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In Thüringen wandelt sich etwas. Die Landesregierung zeigt sich offeneren Auges für wachsenden Rechtsextremismus im Land und stellt 2008 mehr als 1,5 Millionen Euro in Thüringen für die Arbeit gegen Rechtsextremismus bereit. Ein Bericht von Kai Mudra aus der Thüringer Allgemeinen Zeitung:
"Wenn andere bezahlen, muss man selbst nichts dazugeben. Dieser Maxime folgend hat die Thüringer CDU-Regierung über Jahre Programme gegen Rechtsextremismus eher geduldet als gefördert. Als sich der Bund im Vorjahr entschloss, nicht mehr allein Geld zu geben, drohten die Programme und Projekte an den Mitteln zu scheitern.
Dies wird vorerst nicht passieren, auch weil die Regierung beginnt, langsam umzusteuern. Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) warnte diese Woche vor "einer neuen Strategie" der Neonazis, die "in die Gesellschaft hineinwirkten". Dies sei eine "Riesengefahr", die man "ernst nehme". Deshalb gebe es zusätzliches Geld, auch arbeite man mit den Kommunen enger zusammen. Verfassungsschutzpräsident Thomas Sippel verwies vor einigen Tagen darauf, dass rechtsextreme Aktivitäten zugenommen und die Gruppierungen weiter personellen Zulauf haben. Der Verein Mobit hat bis Mitte Dezember dieses Jahres 316 rechtsextreme Aktivitäten in Thüringen registriert, darunter 18 Konzerte, die teils abgebrochen werden mussten, aber auch 192 Kundgebungen und Infostände. Im Jahr zuvor waren es nur 175 Aktivitäten, darunter 29 Konzerte und 60 Kundgebungen.
Solche Fakten sind nicht mehr zu ignorieren: Die NPD wächst und hat etwa 550 Mitglieder. Gegner rechtsextremer Aktivitäten werden bedroht, Abgeordnetenbüros überfallen, Vereine infiltriert oder neue gegründet.
Die Aktivitäten in Thüringen haben solche Ausmaße angenommen, dass der Bund ab diesem Jahr zehn Präventionsprojekte, sogenannte Lokale Aktionspläne (LAP), in den Kommunen über drei Jahre mit jeweils 300 000 Euro fördert. Mit diesen zehn ist der Freistaat an den bundesweit 90 Projekten überdurchschnittlich beteiligt.
Diese Förderung kostet das Land nichts, gibt aber den Ausgewählten in den nächsten Jahren die Möglichkeit, vielfältige Aktivitäten und Angebote zu initiieren und diese der rechtsextremen Jugendkultur entgegenzusetzen. Wie wichtig solche Projekte sind, erklärte Thomas Grumpke vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen gestern in Erfurt. Es gebe längst eine "rechtsextreme Erlebniswelt", die dem Jugendlichen eine "Vollversorgung" garantiere, so dass er außerhalb der Szene "nichts mehr machen muss". Der Verfassungsschützer verwies auf den ländlichen Raum, wo vieles weggebrochen sei und sich so häufig eine rechte Jugendkultur als einzige Alternative ausgebreitet habe. Grumpke spricht davon, dass Rechtsextremismus sich in Deutschland längst zur sozialen Bewegung entwickelt habe, die umfassend vernetzt ist und Sympathisanten auch eine Existenz ermöglicht.
Doch Thüringen erhält noch mehr Geld, um auf derartige Brennpunkte schnell und wirksam reagieren zu können. Dieses Jahr waren es rund 215 000 Euro vom Bund und im nächsten sind es sogar 400 000 Euro, die der Freistaat um weitere 80 000 Euro aufstocken muss. Mit dem Geldsegen aus dem Bundesprogramm "Förderung von Beratungsnetzwerken - Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus" konnten im Freistaat die Beratung für Opfer rechter Gewalt (THO) und der Verein Mobit, als bisher mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, gerettet werden. Ab nächstem Jahr bilden Mobit und der Jenaer Verein "drudel 11", zu dem die Opferberatung gehört, die Kontakt- und Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus (Konkreth). Wer immer im Land Hilfe gegen rechtsextreme oder Neonazi-Aktivitäten benötigt, kann sich dann an "Konkreth" wenden oder aber an die Landesstelle Gewaltprävention im Sozialministerium. Beide Gremien sollen im Freistaat künftig den Kampf gegen die Neonazis koordinieren." (KAI MUDRA, Thüringer Allgemeine).
Der Originalartikel vom 12.12.2007 in der Thüringer Allgemeinen: >klick
Noch mehr über Rechtsextremismus in Thüringen (ZEIT vom 13.12.): >klick
Foto: Naziaufmarsch in Erfurt 2006 (Copyright Kulick)
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de