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Regelmäßig marschieren Neonazis im fränkischen Gräfenberg auf - doch eine wachsame Bürgerschaft wehrt sich. Doch jetzt - just am 8. Mai - schockiert eine neue Neonazi-Taktik die Gräfenberger Bürgerschaft. Neonazis versammelten sich demonstrativ auf einem Privatgrundstück. Auf folgende Reportage stießen wir in den Nürnberger Nachrichten:
Von Herbert Fuehr, Nürnberger Nachrichten
GRÄFENBERG - Die Neonazis terrorisieren Gräfenberg immer mehr. Auch einem Friedensfest zum 8. Mai, dem Jahrestag der Befreiung von der NS-Herrschaft, drückten sie zum Schluss noch ihren hässlichen Stempel auf.
Ihr Ziel ist die Provokation. Zunächst wollten die Rechtsextremisten die feierliche Übergabe einer Solidaritätserklärung, mit der über 300 evangelische Pfarrer den Widerstand der Gräfenberger Bürger gegen Rassismus und Antisemitismus unterstützen, durch eine Kundgebung stören. Die sagten sie ab, vermutlich, weil wegen des sensiblen Datums 8. Mai – für die Neonazis Tag des Untergangs des von ihnen verherrlichten Hitler-Regimes - ein Verbot durch das Landratsamt Forchheim drohte.
Dafür versammelten sich rund zwei Dutzend Ultrarechte unter der schwarz-weiß-roten Reichsflagge auf einem kurzfristig gepachteten Grundstück am Rand des Ortskerns. Auf dem etwa 1000 Quadratmeter großen, schwer einsehbaren und für die Öffentlichkeit unzugänglichen Hang-Areal wollen sie sich möglicherweise auf Dauer festsetzen.
Die Besitzerin hatte, wie Gräfenbergs Bürgermeister Werner Wolf erläuterte, der Stadt schon vor zwei Jahren das Grundstück für rund 80.000 Euro zum Kauf angeboten und gedroht, wenn die Kommune nicht zugreife, werde sie an die NPD verkaufen oder verpachten.
Nun hatte die NPD schon mehrfach mit dem Kauf von Immobilien gedroht, um den Preis zu manipulieren oder einfach nur Unruhe in Gemeinden zu tragen. In Gräfenberg könnte es nach Meinung von Wolf und des örtlichen Bürgerforums ernster sein.
Die Besitzer der Nachbargrundstücke jedenfalls haben berechtigte Angst vor den Neonazis in ihrem Vorgarten. Sie waren es auch, die am Freitagabend die Polizei darüber informierten, dass sich – offenbar unbemerkt von den Ordnungshütern – Neonazis versammelt hatten. Darunter der als gewaltbereit geltende Matthias Fischer. Auch der Nürnberger Stadtrat Sebastian Schmaus wurde gesehen, der am Donnerstag verurteilt worden war, weil er Fotos von Gegendemonstranten machte, die dann im Internet auftauchten.
Gesicht zeigen
Die Nachricht von dieser Zusammenrottung platzte in die Friedensfeier im und am alten Rathaus. Im Sitzungssaal hatten Initiator Karlheinz Häfner und Regionalbischof Stefan Ark Nitsche die Solidaritätserklärung von über 300 Pfarrern des Kirchenkreises Nürnberg überreicht. Niemand hatte mehr mit dem Auftreten der Neonazis gerechnet, und man wollte einfach noch beieinandersitzen. Aber dann zogen die Teilnehmer gemeinsam zu dem von den Rechtsextremisten gepachteten Grundstück, um Gesicht zu zeigen.
Für Regionalbischof Nitsche ist dieses Auftreten der Hitleristen ein weiterer Beweis dafür, wie wichtig es sei, den Widerstand der Gräfenberger Demokraten zu unterstützen. Der Bamberger Polizeidirektor Ludwig Herzing sprach von einer "neuen Qualität" der Neonazi-Auftritte, gegen die die Polizei wenig ausrichten könne, weil es sich um eine Privatveranstaltung handle. Man überlege aber schon Konsequenzen.
Michael Helmbrecht, Sprecher des Bürgerforums Gräfenberg, wertet den Auftritt als deutliches Signal: "Die Nazis wollen zeigen: Wir besetzen eure Stadt." Gräfenberg wird das Geld nicht ausgeben können und wollen, um das Grundstück zu kaufen. Und wenn die Rechtsextremisten es auch nur kurzzeitig pachten: "Zum Provozieren reicht es", sagt Helmbrecht. Schlimm genug.
Zum Originaltext in den Nürnberger Nachrichten vom 10.5.2009.