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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
… und warum diese Thema nicht in die Hände von Rechtsextremen gehört. Weltweit sind Millionen Kinder jeden Tag unterschiedlichen Formen des Missbrauchs ausgesetzt. Sie werden als Arbeits- oder Sexsklaven verkauft, sie müssen als Kindersoldaten in Armeen kämpfen oder sie sind in ihrer eigenen Familie oder Schule Gewalt ausgesetzt. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.
Von Malte Gebert
Aus Anlass des Welttags zur Prävention von Kindesmissbrauch, dem 19. November, hat Shukura – ein Präventationsprojekt zur Aufklärung über sexuellen Missbrauchs an Jugendlichen der Arbeiterwohlfahrt in Dresden die Publikation „Was Sie über sexuellen Missbrauch wissen sollten – Gedenkanstöße für einen wirksamen Kinderschutz jenseits polemischer Scheinlösungen“ herausgegeben. Mitherausgeber ist das Kulturbüro Sachsen e.V., Förderer der Publikation die Amadeu Antonio Stiftung. Die Broschüre klärt einerseits über die Wichtigkeit des Kinderschutzes auf und thematisiert andererseits, wie die rechtsextreme Szene die Auseinandersetzungen um das Thema sexueller Missbrauch aufnimmt und für ihre Zwecke instrumentalisiert.
„Kein anderes Thema beschäftigt die rechtsextreme Szene so sehr, wie der vermeintliche Kampf gegen „Kinderschänder’“, so Friedemann Bringt vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus des Kulturbüros. Ihrer menschenverachtenden Ideologie von der „Gesundheit der deutschen Volksgemeinschaft“ folgend, gipfeln die Forderungen der NPD in der „Todesstrafe für Kinderschänder“. Nicht nur bei Aufmärschen sondern auch auf T-Shirts, im Internet und in Liedtexten wird diesem Anliegen vielfältig Ausdruck verliehen. So setzt sich laut Bringt jede dritte Rechtsrockveröffentlichung mit dem Thema „Kinderschänder“ auseinander. Den hohen Mobilisierungseffekt des Themas sexueller Missbrauch belegen auch die vielen Anfragen, die Organisationen in der Arbeit gegen Rechtsextremismus erreichen. Schließlich fühlen sich viele Bürgerinnen und Bürger häufig alleine, wenn es um die Angst um ihre Kinder und der Furcht vor sexuellem Missbrauch geht. Entsprechend groß ist die öffentliche Anteilnahme, wenn Kinder, wie die achtjährige Michelle aus Leipzig, Opfer sexualisierter Gewalt werden. Das Beispiel Michelle belegt, wie es Rechtsextremen gelingt die Ängste, Anteilnahme und Empörung im öffentlichen Diskurs für ihre Zwecke zu nutzen. Mit der offensiven Besetzung des Themas und der Durchführung von Demonstrationen gegen „Kinderschänder“ und die etablierte Politik, die nicht hart genug „dagegen“ vorgehe, versuchen sie sich zu profilieren und ihre Forderungen in der Öffentlichkeit zu verankern. Dies gelingt ihnen, so die Broschüre, seit Beginn ihrer Kampagne gegen „Kinderschänder“ 2001 in immer größerem Maße. So sei der Slogan „Todesstrafe für Kinderschänder“ heute durch unkritische Übernahme in den Medien und vielfältiges Merchandising weit über das rechtextreme Spektrum hinaus bekannt.
Herauszuarbeiten, dass das geschilderte Engagement der Rechtsextremen nichts mit Kinderschutz zu tun hat, ist Anliegen und Verdienst der Publikation von Shukura und Kulturbüro Sachsen. Denn natürlich geht es den Neonazis nicht um das Wohl und die Bedürfnisse der Opfer, sondern einzig um die Bestrafung, um die Auslöschung des Täters, wie eine Textzeile aus einem Lied der Naziband „Schwarzer Orden“ beispielhaft verdeutlicht: „Die Seele des Mädchens ist gebrochen / es wird von Psychologen gesprochen / doch Psychologen brauchen wir nicht / denn bald halten wir Gericht.“ Dies verwundert nicht, denn laut NPD-Programm ist die Familie „Träger des biologischen Erbgutes“ und Kinder dementsprechend nichts anderes als Mittel zum „Rassenerhalt“. Dies ist einer von vielen guten Gründen, den Begriff „Kinderschänder“ abzulehnen. „Denn dieser stellt die Opfer sexueller Gewalt (die „Geschändeten“) an den Pranger, als trügen sie eine Mitschuld am Geschehen“, so Bringt weiter.
„Die Broschüre belegt aber auch, wie wichtig es ist, dass sich Bürgerinnen und Bürger, die Zivilgesellschaft, demokratische Parteien und Personen des öffentlichen Lebens positionieren und Verantwortung für das Kindeswohl und demokratische Kultur übernehmen.“, so Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung. Wenn Kinder Opfer von sexueller Gewalt werden, übertra¬gen sich Trauer und Schmerz der Angehörigen und Opfer auf die ganze Gesellschaft einer Stadt oder eines Landkrei¬ses. Die berechtigte Empörung ist groß, ebenso die Ängste vor möglichen Wiederholungstaten. Die Diskussion über die Tat, die Folgen, auch für die Prävention, darf jedoch nicht den Rechtsextremen überlassen werden. Sie bieten keine Lösungen. Die Gesellschaft, wir alle, müssen uns mit den Opfern und ihren Angehörigen solidarisieren, schnell und sichtbar mit einer Stimme die Tat verurteilen und die Instru¬mentalisierung durch die rechtsextreme Szene verhindern.
Dafür ist die vorliegende Broschüre, die nicht nur in Fortbildungen an Schulen, sondern auch in einer eigenen Fortbildungsreihe von Shukura und dem Kulturbüro Sachsen e.V. zum Thema „sexuelle Gewalt“ in den drei Landesdirektionen Sachsens zum Einsatz kommen soll, eine große Hilfe. Für Bringt steht nun die Erwartung im Mittelpunkt, dass ein „sachbezogener Dialog mit den Behörden und Jugendämtern zustande kommt sowie mit weiteren Leuten, die sich engagieren.“ Ein Dialog, der dazu führen soll, dass bei der nächsten Mobilisierung von Neonazis zum Thema „Kinderschänder“ inhaltlich schneller und angemessener reagiert werden kann. Die vorliegende Broschüre bietet hierfür eine hervorragende Grundlage, deshalb großes Lob an die Kinder- und Jugendhilfe der Arbeiterwohlfahrt und das Kulturbüro Sachsen, dass sie sich dieses Themas so engagiert angenommen haben.
Die Broschüre kann bestellt werden bei: Shukura - Mobiles Team zur Prävention sexuellen Missbrauchs an Mädchen und Jungen, Wiener Strasse 41, 01219 Dresden, E-Mails an: awo-praevention@gmx.de oder ist in den nächsten Tagen im Internet einsehbar: www.awo-shukura.de