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MUT-Projekt des Monats: Nikoläuse gegen Neonazis in Gräfenberg


Seit November 2006 suchen Neonazis monatlich den fränkischen Ort Gräfenberg heim, angeblich um dort Heldengedenken zu betreiben, doch in Wahrheit weil sie sich über den wachen Bürgergeist dort ärgern. Denn in Gräfenberg passiert etwas, was man mancher anderen Gemeinde in der Bundesrepublik wünschen würde: Für Bürger und Bürgermeister ist es selbstverständlich, Antidemokraten den Zugang in ihre Stadt zu verwehren und die rote Karte zu zeigen. Am Samstag vor dem 2. Advent wurde daraus sogar ein roter Mantel. Zahlreiche Nikoläuse stellten sich den Nazis mit gezogener Rute  in den Weg - darunter 15 Bürgermeister der Region.

Von Holger Kulick

In der fränkischen Lokalpresse ist schmunzelnd nachzulesen, was am 8. Dezember in dem 4000 Einwohner zählendem Ort geschah. So berichtet der "Fränkische Tag": „...Braunes Pack in den Sack“ hieß das Motto der „ersten antifaschistischen Nikolaus- und Knecht Ruprecht-Demonstration“, zu der das Bürgerforum und die Stadt Gräfenberg am Samstag aufgerufen hatten. Forchheims Landrat Reinhard Glauber und viele Bürgermeister der Städte und Gemeinden der Fränkischen Schweiz demonstrierten den Schulterschluss gegen rechtsradikale Aufmärsche – im roten Nikolaus-Mantel und mit der Rute in der Faust. Bürgermeister Willi Müller aus Obertrubach war genauso auf den Marktplatz gekommen wie die Kollegen Otto Siebenhaar aus Leutenbach, Erhard Müller aus Pretzfeld oder Stefan Frühbeißer aus Pottenstein. Und wer verhindert war, hatte einfach einen seiner Stellvertreter entsandt, um die Rute zu schwingen“.

Auf diese Weise wehrten sich die Gräfenberger nun zum 17. Mal erfolgreich gegen Neonazis und stahlen ihnen nicht zum ersten Mal einfallsreich die Schau. "Gräfenberg ist bunt" heißt das Bürgerforum, das, so die Selbstbeschreibung, "einen bunten gesellschaftlichen Querschnitt der Bevölkerung Gräfenbergs und der Region darstellt. Wir verstehen uns selbst als parteipolitisch unabhängig, vielmehr verbinden uns demokratische Grundwerte, der gesunde Menschenverstand, die Sorge um unserer Kinder und als Konsequenz das tiefe Bedürfnis, den Aktivitäten der rassistischen und fremdenfeindlichen Gruppierungen etwas Positives entgegen zu setzen. Nicht zuletzt möchten wir, dass Gräfenberg nicht als braunes Nest, sondern als bunte, aktive und funktionierende Gemeinde wahrgenommen wird. Dies ist ein gemeinsames Anliegen der Bürger, der Verwaltung und der Kirchen in unserer Stadt."

Kein Yellow-Strom für Nazis

Mit ihrem Engagement ist die fränkische Kommune längst zu einem der Motoren eines Städtenetzwerks gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg geworden, ähnlich engagiert, wie das rund 100 Kilometer entfernte Wunsiedel. Michael Helmbrecht vom Bürgerforum Gräfenberg schildert anschaulich, wie sehr das überparteiliche Forum auch auf die Cleverness jedes Einzelnen seiner Mitakteure zählen kann: "Eine kleine symbolische Begebenheit:  Bei einer 26h währenden "Mahnwache" der NPD auf unserem Marktplatz fiel am Morgen der Strom aus, sodass die Rechtsextremisten die Weißwürste kalt essen mussten. Sie klingelten bei einem Gastwirt nebenan und fragten, ob sie Strom haben könnten. Sie würden viel Geld bezahlen. Der Gastwirt darauf hin: "Wir ham Yellow-Strom, keinen Braun-Strom." Und schlug den Neonazis die Tür vor der Nase zu. Das war ein Grund zur Freude."

Einziger Beinahspaßverderber bei der nun erfolgten gemeinschaftlichen Nikolausaktion gegen die NPD-nahen Rechtsaußen war die Polizei, die nicht recht wußte, wie sie in solchen Fällen das Vermummungsverbot anzuwenden hat. Sie bestand allen Ernstes darauf, dass die Bürgermeister ihren Bart nur unters Kinn hängen durften, aber nicht vor die Nase. Aber "Gesicht zeigen" ist ja gegen Neonazis auch kein falsches Rezept...
 
nikolausaufmarsch in graefenberg wird von polizei gestoppt
nikolausaufmarsch in graefenberg wird von polizei gestoppt

P.S.: Die wackeren Nikoläuse aus Gräfenberg trugen den Neonazis am 8.12. überdies auch ein Weihnachtsgedicht vor, das sicherlich eine Weiterverbreitung verdient:

Von drauß' vom Walde komm ich her,
ich muss euch sagen: Mich ärgert's sehr,
dass diese freche braune Bande
das Fest der Liebe stört im Frankenlande.

Diese politischen Rattenfänger,
des Nazi-Reiches Wiedergänger,
woll'n Schüler und Jugendliche verführ'n,
mit faschistischen Sprüchen indoktrinier'n.

Sie trampeln durch euren schönen Ort,
trommeln die Weihnachtsstimmung fort
maschier'n zur Denk-mal-Treppe hin,
zelebrier'n ihren großdeutschen Helden-Spleen.

Mit völkischer Wichtigtuerei
und fremdenfeindlicher Stänkerei
predigen sie Menschenverachtung und Hass,
verkünden ohne Unterlass
ihre dümmlich-gefährlichen Nazi-Parolen -
Man sollte ihnen den Hintern versohlen!

Knecht Rupprecht, pack deine Rute aus
und jag das Pack zur Stadt hinaus!

Ihr Gräfenberger Bürgersleut
steht wieder auf eurem Marktplatz, heut
unterstützt von Bürgermeistern aus Nah und Fern:

So hab ich brave Demokraten gern!
Gemeinsam mit dem Nikolaus
ruft alle laut jetzt:
Na-zis raus!
Na-zis raus!
Na-zis raus!

Mehr auf: www.graefenberg-ist-bunt.de
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de Fotos: Nikolaus Fischer

 

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Nikoläuse in graefenberg mit Nazis-raus-Schildern