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Offener Brief für Felix Otto

Am Donnerstag, 16. Juli 2009, dem 27. Jahrestag der Einführung des Residenzpflichtgesetzes, wollen zahlreiche Flüchtlingsinitiativen unter dem Motto "Solidarität mit Felix Otto" eine Kundgebung vor der JVA Goldlauter in Suhl durchführen. Felix Otto, ein Flüchtling aus Kamerun, ist dort inhaftiert, nur weil er gegen die "Residenzpflicht" verstieß. Um ihm zu helfen, bitten die Initiativen auch um Mitunterzeichnung eines Offenen Briefs.

Bereits am 25. Juni fand in Erfurt eine Demonstration von Flüchtlingen aus Gerstungen, Neustadt/Orla, Hildburghausen, Sömmerda, Nordhausen, Weimar, Apolda, Eisenach, Erfurt, Leinefeld und Katzhütte in Thüringen statt. Sie wollen über ihre prekäre Situation der Ghettoisierung in ehemaligen Militärkasernen aufklären, die aus ihrer Sicht regelrechten Isolationslagern entsprechen. Zudem geht es um die Forderung nach Freilassung von Felix Otto - der schon seit 8 Monaten inhaftiert ist, nur weil er gegen die sogenannte "Residenzpflicht" verstieß.

Felix Otto kam im Jahr 2000 aus Kamerun, um in Deutschland Asyl zu suchen. Nach seinem Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung Jena-Forst wurde er in verschiedene Heime in Thüringen umverteilt. Felix Otto sei, so schilderte es die Flüchtlingshilforganisation "caravane", ...

"...immer um das bemüht gewesen, was der deutsche Staat von „Ausländern“ stets einzufordern pflegt – wozu er uns Flüchtlingen aber kein Recht gibt: Integration. Es war Felix Otto immer wichtig, seiner Isolation und Ausgrenzung in den abgelegenen Lagern entgegenzuwirken. Er versuchte zu arbeiten, wann immer es ihm ermöglicht wurde, war aktiv als Salsa-Tänzer und Modell. Als Asylbewerber wurde ihm diese Integration verweigert. Innerhalb des letzten Jahres unternahm die zuständige Ausländerbehörde mehrfach den Versuch, Felix in Form von Abschiebeandrohungen und erzwungenen Botschaftsanhörungen einzuschüchtern. Bis zu seiner Inhaftierung war er in der Asylunterkunft in der Nähe des Weilers Juchhöh im Saale-Orla-Kreis untergebracht.
Seit er im Gefängnis ist, leidet Felix Otto an gesundheitlichen Schwierigkeiten. Er hat Problemen mit den Augen, die einer medizinischen Behandlung bedürfen. Er appelliert an unsere Solidarität, damit wir diese Umstände anprangern und seine Freilassung fordern. Felix Otto ist kein Krimineller. Er hat niemals ein Verbrechen begangen.
"

Ottos einziges Vergehen: Er hatte auf mehr Bewegungsfreiheit gepocht und sie auch demonstrativ wahrgenommen. Bei einer Verkehrskontrolle wurde er verhaftet. Die Flüchlingsinitiative "Thecaravane.org" bittet nun -  um ihm zu helfen - einen Offenen Brief an Thüringens Innenminister Manfred Scherer zu schicken, etwa so, wie nachfolgend formuliert:


Absender:
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An:
Innenminister Manfred Scherer
im thüringischen Innenministerium
Steigerstraße 24; 99096 Erfurt
Tel.: 0361/37 900; Fax: 0361/37 93 111

Kopie an:
Amtsgericht Bad Lobenstein Zwst. d. Amtsgericht Pößneck
Mühlgasse 19c, 07356 Lobenstein
Tel: 036651 610 0; Fax: 036651 610 10

Sehr geehrter Damen und Herren,

ich bin auf den Fall des Herrn Felix Otto, ein Flüchtling aus Kamerun, der seit 9 Jahren in Thüringen lebt, aufmerksam geworden.
Seit dem 30. März 2009 befindet sich Herr Felix Otto in der Justizvollzugsanstalt in Suhl-Goldlauter, wo er 8 Monate Haft verbüßen soll für die Verletzung der sogenannten Residenzpflicht. Das extreme Strafmaß, das eines der höchsten ist, was seit der Einführung der sogenannten Residenzpflicht im Jahr 1982, verhängt wurde, hebt die Absurdität und die Unmenschlichkeit dieses Gesetzes vor. Herr Felix Otto hat sein Recht auf Bewegungsfreiheit wahrgenommen, um der Isolation der Lagerrealität zu entkommen. Er hat nichts Kriminelles getan, doch wird er als Verbrecher abgeurteilt.
Wie Sie sehr gut wissen, ist das „Verbrechen“ für das er bestraft wurde, ein „Verbrechen“, das nur Flüchtlinge in Deutschland begehen können. Es gibt in keinem anderen Land in Europa eine derart umfassende und pauschale Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge.

Insbesondere vor dem historischen Hintergrund der Teilung Deutschlands habe ich keinen Zweifel, dass Sie die Bedeutung des natürlichen und unveräußerlichen Rechts auf Bewegungsfreiheit erkennen und hochschätzen. Es ist untrennbar mit der Würde des Menschen verbunden und wird von der deutschen Verfassung, der Allgemeinen Menschenrechtcharta und den Europäischen Menschenrechtkonventionen geschützt. Herr Felix Otto ist im Gefängnis für die Ausübung dieses natürlichen Rechts.

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf ein historisches Datum, den 22. August 1938 richten. An diesem Tag wurde mit der Ausländerpolizeiverordnung des nationalsozialistischen Regimes eine ähnliche Beschneidung der Bewegungsfreiheit festgelegt. Im Wortlaut und Strafmass mit überraschenden Übereinstimmungen mit dem heutigen Gesetz kann man schwer glauben, die Residenzpflicht sei nicht einfach aus dem rassistischen Gesetzeswerk des Nazi-Regimes übernommen worden.

Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass Flüchtlingen heute in Deutschland das Recht auf Bewegungsfreiheit genommen wird. Ich rufe Sie auf als Personen, die in diese Sache involviert sind, bzw. Verantwortung darin tragen, die sofortige Freilassung des Herrn Felix Ottos zu veranlassen. Statt der weiteren Anwendung dieses Gesetzes sollte von Ihnen Prozesse zur Abschaffung des Gesetzes in Bewegung gesetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen


Name und Datum

Bitte senden Sie eine Kopie des Protestfaxes an das Büro von THE VOICE Refugee Forum, Fax: 03641420270 + Email: voice_mail@emdash.org + Internet: http://thevoiceforum.org

Die Kundgebung in Suhl am 16. Juli wird von afrikanischer Percussion - Buggy Djembe Jive (Bongo Man - Savannah Beats) begleitet. Treffpunkt ist um 13.30 in Suhl im Stadtzentrum Um 15.00 findet dann die Kundgebung vor der JVA Goldlauter, Zellaer Str.154 statt


Mehr zum Thema:


"Das Dilemma Residenzpflicht" (
MUT, 19.6.2009)
Hövelmann reagiert auf Offenen Brief (
MUT, 24.6.2009
)

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk / Foto: umbruch-bildarchiv.de

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Demonstration für Bewegungsfreiheit