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Verschleppte Ermittlungen in Gerwisch

Zwei Jahre ist ein Angriff rechter Schläger auf eine alternative Party in Gerwisch her. Der Prozess dauert bereits mehr als ein halbes Jahr. Zeugenaussagen bestätigen bislang vor allem eines: lückenhafte Ermittlungen.

Am 17. Januar 2008 begann am Amtsgericht Burg der Prozess gegen fünf Rechte im Alter von 18 bis 29 Jahren, denen die Staatsanwaltschaft u.a. gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch im Zusammenhang mit einem Angriff auf eine Geburtstagsparty am 21. Oktober 2006 in Gerwisch bei Magdeburg vorwirft.

Am späten Abend des 21. Oktober 2006 hatten mehr als 20 teilweise vermummte Rechte eine Geburtstagsfeier von alternativen und nicht-rechten Jugendlichen im Bürgerhaus Gerwisch (KreisJerichower Land) überfallen. Mehrere Partygäste wurden durch Schläge und Tritte verletzt. Die Angreifer warfen mit Flaschen, stießen Einrichtungsgegenstände um und prügelten und traten auf flüchtende Gäste ein. Ein Betroffener musste vor Ort ärztlich betreut werden, ein weiteres Opfer musste noch Wochen nach dem Angriff ambulant behandelt werden.

Entgegen aller Beteuerungen einer sorgfältigen Aufklärung waren die polizeilichen Ermittlungen  ückenhaft: Weder den Partygästen noch den zuerst vor Ort eintreffenden Polizisten wurden Lichtbilder zur Identifizierung mutmaßlicher Tatbeteiligter vorgelegt – obwohl den Polizeibehörden bekannt war, dass lediglich ein Teil der Angreifer vermummt war. Zudem blieben die Zeugenvernehmungen unvollständig. Das Ergebnis: Lediglich fünf von mutmaßlich mehr als zwei Dutzend Angreifern müssen sich aktuell vor Gericht wegen des Angriffs verantworten.

Verhandlung musste im April von vorn beginnen


Im März dieses Jahres musste der Prozess beendet werden, weil ein Schöffe durch ein amtsärztliches Gutachten für verhandlungsunfähig erklärt worden war und die Hauptverhandlung deshalb abgesetzt wurde. Bereits Anfang April konnte der Prozess dann mit neuen Schöffen und mit Ersatzschöffen zum zweiten Mal beginnen. Die Verhandlungstermine sind bis in den Dezember dieses Jahres angesetzt.

Angreifer kamen teilweise von rechter Party in Grabow

Während der Verhandlung haben sich drei der Angeklagten zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft eingelassen und ihre Anwesenheit zum Tatzeitpunkt in Gerwisch eingeräumt. Ein der rechten Szene angehöriger Angeklagter gab an, am Tatabend mit etwa 30 bis 40 Personen auf einer Party in einem rechten Treffpunkt in Grabow (Kreis Jerichower Land) gewesen zu sein. Einige Angeklagte und verschiedene Zeugen bestätigten die Anwesenheit von mindestens drei Angeklagten auf der Party in Grabow. Einer der Gastgeber dieser Feier war der informelle Kopf der Rechten Hooligan-Vereinigung „Blue White Street Elite“ (BWSE), Dennis W. aus dem Jerichower Land. Dieser und andere Zeugen bestätigten vor Gericht, dass auf der Feier in Grabow wichtige Rechte der Region anwesend waren, so auch ein führendes Mitglied der Neonazikameradschaft Freies Netz Burg. Es habe sich aber nach Aussagen eines Zeugen nicht um ein „Parteitreffen“ gehandelt. Angehörige der Rechten Szene im Jerichower Land haben als Zeugen vor Gericht zugegeben, am Tatabend von der Feier in Grabow aus nach Gerwisch gefahren zu sein. Ein angeklagter Rechter teilte mit nach Gerwisch gefahren zu sein, weil er erfahren habe, „dass einer von uns“ in Gerwisch geschlagen worden sei.

Die Existenz dieses rechten Treffpunktes in Grabow wurde im April in der Hauptverhandlung von Polizeizeugen bestätigt. Die Polizei sei laut Zeugen aus der Rechten Szene in den Tagen nach dem Angriff vor Ort in Grabow gewesen und habe mit Rechten im Treffpunkt Gespräche geführt, aber keine förmlichen Vernehmungen gemacht. Dieser Ermittlungsansatz ist anscheinend nicht weiter verfolgt worden. Zwei Jahre nach dem Angriff auf das Bürgerhaus Gerwisch haben die Zeugen der rechten Feier in Grabow unvollständige Erinnerungen bei den Vernehmungen vor Gericht. „Durch das unverständliche Übersehen des rechten Treffpunkts in Grabow in den Ermittlungen ist das vollständige Auffinden der Angreifer auf das Bürgerhaus in Gerwisch extrem unwahrscheinlich geworden“, kritisiert ein Sprecher der Mobilen Opferberatung diese Panne in der Polizeiarbeit.

Quelle: Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt Salzwedel
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/ hk


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