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Das Trauermarschjahr beginnt an diesem Wochenende. Seit 1999 demonstrieren Neonazis in Magdeburg, um der Bombadierung der Stadt am Ende des Zweiten Weltkriegs zu gedenken. Dagegen positionieren sich die „Meile der Demokratie“ und auch Gruppen, die blockieren wollen.
Von Nora Winter
Am kommenden Wochenende ist es wieder soweit. Am 15. Januar laufen Neonazis durch Magdeburg. Mit dem Aufmarsch in Sachsen-Anhalt beginnt für die Neonazis ihr Trauermarschjahr. Magdebrug ist auch schon das „Warmlaufen“ für den größten Neonaziaufmarsch in Dresden, wie es Wolfram Gebauer, Pressesprecher des Bündnis gegen Rechts in Magdeburg nennt. Mit der „Meile der Demokratie“ will Magdeburg den Neonazis Paroli bieten. Aber auch Blockaden werden geplant.
Geschichtsrevisionismus
Nicht nur bei den jährlichen Demonstrationen in Dresden verdrehen Neonazis die deutsche Geschichte. Auch in Magdeburg werden deutsche Täterinnen und Täter zu Opfern der Alliierten gemacht. Und nicht nur das: Die Neonazis ziehen in ihrem Mobilisierungsvideo eine Linie vom Dreißig Jährigen Krieg und dem Angriff auf Magdeburg 1631 bis zum 16. Janaur 1945. Ziel der Bombenangriff der Allierten in Magdeburg waren das Krupp-Werk, das Panzerfahrzeuge herstellte, ein Werk zur Herstellung von synthetischem Benzin und auch der Innenstadtkern. Im Geschichtsrevisionismus der Neonazis steht die Bombardierung der Städte des nationalsozialistischen Deutschlands nicht im Zusammenhang mit dem von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg, der Shoah und Zwangsarbeit, die von der deutschen Bevölkerung mitgetragen wurde. Neonazis machen aus denen, die an der Ostfront für den nationalsozialistischen Vernichtungsfeldzug verantwortlich waren, aus Menschen, die ihre jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn denunzierten und damit in den sicheren Tod schickten oder aus Menschen, die auf ihren Bauernhöfen Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter aus Ost- oder Westeuropa ausbeuteten, Opfer der Geschichte. Doch der Zweite Weltkrieg war kein ein abstraktes Unheil, was aus dem Nichts über Deutschland hereinbrach. Er war eine Barbarei, die von den Deutschen verursacht wurde.
Dresdens Auftakt
Bei ihren jährlichen Demonstrationen in Magdeburg waren die Neonazis leider immer erfolgreich. Ihre Teilnehmerzahl wird größer. Im letzten Jahr lagen Schätzungen bei bis zu 1.000 Teilnehmenden. Vor allem nach den Demoschlappen der Neonazis 2010 wird Magdeburg ein wichtiger Termin im Neonazikalender sein. Angemeldet sind bisher wohl 800 Neonazis. „Magdeburg ist ein fester Termin für Neonazis. Hier trifft sich die Szene“, sagt Gebauer. Seit 2010 wird für die Trauermärsche in Dresden und Magdeburg zusammen mobilisiert. Das spricht für eine hohe Zahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern. „Es wollen sich viele sicher nicht noch einmal die Schmach geben, wieder stundenlang in der Kälte zu verweilen. Vorallem weil davon auszugehen ist, dass der Aufmarsch in Dresden auch dieses Jahr verhindert werden wird“, sagt der Kooperationskreis "blockierenmd.tk". „Wir rechnen damit, dass dieses Jahr mehr Neonazis als im vergangenen Jahr marschieren werden“, so der Kooperationskreis.
Beginn des Wahlkampfes
Dieses Jahr kommt außerdem hinzu, dass am 20. März in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt wird. Die Neonazis nutzen die Demonstration am 15. Januar auch als Wahlkampfauftakt. „Die NPD will in den Landtag“, sagt Gebauer. „Die Wahlversprechen der NPD werden immer bürgerlicher. Es ist für den Wähler im ersten Augenschein nicht sofort erkennbar, dass sich hinter ihrer Wahlpropaganda in Wirklichkeit Rassismus, völkisch-nationalistisches Gedankengut, Antisemitismus und ein positiver Bezug auf den Nationalsozialismus versteckt“, sagt der Kooperationskreis. So besteht durchaus die Möglichkeit, dass die NDP in den sachsen-anhaltinischen Landtag einzieht. Seit 2009 sitzt schon Matthias Gärtner für die NPD im Stadtrat von Magdeburg.
Protest
Um dem Neonaziaufmarsch etwas entgegenzusetzen, gibt es zum dritten Mal am kommenden Wochenende die „Meile der Demokratie“ in Magdeburg. Diesmal werden bis zu 150 Anmelder und Anmelderinnen erwartet. Ausgegangen wird von ca. 5.000 Besucherinnen und Besuchern. „Wir wollen die Neonazis aus der Innenstadt fernhalten“, sagt Gebauer. Denn die Innenstadt ist es, um die die Neonazis trauern wollen. In diesem Jahr wird das Programm noch breiter und bietet für Jung und Alt kulturelle Abwechslung. Blockieren möchten die Veranstaltenden der „Meile der Demokratie“ die Neonazidemo jedoch nicht. „Wir wollen Demokratie und Vielfalt erlebbar machen. In den kommenden Jahren werden wir vielleicht an andere Konzepte anschließen. Aber das ist alles noch im Diskussionsprozess“, so Gebauer. Der Kooperationskreis hingegen möchte weiter gehen und auch in Magdeburg das in vielen anderen Städten 2010 erfolgreiche Blockadekonzept anwenden. Er möchte „blockieren statt ignorieren“ und damit den Neonazis ihren Trauermarsch vermiesen.
Meile der Demokratie
12 Uhr bis 18 Uhr auf dem Breiten Weg in Magdeburg
Twitter http://twitter.com/demokratiemeile
Zentraler Anlaufpunkt für Infos zum Blockieren
ab 11 Uhr auf dem Alten Markt in Magdeburg
Twitter https://twitter.com/antifamd
Ticker linksunten.indymedia.org/md (ältere Handys) oder linksunten.indymedia.org/mobile/md11 (neuere Handys)
Foto: Neonazis in Magdeburg im Januar 2010, Koordinationskreis blockierenmd.tk, c