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Neonazis wollen in Heilbronn, Halle, Bremen und Greifswald aufmarschieren. Heilbronn und Halle sind Top-Ziele der Neonazis. Dennoch hat sich in allen Städten vielfältiger und kraftvoller Protest gebildet.
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Updates
Heilbronn: Nazidemo erlaubt, mehrere Gegenkundgebungen wurden verboten. Die Blockierer treffen sich um 8 Uhr an drei verschiedenen Blockadepunkten. Karte: www.heilbronn-stellt-sich-quer.tk
Greifswald: Das Oberverwaltungsgericht von Mecklenburg-Vorpommern hat die umstrittene NPD-Demo, unter besonderen Auflagen, genehmigt und damit das vorherige Verbot aufgehoben. Neuer Treffpunkt von Greifswald Nazifrei, 9 Uhr vor dem Flüchtlingsheim Heinrich-Hertzstraße/Ecke Spiegelsdorfer Wende. Das Bürgerbündnis „Greifswald ist bunt - Kein Ort für Neonazis" trifft sich um 9 Uhr auf dem Marktplatz, Rigaer Str./Trelleborger Weg.
Halle: Route der Nazidemo und Gegenproteste ist jetzt unter halleblockt.blogsport.de online
Bremen: NPD-Demo findet am 30. April statt - von der Neustadt durch das Flüsseviertel. Gegendemo trifft sich um 9 Uhr an der Friedrich-Ebert-Straße/Ecke Neuenlander Straße.
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Seit Jahren treten NPD und Kameradschaften am 1. Mai durch ihre Aufmärsche in Erscheinung. 2008 war die Polizei bei einem Aufmarsch in Hamburg so überfordert, dass Autonome Nationalisten ausbrachen und regelrechte Hetzjagden auf Journalistinnen und Journalisten unternahmen. In diesem Jahr marschieren die Neonazis unter dem Motto „Unsere Heimat – unsere Arbeit. Fremdenarbeiterinvasion stoppen“ in Heilbronn, Halle, Greifswald und Bremen auf. Dabei nehmen die Neonazis Bezug auf die ab 1. Mai geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit, nach der auch Menschen aus den neuen Mitgliedsstaaten in den alten EU-Ländern Arbeitsverhältnisse aufnehmen könne.
Heilbronn – Gewalttäter und Hardcore-Nazis aus ganz Europa
Nachdem es am 1. Mai in Süddeutschland in den vergangenen zwei Jahren Naziaufmärsche mit 800 bis 1.000 Demonstrierenden gab, wird es dieses Jahr auch wieder heiß hergehen. „Es ist davon auszugehen, dass der Aufmarsch in Heilbronn der größte im Bundesgebiet wird. Eine Mobilisierung wie in Schweinfurt 2010 von rund 1.000 Nazis ist möglich. Die Nazis geben sich dieses Jahr allerdings um Längen mehr Mühe was die Vorbereitung angeht“, sagt Robert Andreasch, freier Journalist und Neonaziexperte für Süddeutschland. Rechte Gruppen aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz unterstützen den Aufruf des „Freien Netz Süd“. „Es gab im Vorfeld Aktionswochen, bei denen es eher zu peinlichen Flugblatt- und Plakatieraktionen kam. Allerdings sind diese Vorveranstaltungen einmalig unter den Aufmärschen am 1. Mai“, so Andreasch. Das „Nationale und Soziale Aktionsbündnis“ mobilisiere schon seit einem Jahr auf dieses Datum; im Januar wurde Heilbronn als Aufmarschort veröffentlicht. Das „Nationale und Soziale Aktionsbündnis“ wird maßgeblich durch die freien Kameradschaften vom „Freien Netz Süd“ und von einigen NPD / JN Kadern gestemmt. Dieses Bündnis ist kein unbeschriebenes Blatt. Erst vor einem Jahr hat einer ihrer Führungskader, Peter Rausch, in Nürnberg einen 17-Jährigen halb tot geprügelt. Vergangenen Monat wurde er zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Auch der geplante Redner Gottfried Küssel (Österreich) soll laut Andreasch nicht mehr auftreten, da auch er inhaftiert ist. Wiederholt wurde er wegen NS-Wiederbetätigung angeklagt.
Die Rednerliste für Heilbronn folgt dem Trend der deutschen Neonaziszene sich international zu vernetzen. So treten u.a. der Tscheche Jiri Petrivalsky, Dan Erikson (Schweden) und Philip Eglen (Schweiz) auf. Der Holocaustleugner Eglen wurde vergangenes Jahr verurteilt, da er die Tagebücher der Anne Frank als Lüge bezeichnet hat. Die internationale Prominenz kommt nicht von ungefähr. Laut Andreasch sollen führende Kader des „Freien Netz Süd“ über die europäische Hammerskinszene vernetzt sein und sich jährlich in Budapest zum Nazievent „Day of Honour“ treffen.
