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19 Jahre nach einem rechtsextremistischen Brandanschlag auf das Habermeier-Haus in Schwandorf erinnert endlich eine Gedenktafel an die vier Opfer des Verbrechens. Damals waren eine türkische Familie und ein Deutscher in den Flammen ums Leben gekommen.
Von Hubert Heinzl
Dem Verbrechen, das am 17.Dezember 1988 von einem Schwandorfer Neonazi verübt wurde, fielen vier Menschen zum Opfer. An sie erinnert nun die schlichte Gedenktafel, die auf Initiative der SPD-Stadtratsfraktion gestern an einem Privathaus an der Ecke Postgartenstraße/Schlesierplatz angebracht wurde. Rund 100 Bürger beteiligten sich an der Zeremonie, darunter Stadräte aus allen politischen Lagern, Vertreter der Kirchen und der Türkisch-Islamischen Kulturgemeinde Schwandorf.
Deren 2.Vorsitzender Yasar Atas rief dazu auf, das Verbrechen vor 19 Jahren „nicht in Vergessenheit geraten“ zu lassen. Die Gedenktafel symbolisiere die Trauer an die Opfer, aber auch die Mahnung, „dass so etwas nie wieder passieren darf“. Vor allem solle sie als Zeichen für ein friedliches Miteinander stehen, „was genau der Weihnachtsbotschaft entspricht: Friede sei für alle Menschen auf Erden“.
Zuvor hatte SPD-Fraktionschef Franz Schindler den Ablauf und die rechtsradikalen Hintergründe des Verbrechens in Erinnerung gerufen. Das Landgericht Amberg hatte den Täter Josef Saller wegen besonders schwerer Brandstiftung zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Tatmotiv, urteilten die Richter damals, sei ein „durch nationalsozialistisches Gedankengut gezüchteter Ausländerhass“. Der Täter, so Schindler, verkehre nach wie vor in rechtsextremistischen Kreisen, „ohne jemals Reue gezeigt zu haben“.
Die Tat und ihre Folgen für die Angehörigen könnten nicht ungeschehen gemacht werden, so der SPD-Fraktionschef. „Was wir aber machen können, ist zu verhindern, dass die Opfer in Vergessenheit geraten und über die Motive des Täters bewusst oder verschämt geschwiegen wird“. Der Kampf gegen verbrecherische Ideologien sei nicht nur Staatsaufgabe, sondern erfordere von jedem Einzelnen „Wachsamkeit und gelegentlich auch Courage“.
Oberbürgermeister Helmut Hey erklärte in einem kurzen Redebeitrag, Geschichte dürfe nicht verdrängt werden, sie lasse sich auch nicht verdrängen. Mit der Erinnerungstafel wolle die Stadt der Opfer gedenken und zugleich mahnen, „dass unsere demokratische und pluralistische Gesellschaft auf der Achtung der Einzelnen aufgebaut ist“.
Dekan Johann Amann bezeichnete es als traurig, dass sich nach der Tat vom 17.Dezember 1988 in Schwandorf bis heute „keine nachhaltige Kultur des Sich-Erinnerns an die Opfer dieses Anschlags“ entwickeln konnte. Um eine solche Kultur aufbauen zu können, bedürfe es persönlicher Wahrhaftigkeit und historischer Sorgfalt, vor allem aber des politischen Willens. Amann: „Die Gedenktafel, die wir heute hier enthüllen, bringt diesen politischen Willen zum Ausdruck, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt mit der ganzen Wahrheit ihrer Geschichte in Dialog zu bringen“.
Auch der evangelische Pfarrer Arne Langbein forderte die Schwandorfer auf, sich ihrer Geschichte zu stellen, „und zwar ihrer ganzen Geschichte“. Eine Kommune sei um so stärker, je geschlossener sich sich freuen – und je geschlossener sie trauern könne.
Ein Gastbeitrag veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Mittelbayerischen Zeitung. Foto: Etwa 100 Schwandorfer nahmen Anteil an der Zeremonie am 17.12.2007. Zum Originaltext: >klick
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