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NPD verliert Schwerpunktwahlkampf in Sachsen-Anhalt


Durch die hohe Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt konnte der Einzug der Neonazis in das dritte Parlament nach Sachsen und Mecklenburg Vorpommern verhindert werden. Entwarnung ist jedoch nicht angesagt. Weiterhin sind Neonazis in Sachsen-Anhalt ein ernstzunehmendenes Problem.


Von Anja Reuss

Selbstbewusst und siegessicher kamen gestern die Kandidaten der NPD in den Landtag. Doch schnell nach den ersten Hochrechnungen war klar, die NPD wird den Sprung über die fünf Proztenthürde nicht schaffen und damit auch nicht in das sachsen-anhaltische Parlament einziehen. Nach den ersten Prognosen gegen 18 Uhr lagen die Neonazis bei 4,5 Prozent. Das vorläufige Ergebnis sorgte auch bei den euphorischsten Kamaraden der NPD für Ernüchterung. Michael Grunzel, Sprecher der NPD in Sachsen ärgerte sich indes über „die ganze Hetz- und Schmutzkampagne“ die gegen die NPD geführt worden sei und letztlich zur Wahlniederlage geführt habe.

Als das Ergebnis für NPD bei den Hochrechnungen dann doch noch auf 4,8 Prozent kletterte, waren die NPD-Männer schon längst nicht mehr im Landtag. in der endgültigen Bilanz für die NPD waren es dann 4,6 Prozent. Matthias Heyder, der Spitzenkandidat der NPD in Sachsen-Anhalt, erschien garnicht erst im Landtag. Heyder hatte mit seinen Einträge in einschlägigen Neonazi-Foren in der letzten Woche für Aufmerksamkeit gesorgt. Unter dem Pseudonym „Junker Jörg“ gab er Ratschläge für den Bau von Bomben und rief zum „Schänden“ linker Frauen auf. Das Landeskriminalamt als auch die Generalstaatsanwaltschaft haben daraufhin Ermittlungen eingeleitet.

Dämpfer für die NPD im Superwahljahr

Die Niederlage in Sachsen-Anhalt dürfte die NPD schwer treffen, hat sie das ostdeutsche Bundesland doch zum Schwerpunktwahlkampf gemacht. Mit einem voluminösen Buget von mehreren hundertausend Euro wollten sie den Einzug in den dritten Landtag schaffen. Das dieser Erfolg nun ausblieb, dürfte sich auch auf die noch anstehenden Landtagswahlen in diesem Jahr auswirken. Für die Bürgerinnen und Bürger in Hessen und Baden-Württemberg wird am nächsten Wochenende der Gang zu Wahlurne anstehen. In diesen Bundesländern ist die NPD jedoch bei weitem nicht so gut aufgestellt wie in Sachsen-Anhalt. Zu befürchten bleibt aber, dass die NPD am 4. September bei den Landtagswahlen in Mecklenburg Vorpommern wieder einen Einzug ins Parlament schaffen wird. Hier ist sie aktuell mit 6 Abgeordneten vertreten.

Landesinnenminister Holger Hövelmann (SPD) sieht die hohe Wahlbeteiligung als den ausschlaggebenden Grund dafür, dass die NPD nicht über die fünf Prozenthürde gekommen ist. Gerade die wieder ausgelöste Diskussion um die Sicherheit von Kernkraftwerken durch die Ereignisse in Japan und dem drohenden atomaren Super GAU in Fukoschima waren wohl ein Grund für viele Bürgerinnen und Bürger, ihre Stimme abzugeben. Ablesen lässt sich das auch am starken Stimmenzuwachs der Grünen in Sachsen Anhalt. Mit 6,8 Prozent gelingt ihnen nach 13 Jahren Pause das Comeback in Sachsen-Anhalt.

Neonaziproblem ist weiter präsent

Erleichterung über das Scheitern der NPD äußert auch der Miteinander e.V. „Der Sonntag war ein guter Tag für die demokratische Kultur in Sachsen-Anhalt“, so Pascal Begrich, Geschäftsführer des Vereins am Montag in Magdeburg. „Das Scheitern der NPD ist ein Erfolg für die vielen Einzelpersonen, Initiativen und demokratischen Parteien, die sich in den vergangenen Wochen gegen die NPD und ihre menschenverachtende Propaganda engagiert haben.“ Allerdings zeigen die Wahlergebnisse der NPD, dass die rechtsextreme Partei durchaus über ein stabiles Wählerpotential verfügt. So findet sie gerade bei jungen Männern Rückhalt. Zudem konnte die NPD ihre Ergebnisse in ihren bisherigen Hochburgen wie in Laucha und dem Burgenland stabilisieren.

Dass es vorwiegend die traurigen Ereignisse dieser Tage waren, die verhüten konnten, dass die NPD in den Landtag einzog, sollte in der politischen Auseinandersetzung nicht vergessen werden. Denn die Freude über den vereitelten Einzug der Neonazis in den Landtag steht die Realität entgegen, dass dennoch in Sachsen-Anhalt eine ausgeprägtes Problem von organisierten und nicht organisierten Neonazis existiert. Neben der politischen Dimension neonazistischer Aktivitäten im Bundesland verblasst oft die alltägliche rassistische und rechtsmotivierte Gewalt. Statistisch gesehen passiert aller drei bis vier Tage eine politisch rechtsmotivierte Gewalttat im Bundesland. Sieht man sich die aktuellen Zahlen der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt für 2010 an, muss mit Erschrecken festgestellt werden, dass von den 101 politisch rechts motivierten Übergriffen 85 Prozent Körperverletzungsdelikte waren. Besonders besorgniserregend dabei ist der massive Anstieg rassistisch motivierter Gewalt. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich hier die Angriffe fast verdoppelt. Zugleich warnt Pascal Begrich davor, das Problem mit Neonazis im Bundesland jetzt zu vernachlässigen „Es wäre ein fataler Irrtum zu glauben, die extreme Rechte in Sachsen-Anhalt sei damit ein für alle Mal erledigt. Noch immer verfügt die NPD über 28 Mandate in kommunalen Gremien. Rechte Gewaltstraftaten und Aufmärsche wie der zum 1. Mai in Halle angekündigte sind Beleg für die Kontinuität des Rechtsextremismus im Bundesland, auch wenn sie nicht im Parlament sind.“

Dass Sachsen-Anhalt schon seit Jahren ein gefährliches Pflaster für nichtrechte und migrantische Menschen ist, weiß auch der Miteinander e. V. Mit der Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung hat derVerein die Kampagne „Kein Ort für Neonazis“ ins Leben gerufen. Sie wollen aktiv werden gegen die Neonazis im Bundesland und auch über die Landtagswahlen hinaus deutlich machen, dass hier genauso wenig wie anderenorts Platz ist für rechtes, rassistisches und antisemitisches Gedankengut.

Bild: Thomas Weber, c
 

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