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Laut gegen Nazis in Altenburg

Ausgesprochen einfallsreich wehrten sich am vergangenen Wochenende Altenburgs Bürger und viele Unterstützer gegen das Neonazi-Fest der Völker. Auch die Hamburger Initiative "laut gegen Nazis" war dabei und schickte uns folgenden Bericht...

Von Jörn Menge

Samstag, 13. September 2008. Der Tag an dem knapp 1.500 Nazis nach Altenburg kamen. Die Altenburger hatten mit ihrem Aktionsbündnis und der Unterstützung von vielen Initiativen und Organisationen aus Thüringen sowie aus dem Bundesgebiet eine bunte Gegenveranstaltung gegen das sogenannte “Fest der Völker” organisiert und dazu im Vorwege aufgerufen. Diesem Ruf folgten große Teile der Zivilgesellschaft. Ca. 2.000 Menschen trotzten den quasi einmarschierenden Nazis. Die Nazis wiederum benahmen sich friedlich. Wobei dieser Frieden täuscht. Die Teilnehmer des Nazifestes wurden bereits vorher von Nazifunktionären instruiert. Schließlich möchte die NPD bereits Anfang Oktober einen Parteitag in Altenburg veranstalten und sicherlich im nächsten Jahr auch wieder ihr “Fest der Völker”. Wir waren vor Ort und wollen ein wenig Bericht erstatten.

Zunächst die positiven Anmerkungen und Feststellungen zu diesem Tage. Wir haben uns sehr gefreut, dass es dem Aktionsbündnis Altenburg und Jena gemeinsam gelungen ist, einen Querschnitt aus der Zivilgesellschaft zum Protest gegen die Rechtsextremen des “Festes der Völker” in Altenburg zu bewegen. Die beiden Herren auf dem obigen Foto sind ein Beweis dafür, dass alle Demokraten und toleranten Bürger dieses Landes gegen Rassisten und ewig Gestrige die Stimme erheben und sich dem Problem stellen sollten.

Jung und alt bewegten sich zum Kundgebungsplatz der Gegenveranstaltung auf einer Kreuzung ca. 400 m entfernt von der Nazi-Veranstaltung. Ein buntes Programm mit ca. 15 Rednern und mehreren unterschiedlichen Musikern sorgte auf einer kleinen Bühne für Aufklärung und gleichzeitig auch für Unterhaltung. Zeitgleich wurden Zufahrtsstraßen nach Altenburg von mutigen Demonstranten blockiert.

Die Nazis brauchten etwas länger, um zu ihrem Fest zu gelangen, auf dem Funktionäre ihre Hassreden hielten konnten und vier bis fünf einschlägige Nazibands live spielten. Erst gegen 13.00 Uhr war der Platz auf dem die Nazis, inmitten einer Wohnsiedlung, mit ca. 1.500 Teilnehmern gefüllt. Dies bestätigte uns ein Polizist in einem Kurzgespräch. Ein übrigens sehr entspannter Beamter aus Nordrhein-Westfalen. Dieser berichtete gleichzeitig, dass er seit acht Wochen kein Wochenende mehr hatte, da er ständig im Einsatz bei Veranstaltungen der Nazis (letzte Woche Dortmund/nächste Woche Köln) und bei Fußballspielen in der Bundesliga sei, bei denen es vor den Stadien ein ständiges Bedrohungspotenzial durch Gewalt von rechtsextremen Fans gäbe. O-Ton:”…glauben Sie mir, ich und meine Kollegen haben keine Lust auf diese Typen”. Auf unsere Frage, ob die Situation mit den Rechtsextremen auch in seinem Dienst spürbar heftiger wird, sagte er: “…ja auf jeden Fall. Wir stellen ein höheres Aggressionspotenzial fest, und ehrlich, die rechte Szene erhält immer mehr Zuwachs und macht uns Sorgen! Sie werden provokanter und immer präsenter.”

Ca. 700 Beamte aus dem gesamten Bundesgebiet hatten die unangenehme Aufgabe, die Nazis zu ihrem Veranstaltungsort zu begleiten. Ein nicht wirklich schöner Job. Drei Zugänge gab es zu dem mit Bauzäunen abgesperrten Veranstaltungsgelände. Das hieß, die Nazis mussten umringt von Polizeibeamten auf kleinen Wegen dorthin gebracht werden. Also direkt durch viele friedliche aber laute Gegenkundgebungsteilnehmer.

Die meisten der ankommenden Nazis gaben sich gewollt cool. Nur ab und zu waren einige dabei, die die Anweisungen ihrer Funktionäre am liebsten mißachtet hätten und somit ihr wahres, aggressives Gesicht zeigten.

