Das Portal
für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
"Wir müssen reden. Über Nazis." Mit dieser Weisheit, die seit 15 Jahren viele Einzelengagierte und Initiativen predigen, ist Dienstagmittag ein neues Webportal der ZEIT gestartet: stoerungsmelder.org. Das "Gemeinschaftsblog" soll vor allem 14-18jährige Jugendliche erreichen, also in der Hauptzielgruppe der NPD "politisches Bewusstsein schaffen", wie es zum Start der Website hieß. "Daueraktiv" soll die erste "deutsche ideenbezogenen Community" sein, die Toleranz fördern und "Alternativen entwickeln" soll.
Die Federführung hat die ZEIT-Zünder-Redaktion, Unterstützer sind u.a. die Jugendmagazine Spiesser, jetzt.de, Bolzen und 11Freunde, außerdem die Initiative Gesichtzeigen! und die Agentur intro. Die Website versteht sich als "wichtige Ergänzung" zu vorhandene Informations- und Beratungswebsites wie www.mut-gegen-rechte-gewalt.de formulierte Projektleiter Christian Bangel, der auch das MUT-Portal eingeladen hat, bald ein kleines Informations-Fenster auf der störungsmelder-Website zu öffen.
Die neue Internet-Plattform geht mehr oder minder bewusst zwei Risiken ein: Einerseits haben schon andere Betreiber versucht, solche offenen Foren und Gästebücher zu führen, diese aber bald wieder zugeklappt, weil mit der Zeit vornehmlich Neonazis mehr oder minder getarnt versuchten, ihren volksverhetzenden Wortmüll dort zu platzieren. Richtiggehend ratsuchenden Usern war und ist Vertraulichkeit dagegen wichtiger.
Ein Mitarbeiter bei intro und ein Praktikant bei der ZEIT sollen daher künftig darauf achten, dass die Wortbeiträge der Blog-Autoren nicht ausarten, was gewiss keine leichte Aufgabe wird. Denn seit geraumer Zeit machen es sich Neonazi-Gangs richtiggehend zum Ritual, im Sinne der NPD-Wortergreifungsstrategie nicht nur Veranstaltungen heimzusuchen, auf denen über Rechstextremismus geredet wird. Auch labern sie gerne Web-Foren mit vorgefertigten Textbausteinen voll, in denen sie ihre völkische Rassen-Ideologie verstecken. Werden sie dann rausgeworfen, zetern sie sofort "Zensur" und reklamieren "Meinungsfreiheit!", obwohl sie derlei selbst als allererste abschaffen würden. Durch ihre provozierten Rauswürfe stärken sie gezielt den Zusammenhalt in ihrer eigenen Gruppe, der sie vorgaukeln, die eigentlichen Guten zu sein.
Dies will der Störungsmelder helfen, zu demaskieren. Rund 15 feste Autoren sollen Diskussionsanstöße liefern, die dann von den usern kommentiert und weitergeführt werden. Auch Schulbesuche einzelner Promischreiber sind geplant, allerdings ist das keine neue Erfindung. Die bundesweite Initiative Schule ohne Rassismus, die Berliner Amadeu Antonio Stiftung und 'Gesicht zeigen!' organisieren derlei schon lange. So will MTV-Moderator Markus Kavka im Dezember mit Gesicht zeigen! ein Gymnasium in Hellersdorf besuchen, ein relativ risikofreier Ort. Denn das eigentlich wichtige Zielpublikum sitzt an Haupt- Real- und Berufsschulen. Um sich darüber besser auszutauschen, sei es doch folgerichtig, sich auch mit erfahrenen Partnern in Zukunft besser zu vernetzen, regte Mitinitiator Ole Tillmann nach dem Pressegespräch an. MUT macht das jedenfalls gerne.
Dass es im Sinne der ZEIT-Blogger dafür eine Nachfrage gibt, belegten bereits in den ersten Tagen mehrere, durchaus lehrreiche sowie streitbare Einträge, die vielfach von der Redaktion 'entschärft' werden mussten. Generell soll auch "mit Nazis geredet werden", machte sich bei der Launch-PK Mitinitiator Markus Kavka stark. Denn seit seiner Jugend habe er Neonazis nicht nur als aggressive Gegner anderer Jugendkulturen kennengelernt, sondern durchaus auch als gesprächssuchend. In der Tat geht es oft einfach nur um stark sozial verunsicherte Jugendliche. "Und die darf man alleine nicht den Nazis überlassen", betonte Kavka. Diesbezüglich verwundert der Untertitel von www.stoerungsmelder.org schon ein wenig, der da lautet: "Wir müssen reden. Über Nazis".
Mit Nazis aber eben (leider) auch. Nur MUT!
Was tun, wenn Nazis stören? Ein Ratgeber-Tipp von MUT
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de
12.11.2007 - H.Kulick