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Hakenkreuz-Fall in Mittweida geht in zweite Instanz

Es gibt nicht wenige Nazisprüche in Mittweida (siehe Foto). Aber dass Neonazis einer 17-jährigen ein Hakenkreuz eingeritzt haben könnten, das wollte am Freitag eine Jugendrichterin aus Hainichen doch nicht glauben und verurteilte das angebliche Opfer der Tat zu 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit wegen Vortäuschens einer Straftat. Die Neonaziszene jubelt. Aber die jetzt 18-jährige bleibt bei ihrer Darstellung und geht in die Revision. 

Die Jugendrichterin verurteilte die Angeklagte zu 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit, wie das Amtsgericht im sächsischen Hainichen am Freitag mitteilte. Bis spätestens Ende Februar müsse die junge Frau diese Stunden ableisten. Deren Anwalt Axel Schweppe zeigte sich "enttäuscht" und kündigte an, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Denn die 18-jährige bleibt bei ihrer Darstellung.

In dem Prozess war es unter Ausschluss der Öffentlichkeit um einen angeblichen Nazi-Überfall in Mittweida im November 2007 gegangen, den die damals 17-Jährige nach Darstellung der Anklage erfunden hat. Vier Angreifer hätten ihr ein fünf Zentimeter großes Hakenkreuz in die Hüfte geritzt, berichtete sie damals der Polizei. Zuvor habe sie einem fünf Jahre alten Aussiedler-Mädchen geholfen, das von den Rechtsextremen herumgeschubst worden sei. Das bundesweite Bündnis für Demokratie und Toleranz zeichnete sie damals mit einem Ehrenpreis für Zivilcourage aus. Die Polizei dagegen kam bei ihren Ermittlungen in dem Fall nicht vom Fleck. daraufhin drehte die Staatsanwaltschaft den spieß um und beschuldigte die junge Frau, die Tat erfunden zu haben. Doch aus welchem Grund?

Die Staatsanwaltschaft stützte ihre Anklage unter anderem auf das Fehlen von Zeugen und Spuren des angeblichen Verbrechens. Zudem hätten medizinische Gutachten ergeben, dass sich die heute 18-Jährige das Hakenkreuz auch selbst zugefügt haben könnte. Könnte - wie gesagt.

Rebecca K. verließ wortlos und mit gesenktem Kopf  nach dem Urteil das Gerichtsgebäude durch einen Hinterausgang. Ihr Anwalt Axel Schweppe kündigte kurz darauf an, das Urteil anzufechten. Er sprach von Lücken in der Indizienkette und offenen Fragen. Am Vormittag hatte er noch vergeblich die Vernehmung eines dritten Sachverständigen gefordert, um die Persönlichkeit der Angeklagten besser beurteilen zu können. „Es gibt kein Motiv in der Psyche, in der Persönlichkeit meiner Mandantin“, sagte er der Sächsischen zeitung. Es passe nicht zu ihr, dass sie auf sich habe aufmerksam machen wollen. „Sie ist selbstbewusst, steht mit beiden Beinen im Leben.“ Sie gehöre auch nicht der linken Szene an.

Nutzen für Rechtsextremisten

Während die Verteidigung von vornherein auf Freispruch plädierte, hatte die Staatsanwaltschaft neben einer Verwarnung 100 Arbeitsstunden gefordert. Dem folgte das Gericht nicht ganz, entschied im Kern aber im Sinne der Anklage. Doch  auch Oberstaatsanwalt Bernd Vogel wirkte am Ende zerknirscht. Ihm wäre es am liebsten gewesen, es hätte diesen Prozess gar nicht gegeben, sagte er laut SZ. Er fürchte, die Entscheidung könnte "Wasser auf die Mühlen bestimmter Kreise" sein.
Und die sind in Mittweida und Umgebung nicht klein. Wer offenen Auges durch die sächsische Kleinstadt geht, findet zahlreiche auch aktuelle Belege, wie sehr die rechtsextreme Szene dort versucht, das Klima zu prägen. Jetzt werden dort noch weniger Menschen Zivilcourage gegen Neonazis zeigen.

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk / Das Foto zeigt einen Zigarettenautomaten in der Nähe des Bahnhofs von Mittweida im November 2008 mit der Neonaziparole "Nationale soziale Revolution jetzt". Foto: h.kulick

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Zigarettenautomat in Mittweida mit Aufschrift nationale Soziale Revolution jetzt