„Heilbronn stellt sich Quer“
In Heilbronn wird ein kräftiger Protest geplant. Neben Bands wie ZSK, Irie Révoltés oder dem Rapper Max Herre findet sich auch politische Prominenz wie Cem Özdemir, Monika Lazar oder Sascha Vogt auf der Unterstützerliste von „Heilbronn stellt sich Quer“. Tim Müller, Pressesprecher des Bündnisses erklärt: „Das Ziel den Naziaufmarsch zu blockieren, halten wir für möglich. Wir mobilisieren seit Anfang des Jahres und stehen in regem Kontakt zum Bündnis ‚Dresden Nazifrei‘. Es fanden Blockadetrainings und symbolische Blockieraktionen statt. Darüber hinaus gibt es ein Bürgerbüro in dem montags und donnerstags Infos ausgetauscht und Transparente gemalt werden.“ Neben „Heilbronn stellt sich quer“ hat sich das „Heilbronner Bündnis gegen Rechtsextremismus“ gebildet, in dem unter anderem die Stadt und der DGB vertreten sind. Sie rufen unter dem Motto „Heilbronn sagt Nein“ zu einem Protestzug vom Gewerkschaftshaus in die Innenstadt mit anschließendem Fest der Kulturen auf.
„Halle / Saale Hauptbahnhof, Endstation.“
Auch in Halle marschieren am 1. Mai Neonazis gegen das Gesetz zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Gleicher Inhalt, leicht geändertes Motto: „Zukunft durch Arbeit – Fremdarbeit stoppen“. Aus ganz Ostdeutschland mobilisieren freie Kameradschaften nach Halle. „Wir gehen davon aus, dass über 1.000 Nazis kommen werden“, sagt Ute Larsen vom Koordinierungskreis „Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“. Interessant ist, dass die Klientel der Demo wohl vorwiegend aus freien Kameradschaften und weniger aus dem NPD-Spektrum bestehen wird. Laut der Infoseite antifaschistischer Gruppen aus Halle hat es in jüngster Vergangenheit in Halle Auseinandersetzungen zwischen Freien Kameradschaften und NPD gegeben.
„Seit vier Wochen haben wir die Info, dass Nazis aufmarschieren wollen“, so Larsen. Das Bündnis, das sich als Reaktion auf einen Naziaufmarsch in Halle 2009 gegründet hat ruft unter dem Motto „Halle blockt“ dazu auf, den Naziaufmarsch zu verhindern. „Wir stehen zu unserem Aufruf, Nazis zu blockieren. Ziviler Ungehorsam ist legitim und ist nötig um die Stadt nazifrei zu halten“. Neben den Blockaden gibt es eine Kundgebung des DGB auf dem Marktplatz und ein Picknick für Familien im Stadtpark. Für zugereiste Nazigegnerinnen und -gegner bietet das Bündnis eine Schlafplatzbörse auf seiner Website. Das Bündnis der antifaschistischen Gruppen „Halle/Saale Hauptbahnhof, Endstation.“ verkündet: „Der Aufmarsch sollte für die angereisten Nazis im wahrsten Sinne des Wortes zur Endstation werden.“
Treffpunkt „Halle blockt": 1. Mai, 9 Uhr, Rannischer Platz
Neuigkeiten werden über Twitter oder am 1. Mai direkt über WAP und eine Live-Sondersendung von Radio Corax übermittelt.
Pleitenummer in Bremen
Durch die Fusion von NPD und DVU tritt die NPD dieses Jahr erstmalig seit langem wieder in Bremen zur Bürgerschaftswahl an. Durch die getrennte 5%-Klausel in Bremen und Bremerhaven reicht es für einen Einzug in die Bürgschaft allein in Bremerhaven die 5%-Klausel zu knacken. Das dies keine große Hürde ist, zeigt die parlamentarische Präsenz der DVU seit 20 Jahren. Vergangenen Herbst kündigte die NPD an, am 1. Mai einen „Sozialkongress“ zu veranstalten. Besonders innovativ ist die Partei dabei jedoch nicht. Inhaltlich geht es wie im ganzen Bundesgebiet gegen das neue Gesetz der Arbeitnehmerfreizügigkeit, weiterhin wird gegen Griechenland und den Euro gehetzt. Des Weiteren folgt ein Ruf nach scheinsozialen Forderungen. Nichts neues sondern altbekannter und platter Rassismus, der mit der Kampagne gegen die Fatih-Moschee auf ein weiteres unterstrichen wird. Der Wahlkampf ist bis jetzt eher eine Pleitenummer. Die Landesbank will der NPD kein Konto geben. Die Partei reagierte mit einer Kundgebung, auf die sage und schreibe 16 Kameradinnen und Kameraden kamen. Spitzenkandidat und Vize-Bundesvorstand Matthias Faust machte im April kurzzeitig Schlagzeilen indem er einer Kameradin riet, ihre Schießübungen doch in die Bremer Innenstadt zu verlegen.
