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Fehlender Wille

Sechs NGOs mahnen die Umsetzung der Antisemitismus-Resolution an, die vor acht Monaten im Bundestag verabschiedet worden ist - doch bis heute ohne Folgen blieb.

Von Julia Schörken

„Es ist sehr beeindruckend, dass der Bundestag nach 70 Jahren endlich eine Deklaration gegen Antisemitismus verabschiedet hat. Es wird aber peinlich und nicht hinnehmbar, wenn nach den großen Worten nichts passiert und keine Taten folgen“ kommentierte beispielsweise  Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, bei der gemeinsamen Pressekonferenz der Stiftung mit sechs weiteren NGO’s, die anhaltende Folgenlosigkeit der Antisemitismus-Resolution. Zu den Forderungen der Resolution gehörte beispielsweise die Berufung eines Expertengremiums. Dieses Gremium soll der Bundesregierung und dem Bundestag einen regelmäßigen Bericht und einen Aktionsplan zum Kampf gegen Antisemitismus vorlegen. Grund für die Untätigkeit seien möglicherweise Unstimmigkeiten zwischen Parlament und dem zuständigen Bundesinnenministerium, wer etwa die Kommission einberufen soll, vermutete die Direktorin des American Jewish Committee (AJC) in Berlin, Deidre Berger.

Bei der Pressekonferenz am Donnerstag, den 9. Juli, waren Vertreter der Amadeu Antonio Stiftung, des American Jewish Committees, des Anne Frank Zentrums, der Aktion Sühnezeichen und Friedensdienste, sowie der Initiative Gegen Vergessen Für Demokratie e.V. anwesend. Dr. Christian Staffa von „Aktion Sühnezeichen und Friedensdienste“ betonte, dass der Bundestag den Antisemitismus als Problem nur sehr oberflächlich angehe. „Das Phänomen des Antisemitismus, welches in allen Gesellschaftsschichten vorkommt, muss man in die Demokratieentwicklung eingebettet sehen“,  so Staffa.
Demokratische Gesellschaften beruhen auf der grundlegenden Achtung der Menschenrechte und sind daher bedroht durch Manifestationen von Antisemitismus und allen weiteren Formen menschenverachtender Einstellungen „Nicht nur vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Völkermordes ist die Integration der jüdischen Gemeinden eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf einem gegenseitigen Dialog beruhen muss. Dies setzt voraus, dass die Verantwortung für jüdisches Leben nicht nur aus der Vergangenheit, sondern auch aus der Verantwortung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik resultiert.“, so heißt es in den Beschlussempfehlungen des Bundestages.

Beim Antisemitismus handele es sich um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Daher dürften Projekte nicht nur auf gesellschaftliche Randgruppen wie etwa jugendliche Migranten zielen, sagte der Leiter des Anne-Frank-Zentrums Berlin, Thomas Heppener. Deidre Berger kritisierte ebenfalls, dass die Modellprogramme gegen Antisemitismus nur auf Jugendliche ausgerichtet sind. Es wir ein vielschichtiges Engagement gefordert. Eine dauerhafte Förderung aller Projekt wäre der erste Schritt, der angestrebt wir. So heißt es wortwörtlich in der Resolution: „Vom Bund finanziell unterstütze Projekte gegen den Antisemitismus können nur dann dauerhaft erfolgreich sein, wenn sie gesamtgesellschaftliche Unterstützung erfahren und längerfristig finanziert sind.“ An der Umsetzung dieses guten Willens mangelt es jedoch. Leider.
 

Zum Wortlaut des Bundestagsantrags „Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern“

Zum Wortlaut der Erklärung der sechs NGOs

"Der zögerliche Kampf gegen Antisemitismus" (Welt, 9.7.)

Antisemitismus - kein Ausländerproblem? (taz, 9.7.)

Hilft Kommissionitis? (spiegel.de, 8.7.)


www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / jsc / Das Foto zeigt:  

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Die sechs NGO-Vertreter(innen)