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Berliner Jugendkongress


Jugendkongress „inAktion" gegen Rechtsradikalismus

Nazi-Musik und Nazi-Symbole im Berliner Abgeordneten Haus – aus gutem Grund. Über den  Jugendkongress „inAktion" gegen Rechtsradikalismus.

Von Torben Richer

Was sich zunächst nach einem skandalösen Vorgang anhört, war Teil des Jugendkongress „inAktion" am Mittwoch, den 14. November, der von der Berliner Senatsverwaltung für Inneres, Abteilung Verfassungsschutz, organisiert wurde. Der Kongress war interaktiv aufgelegt; die Anwesenden ca. 200 Schüler sollten selbst zu Wort kommen. Es ging nicht allein darum durch Aufklärung über die Argumentationstechniken, Symbole oder Musik von Rechtsradikalen die Jugendlichen gegenüber Rekrutierungsversuchen gefeit zu machen, sondern insbesondere darum, dass Politiker, u.a. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke), den Jugendlichen ein offenes Ohr schenken und signalisieren, dass die Probleme der Jugendlichen von Seiten der Politik ernst genommen werden. Der Kongress kann auf die Formel „Aufklärung, Auswege, Aktion" gebracht werden. Es wurde über die äußere Erscheinung und die Bedeutung von Symbolen von Rechtsradikalen aufgeklärt, damit Nazis von den Jugendlichen erkannt werden; es wurde aufgezeigt, was man tun kann und wo man Unterstützung findet, wenn man von Nazis bedroht oder angegriffen wurde; und die Schüler wurden animiert Eigeninitiative zu ergreifen und sich selbst gegen Rechtsradikalismus zu engagieren.

Vor dem Plenarsaal präsentierten sich zivilgesellschaftliche Initiativen auf dem „Markt der Möglichkeiten", wie die Amadeu Antonio Stiftung, die gezielt lokale Projekte gegen „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" fördert, Exit-Deutschland, die Menschen unterstützt und berät, die aus der rechten Szene aussteigen wollen oder die Mobile Beratung gegen Rechtsradikalismus in Berlin (MBR), die vor Ort mit Rat zur Seite stehen, wenn Rechtsradikalismus zum Problem wird. Die Jugendlichen konnten sich an den Ständen der Initiativen informieren, was diese konkret gegen Rechts tun und an wen man sich wenden kann, wenn man Unterstützung bei Problemen mit Rechtsradikalen braucht.


Nachdem der ehemalige Berliner Bürgermeister und derzeitige Präsident des Berliner Abgeordneten hauses Walter Momper die Begrüßung gesprochen hatte. gab Folker Schweizer vom Verfassungsschutz eine Einführung zum „Phänomen Rechtsextremismus".

Ein zentraler Punkt des Jugendkongresses war das Thema „Wege in die Szene – Wege aus der Szene". Es wurde ein Interview mit Daniel Landgraf, einem Aussteiger aus der Neonazi-Szene gezeigt, um anhand eines exemplarischen Beispiels aufzuzeigen, welche Beweggründe dazu führen können, dass Jugendliche zu Nazis werden. Die Schüler sollten wissen, wie Menschen in die rechte Szene hineingeraten, aber auch, wie ein Ausstieg möglich ist. Am Beispiel von Daniel Landgraf wurde deutlich, dass Beratung und Unterstützung notwendig sind, damit jemand auch gegen den Widerstand ehemaliger Mitstreiter und auch im Falle von Bedrohungen es schafft, auszusteigen.

Der Kongress „inAktion" wurde auch deshalb organisiert, weil festzustellen ist, dass Rechtsextreme verstärkt dazu übergehen Schüler direkt anzusprechen und Schulhof-CDs zu verteilen, auf denen sich fremdenfeindliches Gedankengut in Form von Musik befindet. Dabei gehört es zur Strategie der Rechtsextremen, sich nicht als solche zu erkennen zu geben. Sie arbeiten getarnt und sprechen die Jugendlichen an wunden Punkten an, wie deren Unsicherheit und Gefühlen der Unterlegenheit, um ihnen dann die Geborgenheit einer Gruppe anzubieten ohne dabei direkt ihre fremdenfeindliche und volksverhetzerische Propaganda offen zu zeigen. Deshalb wurde für den Jugendkongreß „inAktion" das Motto „Rechtsradikalismus enttarnen" ausgegeben. Die Schüler konnten sich in verschiedenen Workshops mit den Argumentationsstrukturen und der Propaganda von Nazis auseinandersetzen und mit Experten über eigene Erfahrungen mit Rechtsextremen diskutieren. So wurden verschieden Musikstücke von Nazi-Bands vorgespielt, sich in einem Spektrum von subtilem Fremdenhass bis zu „Mordaufruf" einzuordnen sind. Die Schüler analysierten sowohl den Musikstil als auch die Texte und konnten insbesondere lernen, wie man getarnten Rechtsextremismus erkennt. So wurde etwa die NPD-Formel „Wir lieben das Fremde in der Fremde" diskutiert und es konnte festgestellt werden, dass es sich dabei um ein verklausulierte Form von „Ausländer raus" handelt.

Der Titel des Jugendkongresses „inAktion" verweist auf einen wichtigen Punkt, der gegen Ende des Kongresses zum Schwerpunkt wurde. In einer Diskussionsrunde wurde erörtert, was aktiv gegen Rechtsradikalismus getan werden kann. Die Jugendlichen konnten an Politiker und Mitarbeiter mobiler Beratungsteams gegen Rechtsradikalismus Fragen stellen. Die Schüler wollten von den Politikern wissen, was die Politik konkret gegen Rechtsradikalismus an Schulen tue und warum es keine Konsequenzen nach sich ziehe, wenn Schüler im Unterricht rechte Parolen brüllten. Insbesondere vom Innensenator wollen Schüler wissen, die Überfalle durch Rechte erlebt haben, warum die Polizei immer so lange bräuche, um zur Stelle zu sein. Es wurde von Seiten der Politik darauf verwiesen, das trotz des Mangels an Geld und Personal versucht wird, ein Optimum im Bereich Prävention und Sicherheit zu erreichen.

Zum Abschluss des Kongresses konnten die Schüler mit Vertretern von Initiativen und dem Kapitän der Deutschen Basketball Nationalmannschaft, Patrick Femerling, über die Rolle des Sport und anderer Freizeitaktivitäten als Rekrutierungsgebiete, aber auch Präventionsmöglichkeit gegen Rechtsextremismus diskutieren. Noch lange, nachdem der offizielle Teil der Veranstaltung beendet war, nutzten die Schüler die Möglichkeit direkt auf Politiker und Aktivisten zuzugehen um konkrete Fälle zu erörtern. Der Kongress war ein großer Erfolg, die Jugendlichen fühlten sich auf den Stühlen der Abgeordneten sichtlich wohl und haben eine viele Erfahrung und Mut gegen Rechte Gewalt gewonnen.