Bewahrheitet hat sich das, was wir seit längerem schon feststellten. Rechtsextreme sehen nicht mehr so aus, wie wir sie kennen. Zwar gibt es die Glatzköpfigen auch noch, aber die größere Anzahl ist nicht mehr von normalen Bürgern zu unterscheiden. Schmunzeln mussten wir über den Kommentar eines etwa 18-jährigen Gegendemonstranten, der feststellte: "… hey Mann, die Frau da, sieht echt süß aus. Aber stell Dir mal vor die baggerst Du an, die geht darauf ein und auf einmal verwandelt sie sich in eine Nazibraut. Das Grauen!”

Die Bewohner der Siedlung, in der das Ganze stattfand schienen uns zwiespältig. Zumindest können wir nicht einschätzen, warum diese eher als Zuschauer fungierten. Immerhin, die Naziveranstaltung fand direkt vor den Fenstern oder Balkonen inmitten der Wohnblocks statt. Hiermit wollen wir nichts unterstellen, vielmehr fragen wir uns, ob Angst oder Politikverdrossenheit und Frust dazu führte, dass viele Mieter/Anwohner eher zum Publikum wurden. Ein ca. 50-jähriger Anwohner stellte fest:”…die Leute hier, mmh, wie wollen Sie die bewegen, wenn selbst der Oberbürgermeister unserer Stadt in den Urlaub fährt und lediglich demokratische Grüße an die Teilnehmer der Gegenkundgebung übermitteln läßt. Was soll das ? So können die Bürger dieser Stadt nicht motiviert werden, gegen diese Nazis etwas zu tun. Hier herrscht außerdem sehr viel Frust und Frust…”

Zum Glück hat der Mann nur bedingt Recht, denn es waren sehr viele Altenburger selbst präsent. Der Oberbürgermeister der Stadt Altenburg ist übrigens tatsächlich in den Urlaub gefahren. Viele Bürger von Altenburg, mit denen wir sprachen, waren nicht glücklich darüber.

Effektiver Lärm

Die rechtsextremen Redner rundum den Hamburger Nazi-Anwalt Jürgen Rieger, mussten des Öfteren lauter reden. Grund hierfür war das unermüdliche Spielen von ca. zwanzig grandiosen Percussionisten. Diese trommelten wirklich von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr fast durch. Das Ganze ca. 100 m entfernt von der Naziveranstaltung. Kuriose Beobachtung unsererseits: Rechtsextreme die am Zaun standen, fingen an im Takt mitzuwippen. Das wird dem bekennenden Rassisten Jürgen Rieger nicht gefallen. Die demokratische Veranstaltung hatte mit diesen prächtigen Musikerinnen und Musikern unheimlich viel Spaß. Selten konnten wir Tanzatmosphäre und so viel Fröhlichkeit auf einer früheren Veranstaltung gegen Nazis feststellen. Superklasse!

“Jürgen Rieger beklagte in seiner Rede, dass die Deutschen so rührselig auf die Flüchtlinge aus Afrika, die in Italien und Spanien mit ihren Booten ankommen, schauen. Dies seien Asylbewerber für Deutschland und er verstünde nicht, warum man diesen Leuten überhaupt Rettungsschiffe schickt, wenn deren Seelenverkäufer in Seenot geraten. Das könne doch uns, den Deutschen, egal sein. Sollen sie doch absaufen, oder besser gleich da bleiben.

Wir haben nur 10 Minuten aus ca. 100 m Entfernung der Rede von Rieger zugehört. Hasserfüllt und voller Menschenverachtung sprach dieser über alles, was seine Schergen hören wollten. Regionalisierung statt Globalisierung. Döner sei nur Gammelfleisch, das in Deutschland keiner braucht und und und”. Ein Feuerwerk eines Menschenverachters - und das Schlimme - die Nazis applaudierten und jolten! Die um uns herumstehenden Teilnehmer der Gegenveranstaltung waren fassungslos. Einer stellte fest: “… so war das doch früher auch, oder? Einer drosch seine Phrasen und die meisten liefen hinterher”. Wie wahr.

Die Nazis haben in Altenburg keine Gewalt ausgeübt. Kein Wunder. Rieger plant bereits die nächsten Veranstaltungen in dieser super schönen Kleinstadt, die sonst auch ganz viele Probleme hat. Wir als Kampagne werden diese Stadt auch zukünftig bei einem demokratischen friedlichen Protest gegen Nazis unterstützen.

Zur Originalreportage mit noch mehr Fotos im www.lautgegennazis.de/blog

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de & www.lautgegennazis.de / Foto: Menge