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Übergriffe auf Engagierte, neonazistische Großveranstaltung, Verharmlosung durch Polizei und Städte: In Nürnberg und Umgebung passiert so Einiges.
Dass die rechtsradikale Szene in Nürnberg nicht ungefährlich ist, zeigte erst vor Kurzem: Am 28. April wurde ein 17-jähriger Junge, der in der antifaschistischen Szene aktiv ist, im Nürnberger U-Bahnhof Plärrer von einem 24-jährigen Mann zusammengeschlagen. Der Jugendliche musste von Passantinnen und Passanten wiederbelebt und im Krankenhaus in ein einwöchiges künstliches Koma versetzt werden. Der vorbestrafte Täter ist nach Erkenntnissen der Antifaschistischen Linken Fürth aktiver Neonazi im Kameradschaftszusammenschluss „Freies Netz Süd“. Er flüchtete zunächst, stellte sich dann aber der Polizei.
War da was?
Die Polizei scheint die Bedeutung dieses Übergriffs nicht zu erkennen oder nicht erkennen zu wollen. Am 1. Mai wurde die Tat von der Polizei als Reaktion auf eine Beleidigung des Opfers dargestellt. Zudem lägen „Erkenntnisse vor, dass sich der 17-Jährige in der linksextremistischen Szene aufhält. Der 24-Jährige kann nach polizeilichen Erkenntnissen der rechtsextremistischen Szene zugeordnet werden.“
Max Grugesser-Mair vom Bündnis Nazistopp zeigt sich empört über die Gleichsetzung rechter Gewalttäter und Antifaschisten. „Die Situation wird schon seit längerer Zeit verharmlost“, so Grugesser-Mair. Er sieht in der Region Ober- und Mittelfranken einen der deutschlandweiten Schwerpunkte neonazistischer Aktivitäten. Besonders in Fürth häuften sich die Übergriffe. Das Schweigen hierüber diene nur einer falsch betriebenen „Imagepflege“. Selbst die „Allianz gegen Rechtsextremismus“, bei welcher auch die Stadt Nürnberg beteiligt ist, habe sich noch nicht zu den Ereignissen am Plärrer geäußert. Auch die bayrische SPD beklagt die undifferenzierte Darstellung in einer Stellungnahme: „Wir verwahren uns dagegen, dass in der bayerischen Polizeistatistik Gewalttaten von Neonazis routinemäßig als Auseinandersetzungen zwischen politischen Extremisten bezeichnet werden.“ „Den Neonazis wird durch ein Aufweichen der Abgrenzung zu totalitären Ideologien der Weg zum ‚Mainstream‘ der Gesellschaft geebnet“, erklärt die SPD weiter. Erst nach einigen Tagen lauter Kritik sprach auch die Polizei von einer Tat rechstextremem Hintergrund.
Frankentag 2010
Zu den sich häufenden Übergriffen Rechtsradikaler gesellt sich in Franken das neonazistische Großereignis „Frankentag“. Der Frankentag geht historisch auf die Gründung des Fränkischen Reichskreises am 1. Juni 1500 zurück. Seit Ende der 1920er Jahre instrumentalisierte der später zum Tod verurteilte Nationalsozialist Julius Streicher die Frankentage und richtete eine jährliche Feier auf dem Hesselberg aus. Seit 2008 findet durch das „Freie Netz Süd“ und den Bund Frankenland e.V. eine Widerbelebung dieses Ereignisses statt. Wie das Nürnberger Bündnis Nazistopp in Erfahrung brachte, sollte ursprünglich am kommenden Samstag, dem 15. Mai, etwa 35 Kilometer nördlich von Nürnberg im nordfränkischen Geschwand/ Obertrubach der dritte „Frankentag“ stattfinden. Nun gab der Bund Frankenland bekannt, dass „der Nationale Frankentag 2010 dieses Jahr erst im Spätsommer stattfinden wird“. Das Bündnis Nazistopp vermutet, dass die Verschiebung durch die Veröffentlichung von Zeit und Ort zustande kam. Die Neonazis witterten wohl Protest und sahen sich gezwungen einen Rückzieher zu machen. Da es Samstag wahrscheinlich dennoch eine Alternativveranstaltung auf der entsprechenden Wiese geben werde, werde das Bündnis trotzdem wachsam sein.
Von Lisa Doppler
Foto: Marek Peters