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Die Evangelische Kirche engagiert sich zunehmend gegen Neonazis. Doch in Sachsen scheinbar nur auf dem Papier. So beteiligte sich die Evangelische Landeskirche Sachsen im Februar nicht am Aufruf zum GEH DENKEN in Dresden. Woran das lag, wurde auf einer Kirchentagung in Meißen erörtert. Mit überraschenden Aussichten für 2010.
Von Arne Semsrott
Für den Superintendenten des sächsischen Kirchenbezirks Großenhain, Eckhard Klabunde, ist klar: „Es geht nicht darum, ob Kirche von Engagement gegen Rechtsextremismus profitieren kann.“ Der Superintendent setzt in seiner Jugendarbeit auf Erziehung zu Demokratie. Ein örtliches Bündnis gegen Rechtsextremismus in seinem Heimatkreis hat die Kirche allerdings verlassen. „Ich hatte das Gefühl, dass das Bündnis als parteipolitisches Instrument der Linken genutzt werden sollte“, so Klabunde.
Eine Podiumsdiskussion der Evangelischen Akademie Meißen im Rahmen der Tagung „Zivilcourage für Demokratie im Heimatort“ beschäftigte sich am 1. April mit der Frage, ob es für die Kirche Grenzen beim Engagement gegen Rechtsextreme geben soll.
In seinem Vorwort zur Podiumsdiskussion formulierte Oberkirchenrat Christhard Wagner seinen Wunsch an die Kirche, sich dem Thema grundsätzlich zu stellen. Denn die Kirche selbst sei als Teil der Gesellschaft auch vor Rechtsextremismus in den eigenen Reihen nicht gefeit. Wichtig sei beim gemeinschaftlichen Engagement gegen Neonazis: Wer mit Linken oder der gleichnamigen Partei zusammen arbeite, sei selbst noch lange nicht links. Kooperation sei wichtig, Grenzen seien allerdings erreicht, wenn Bündnispartner die Menschenwürde nicht achten würden.
„Ohne uns kein buntes Bündnis!“
„Wenn wir ein Motto nicht unterstützen wollen, unterschreiben wir es auch nicht“, stimmte Dr. Christian Staffa von der Aktion Sühnezeichen zu. „Das gilt auch für Aktionen, an denen Partner teilnehmen, mit denen wir ansonsten kooperieren.“ Christhard Wagner appellierte an die Kirche, in Bündnissen gegen Rechtsextreme stilbildend zu wirken. „Ohne unsere Farbe gibt es kein buntes Bündnis!“ Dies unterstrich auch Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung. Doch mit Blick auf Großenhain kritisierte sie: „Sich von Parteien aus Bündnissen verdrängen zu lassen, finde ich traurig.“ Das Gegenteil von Faschismus sei schließlich nicht Antifaschismus, sondern demokratische Kultur. Und dass sich die sächsische Landeskirche nicht an der 'Geh Denken'-Demonstration zivilgesellschaftlicher Gruppen in Dresden am 13. und 14. Februar beteiligt habe, sei ein grundfalsches Signal gewesen.
Der sächsische Landesbischof Jochen Bohl begründete das Zaudern beim evangelischen Engagement in Dresden mit Kritik an der 'Geh Denken'- Organisation. Die Redner auf der Demonstration seien allesamt dem linken Parteienspektrum zuzuordnen gewesen, einschließlich der SPD-Spitze. Konservative Kräfte hätten absichtlich gefehlt.
Kirchen-Pflicht zur Einmischung
Anetta Kahane widersprach: „Die Konservativen haben wir zuerst angeschrieben.“ Leider aber hätten die Parteien nur zögerlich oder gar nicht geantwortet oder sich verweigert. Sachsens Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hatte den Aufruf sogar erst unterstützt, aber dann seine Unterschrift wieder zurückgezogen. Weil er nicht neben Politikern wie Oskar Lafontaine auf einem Foto stehen wollte. Lafontaine nahm allerdings gar nicht am Geh Denken teil.
Damit sich solche Fehler nicht wieder ereignen, kündigte Landesbischof Bohl letztlich – wie vom Plenum zuvor energisch gefordert - erste Schritte an, im kommenden Jahr anders zu handeln. Die Kirche werde sich bemühen, die Demonstrationen am 13. Februar 2010 federführend zu organisieren. Ein großer und wichtiger Schritt nach vorn. Denn zum 65. Jahrestag der Bombeangriffe auf Dresden kommt vermutlich eine noch größere Nazischar auf die sächsische Stadt zu. Der Tag fällt auf einen Samstag.
Mehr über 'Geh Denken' in diesem Jahr (MUT, 14.2.2009)
Neue Publikationen über Neonazis - auch aus der Kirche (MUT, 15.1.2009)
Lohnender Download - Gemeinde-Rat gegen Neonazis (MUT, 9.9.2008)
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Das Foto entstand in Lübeck 2008 (Kulick)