Nachdem ersichtlich wurde, dass Neonazis aufmarschieren wollen, wurden die geplanten 1. Mai-Aktivitäten des DGB auf einen Sternmarschasch ausgeweitet. Alle attraktiven Gebiete waren eingenommen, der NPD blieben nur noch öde Randbezirke. Henner Günther, Anmelder des Sternmarsches (DGB Bremen / Bündnis „Keinen Meter“) verkündete am 18. April, dass der NPD „Sozialkongress“ nun offensichtlich auf den 30. April vorverlegt wird. Ein klarer Rückschlag für die Neonazis, jedoch keine Entwarnung. Der Gewerkschafter blickt zuversichtlich auf den 30. April: „2006 haben wir es geschafft, dass die Nazis am Bahnhof durch eine Menschenmenge blockiert wurden.“ Jonas Deyda, Pressesprecher des Jugendbündnis „Keinen Meter“ ergänzt nachdrücklich: „Wir wollen keinen symbolischen Protest. Wir nehmen unser Motto ernst und wollen den Nazis keinen Meter geben. Es wird blockiert! Unser Plan ist früh morgens auf die Route zu gelangen und dort so lang bleiben bis die Nazis wieder gehen“.
Treffpunkt „Keinen Meter": 30. April, 11 Uhr, Bahnhofsvorplatz
Neuigkeiten über Twitter oder WAP (ticker.hopto.org).
Greifswald: „… bitte setzen“
Die Kampagne „Unsere Heimat – unsere Arbeit! Fremdarbeiterinvasion stoppen“ wird in Mecklenburg-Vorpommern durch die Landes-NPD durchgeführt. Seit dem 22. März werden Neonazis aus Nordostdeutschland nach Greifswald mobilisiert. 500 Neonazis sind angekündigt. Eine nicht unrealistische Zahl: Im vergangenen Jahr marschierten am 1. Mai 600 Neonazis durch Rostock. Die Verschiebung des „Sozialkongresses“ der Bremer NPD-Ortsgruppe vom 1. Mai auf den 30. April erhöht das Mobilisierungspotenzial für Greifswald weiterhin. In Anbetracht der anstehenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und der vertretenen Parteiprominenz will die NPD diesen Tag – wie auch in Bremen – als Wahlkampfaktion nutzen. Auch in Greifswald sind die Redner der Demo eine Mischung aus NPD und freien Kameradschaften. Tino Müller gilt als zentrale Figur im „Nationalen und Sozialen Bündnis Pommern“ und ist Vorsitzender des NPD Kreisverbandes Ueckwer-Randow. Als weitere Prominenz ist der Landtagsabgeordnete Udo Pastörs angekündigt, der im vergangenen Jahr wegen Volksverhetzung verurteilt wurde.
Ob es überhaupt zu einer Demonstration kommen wird, wird sich erst noch zeigen. Am 14. April hat die Stadt den Aufmarsch verboten. Aber die NPD droht schon mit einer Klage. Nichtsdestotrotz mobilisieren zwei Bündnisse weiterhin zum Protest gegen den Naziaufmarsch. Das Bürgerbündnis „Greifswald ist bunt – kein Ort für Neonazis“ ist laut ihrem Pressesprecher Bernd Biedermann ein „Sammelbecken für alle demokratischen Parteien und Akteure, Wohnungsgenossenschaften, Schulen und Studierenden“. Seit Ende März planen sie an der Choreografie des Protests. „Um 9 Uhr treffen wir uns auf dem Marktplatz zu einer Ansprache durch den Bürgermeister. Wir laden alle dazu ein, mit uns durch die Stadt zu ziehen und an dem anschließendem Demokratiefest des DGB teilzunehmen“, so Biedermann. Auch hier wird sich Prominenz zeigen: Der Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) wird laut Biedermann auf einer Kundgebung eine Rede halten. Im Anschluss gibt es mehrere Mahnwachen in der Nähe der NPD-Route. Neben dem Bürgerbündnis gibt es das Bündnis „Greifswald Nazifrei“, das unter dem Motto „Nazis blockieren! … bitte setzen“ zu friedlichen aber entschlossenen Blockadeaktionen aufruft. Auf ihrer Website bietet das Bündnis eine Busfahrt ab Rostock und eine Schlafplatzbörse an.
Treffpunkt „Greifswald ist bunt": 1. Mai, 8.45 Uhr Rubenowplatz oder 9 Uhr Marktplatz
Der rassistischen und scheinsozialen Propaganda wird Paroli geboten. Die organisierenden Gruppen sind sich einig, dass kein Naziaufmarsch ohne entschlossenen Protest stattfinden darf. In allen Orten gibt es Initiativen, die die Neonazis blockieren wollen. Ein erfolgreicher Trend, blickt man auf den 19. Februar in Dresden an dem Nazigegner es wiederholt geschafft haben, Europas größten Aufmarsch durch Blockaden zu verhindern.