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Alles nur geklaut!

Neben Gewalt und ständigen Angriffen gegen Andersdenkende versuchen Kameradschaften in Mecklenburg-Vorpommern nun auch mit geklauten und verfälschten Kampagnen die Öffentlichkeit zu provozieren. Ein Situationsaufriss.

Von Rainer Mai

Wie stark die NPD und die Kameradschaften in Mecklenburg-Vorpommern verbunden sind und wie Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung der völkischen Ideologie verwendet werden, sehen wir an den zahlreichen Opfern neonazistischer Gewalt und den vielen Anschlägen auf Wahlbüros demokratischer Parteien sowie alternative Kultur- und Wohnprojekte. Neben den massiven Angriffen spielen aber auch gezielte Kampagnen und Provokationen eine wichtige Rolle für die Einflussnahme der „Freien Kräfte“. Besonders die seit einem Jahr wieder hoch aktiven Jungen Nationaldemokraten (JN) versuchen sich neue Mitglieder auch im akademischen Bereich zu sichern. Im letzten Semester wurden die Studierenden der Universität Greifswald beispielsweise mit Sprüchen, wie: „Komm in die Bewegung, Ersti“ begrüßt. Neben dem Spruch steht immer der Verweis auf die Neonazi-Onlineplattform „Greifswald Info“. Gleichzeitig tauchten um das gesamte Unigelände demokratiefeindliche Sprühereien auf, die Studierende immer wieder dazu auffordern sollen in „die Bewegung“ einzutreten.

Geklaute Kampagne

Eine weitere Masche die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und vor allem zu provozieren, ist das Kopieren und verfälschen von Schriftzügen und Logos von Kampagnen, die sich gegen Neonazi aussprechen. Beispielsweise wurde das Logo und der Schriftzug der erfolgreich laufenden Kampagne „Kein Ort für Neonazis“ der Amadeu Antonio Stiftung für Propagandazwecke der Kameradschaftsszene in Mecklenburg-Vorpommern missbraucht. Aktuell unterstützt die Kampagne Projekte, Initiativen und Einzelpersonen, die sich im gesamten Bundesland gegen Neonazis engagieren. Das Originallogo mit dem Schriftzug „Kein Ort für Neonazis“ wurde schlichtweg in „Kein Ort ohne Neonazis“ umgewandelt und als Aufkleber und Poster abgedruckt und fleißig verteilt. Das erste Mal taucht der abgeänderte Spruch Anfang April 2011 auf, hier wurden zunächst augenscheinlich selbst ausgedruckte Papierstreifen an Ortsschildern rund um die Hansestadt Wismar verbreitet. Nur kurze Zeit später tauchten Aufkleber auf, die sich vom Layout der Originalkampagne der Amadeu Antonio Stiftung kaum unterscheiden lassen.

Nichts ist unorganisiert

„Wir gehen davon aus, dass die Schnipsel und Sticker von der regionalen aktiven Naziszene gedruckt und verbreitet werden“, so der Pressesprecher des Infocafés Theorie, Kritik und Cola in Wismar. Auffällig ist auch, dass gleichzeitig mit den „Kein Ort ohne Neonazis“-Aufklebern auch neue JN-Aufkleber aufgetaucht sind. Auch beim „Fest der Demokratie“ in Wismar verklebten Mitglieder der lokalen Kameradschaften die gelben Aufkleber. Da in der Kameradschaftsszene in Mecklenburg-Vorpommern alles scheinbar unorganisiert, in Wirklichkeit jedoch sehr organisiert abläuft, ist es nicht verwunderlich, dass sich die Kampagne sehr schnell über das gesamte Land verbreitet. „Zum 8. Mai dieses Jahres schmierten Nazis in der Umgebung um Neubrandenburg die Parole ‚8. Mai Vergewaltigung, Plünderung, Mord“, erklärt der Pressesprecher des Infocafés. Auch hier wurde der Parole der Zusatz „Kein Ort ohne Neonazis“ beigefügt. Im Juni sind die Aufkleber und Poster das erste Mal in Greifswald aufgetaucht, berichtet uns ein Student der Universität Greifswald. In der Nacht, in der die Sticker auftauchten, wurde ein vermeidlich linker Jugendlicher von Mitgliedern der neonazistischen Szene Greifswald zusammengeschlagen und schwer verletzt. „Das war sicherlich kein Zufall!“, so der Greifswalder Student.

Information und Aufklärung

Auch das Kultur- und Wohnprojekt Tikozigalpa (Tiko) zu dem auch das Infocafé gehört wurde schon sehr häufig Opfer von neonazistischen Anschlägen. Am 1. Mai wurde rund um das Tiko „Kein Ort ohne Neonazis“- Plakate angebracht. Zusätzlich wird das Gebäude ständig mit Schmierereien, wie „Freiheit statt BRD“ oder auch plumpen Hakenkreuzen beschmutzt. Die Mitglieder des Infocafés reagieren auf diese Angriffe vor allem mit politischer Aufklärung. „Zusätzlich zu unseren Informationsveranstaltungen, unter anderem über und gegen Neonazis, verteilen wir auf Festivals und Konzerten Materialien gegen Nazipropaganda“, so ein Infocafé-Mitglied. Ebenso wird versucht, die Hetze der Neonazis und die falschen Kampagnenplakate zeitnah zu entfernen. Hierbei helfen häufig auch engagierte Mitmenschen.

Das Infocafé und das Tiko unterstützen, wie viele andere engagierte Projekte in Mecklenburg-Vorpommern zusätzlich die Kampagne „Wake Up –Stand Up! – Keine Stimme für Nazis in MV!“, die auch durch die Amadeu Antonio Stiftung gefördert wird und die bald noch genauer vorgestellt wird.

 

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Mecklenburg-Vorpommern
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Foto: Infocafé Kritik und Cola, c