißt.“

Der 1-Euro-Jobber kommt im Rudolf Hess-T-Shirt
Vielleicht könnte da Steffi Bormanns neues Ausstellungsprojekt helfen, für das Jugendliche zu Themen wie Demokratie und Toleranz arbeiten sollen. Außerdem lädt sie Theatergruppen ein, die Stücke zum Thema Rechtsextremismus anbieten, organisiert Info-Abende für alle, die mit rechtsextremen Jugendlichen arbeiten. Sie versucht, die Öffentlichkeit aufzurütteln und laut zu fragen: Was ist mit den nichtrechten Jugendlichen, wie können wir die unterstützen? Währenddessen schlägt Steffi Bormann sich mit Jugendamtsmitarbeitern herum, die ihr erklären, es gäbe doch wohl ein Links- und kein Rechtsextremismus-Problem, da man im Landkreis mehr PDS- als NPD-Wähler habe. Ein 1-Euro-Jobber, der ihr über das Arbeitsamt vermittelt wurde und beim Ausstellungsprojekt helfen sollte, erschien im Rudolf-Hess-T-Shirt zur Arbeit. Als beim Bandwettbewerb in Schwarzbach Anfang Mai gegen 23 Uhr Besucher die Veranstaltung mit „Heil Hitler“-Rufen störten, drohte der Bürgermeister ein Nachspiel für den Jugendclub an, „obwohl doch klar war, dass das keine der Gymnasiasten aus unserem Schwarzbacher Club waren, die klar gegen Rechtsextremismus positioniert sind.“ Es ist schon ein mittleres Wunder, dass es Menschen wie Steffi Bormann in ihrem kleinen Büro im Bürgerhaus gibt, die sich trotz allem nicht entmutigen lassen und immer weiter machen.

© www.mut-gegen-rechte-gewalt.de - 31.05.2007