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Nach einem Aufmarsch am 1. Mai 2008 in Hamburg überfielen Neonazis am Bahnhof Bad Kleinen GegendemonstrantInnen. Die Ermittlungen zu den Tatverdächtigen wurden ergebnislos eingestellt. Nun werden Vorwürfe gegen Polizeibeamte untersucht. Ein Gastbeitrag aus dem neuen Rundbrief der Opferberatungsstelle LOBBI in Mecklenburg-Vorpommern.
Bereits vor und während des Aufmarsches der NPD und so genannter „Freier Nationalisten“ in Hamburg erfolgten gewalttätige Übergriffe auf JournalistInnen und GegendemonstratInnen. Über 50 Neonazis aus Rostock und Vorpommern war es nicht gelungen, zum Demonstrationsort vorzudringen. Sie wichen daraufhin in das nahe gelegene Bad Oldesloe aus und veranstalteten dort eine weiteren Aufmarsch. Offenbar wartete diese Gruppe dann gegen 20 Uhr auf dem Bahnhof Bad Kleinen, als ein Zug aus Hamburg mit TeilnehmerInnen der Anti-Rechts-Proteste einfuhr. Betroffene berichteten damals gegenüber der LOBBI, dass viele der Rechten bereits vermummt und offensichtlich auf die Ankunft der NazigegnerInnen vorbereitet waren. Mindestens 20 von ihnen stürmten sofort in den haltenden Zug, sperrten einen Waggon ab und griffen gezielt Personen an, die sie für Linke hielten. Andere filmten das Geschehen vom Bahnsteig aus. Im unteren Abteil wurden mehrere Personen geschlagen und getreten, bis sie zum Teil stark blutend aus dem Zug fliehen konnten. Im oberen Abteil schlugen Rechte mit Fäusten und Flaschen auf zwei Jugendliche ein. Die Betroffenen erlitten Platzwunden im Gesicht, die im Krankenhaus Wismar und in Rostock behandelt werden mussten.
Hilflos und wütend
Die Angegriffenen hatten immer wieder versucht, die Polizei zu alarmieren. Am Telefon wurden sie nicht ernst genommen und ihnen unterstellt, dass sie lügen würden. Die Beamten trafen erst ein, als die Angriffe bereits vorbei waren, obwohl die Neonazi-Gruppe den Tag über unter polizeilicher Beobachtung stand. Ihre Erfahrungen schilderte eine Betroffene wie folgt: „Ich hatte nun erwartet, dass wir als Opfer einer Gewalttat ernst genommen werden würden und dass die Beamten ein Interesse zeigen würden, die Angreifer zu stellen (...) Stattdessen wurde der Vorfall(...) bagatellisiert. Der Kommentar: ‚Wir haben solche Probleme nur, wenn Ihre beiden Gruppen aufeinander treffen‘ suggerierte, dass wir quasi selber Schuld an diesem Überfall seien. Die laxe Art, mit der die Beamten diesen Vorfall aufnahmen und besonders die Absicht, die Opfer dieses Angriffs als TäterInnen darzustellen, machte mich so unglaublich wütend. Gleichzeitig fühlte ich mich absolut hilflos. Wenige Meter von uns entfernt standen Leute, die vor ein paar Minuten auf uns losgegangen waren, uns bedroht und geschlagen hatten. Dass ich mich nun dafür rechtfertigen sollte, dass ich und die anderen sich gegen die Verbreitung so einer menschenfeindlichen Ideologie engagierten, war für mich unbegreiflich.“ Später kam es auf dem Rostocker Bahnhof zu einer Gegenüberstellung. Die drei Rechten, die die Polizei einem Betroffenen zeigte, gehörten aber nicht zu den Angreifern. Er sah jedoch einen der Schläger und teilte dies den Beamten mit, die dessen Personalien aber nicht aufnahmen.
Keine Aufklärung möglich
Die Staatsanwaltschaft Schwerin teilte einigen Betroffenen nun mit, dass keine Täter ermittelt werden konnten und die Aufklärungsmöglichkeiten gegenwärtig erschöpft sind. Statt dessen ermittelt sie jetzt wegen Strafvereitelung im Amt.
Quelle: Lobbi-mv.de / www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: indymedia 2006