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Auffallen um jeden Preis...

...und mit jedem Sch...
NS-Propaganda im hessischen NPD-Wahlwerbespot.


Von Maurice Reisinger

Die Schlagzeilen kamen der hessischen NPD gelegen. Läuft sie doch in hessischen Wahlprognosen nur unter ferner liefen, zumal ihnen Hessens Ministerpräsident Koch wieder eifrig die Themen klaut. Wohl auch deshalb hatte sie bewusst einen Fernsehwerbespot produziert, von dem sie annehmen konnte, dass er Aufsehen erregen wird. Zumindest für die Mobilisierung der eigenen Klientel ist solches Schlagzeilenprovozieren unerlässlich. Wie hatte das diesmal funktioniert? Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hatte am 4. Januar 2008 den Hessischen Rundfunk verpflichtet, einen zwielichtigen Wahlwerbespot der rechtsextremen NPD doch zu senden, dessen Ausstrahlung der HR aus gutem Grund als volksverhetzend abgelehnt hatte. Die Rechtsaußen-Partei klagte dagegen, aber das Frankfurter Verwaltungsgericht gab dem HR Recht. Denn in dem Spot verlangt die NPD unter anderem die Ausweisung aller "kulturfremden Ausländer". Doch der Hessische Verwaltungsgerichtshof interpretierte den Streifen anders. Seine Entscheidung war nicht mehr anfechtbar.


Der Spot selbst lässt jedoch wenig Zweifel an der neonazistischen Grundhaltung der NPD. Die Wahlpropaganda ist teilweise sogar mit NS-Musik in Originalfassung unterlegt. Dabei handelt es sich um das Intro des Pflichtliedes der Hitlerjugend "Ein junges Volk steht auf", dass von Landesverfassungsschutzbehörden als strafrelevant bewertet wurde. Wegen mehrfacher Verbreitung dieses Liedes sind daher in einigen Bundesländern polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen NPD-Funktionäre anhängig. Als Teil ihres braunen Kults greift seit einiger Zeit die NPD auf nationalsozialistisches Liedgut zurück. Egal, ob als Musikdownload auf deren Webseiten, Teil von Heldengedenkzeremonien oder krönender Höhepunkt von Aufmärschen - "Ein junges Volk steht auf" gehörte nicht nur zu den Pflichtlidern der HJ, sondern ist fester Bestandteil im Repertoire der neonazistischen NPD. So wurde dieses Lied im vergangenen Jahr bei NPD-Aufmärschen in Brandenburg und Berlin sowie auf dem thüringischen NPD-Landesparteitag gespielt und gesungen.

Da Verfassungsschutzbehörden mehrerer Bundesländer "Ein junges Volk steht auf" als strafrelevant gemäß Paragraf 86a StGB bewerten, ermitteln teilweise seit über einem halben Jahr Landeskriminalämter und Staatsanwaltschaften in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Berlin und Brandenburg gegen Funktionäre der NPD und deren Anhänger wegen Nutzung dieser NS-Propaganda. Auch im Falle der auszugsweisen Verbreitung des Liedes im Wahlwerbespot der hessischen NPD handelt es sich wohlmöglich um eine Straftat. 1987 entschied das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG Oldenburg 1 Ss 481/87 vom 5.10.1987), dass auch dann ein Straftatbestand gegeben sei, wenn die Melodie des Liedes ohne oder mit anderem Text gespielt werde: "Gerade die Melodie macht Symbolkraft aus".

Ähnlich wie bei der inzwischen verbotenen Verwendung von Zahlencodes durch Neonazis (z.B. '88'), wird auch in diesem Fall juristisch zu prüfen sein, ob durch das Abspielen des Intros der Hitlerjugendhymne ein strafbare Handlung erfüllt ist.

Siehe auch: Leser-Karikatur zum NPD-Wahlkampf in Hessen
Und: Der andere NPD-Spot..aus dem Angebot von youtube.


www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk / fotoreuters aus dem hessischen NPD-Wahlkampf