Rechtsextreme Geschäfte sind nicht nur für etablierte Neonazis ein Ort, an dem sie sich mit menschenverachtenden Accessoires eindecken können. Sie sind auch ein einfacher Rekrutierungspunkt für Nachwuchs. Kein Wunder, dass sich die Zivilgesellschaft gegen solche Läden wehrt - auf lange Sicht auch mit Erfolg.
Von Phillip Sammet
In Ostdeutschland gibt es ein breites Netz rechtsradikaler Infrastruktur. Ob in Wurzen bei Leipzig, in Chemnitz oder in Schwerin, in vielen Gegenden können sich die rechtsextremistischen Szenekaufläden nahezu ungestört entwickeln. Naziläden sind nicht nur festgesetzte rechtsextreme Vertriebsstrukturen, sie sind auch Umschlagplatz für Informationen und Rekrutierungsstellen für den Nachwuchs. Der ostdeutsche Markt ist so profitabel, dass selbst Geschäfte wie Armeeläden und Waffengeschäfte rechtsextreme Marken mit in ihr Verkaufsangebot aufnehmen.
Ein lukrativer Markt
In Westdeutschland konnten sich zum Beispiel in Bochum, Dortmund und Tostedt bei Hamburg ebenfalls rechtsextreme Szeneläden niederlassen. Eine “enorme Nachfrage“ nach Klamotten mit Neonazisymbolik bestehe vor allem bei Jugendlichen, sagt Rechtsextremismus-Experte Markus Birzer, Direktor der Schweriner Akademie für Politik, Wirtschaft und Kultur.
Lediglich in Rostock, Magdeburg und in Berlin-Mitte stoßen Neonazi Szeneläden aktuell auf heftigen, nachhaltigen Widerstand der Zivilgesellschaft. Dabei zeigt das zivilgesellschaftliche Engagement dort, dass nur langfristig ausgerichtete Aktionen zur Aufklärung und Mobilisierung der Öffentlichkeit wirksam sind und Erfolg versprechen - vor allem, wenn sie durch ein möglichst breites Bürgerbündnis organisiert werden.
Zum Beispiel Rostock
In Rostock gibt es eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Protestaktionen gegen den Nazi-Laden “East Coast Corner“ (ECC), der sich am Rande des studentischen und linksalternativen Stadtviertels Kröpeliner-Tor-Vorstadt (KTV) einnisten konnte. Seit Wochen werden die Betreiber um die Neonazis Thorsten de Vries und Torben Klebe mit unterschiedlichen Protesten gegen ihren Laden in der Doberaner Straße 48 in der Innenstadt konfrontiert. Der ECC gilt als der verlängerte Arm der NPD, die in der KTV bisher kaum Fuß fassen konnte. Die Betreiber stehen in engem Kontakt mit NPD-Landtagsabgeordneten Birger Lüssow und NPD-Fraktionschef Udo Pastörs. Von militanten Aktionen über Protestkundgebungen bis zu kulturellen Veranstaltungen, die Rostocker Zivilgesellschaft gibt nicht auf. Es werden immer mehr Proteste breiter Bürgerbündnisse wie “Schöner leben ohne Naziläden“ oder verschiedener Antifa-Gruppen angekündigt.
Das letzte unkonventionelle und medientaugliche Statement gegen den Naziladen kommt jedoch von zwei Rostocker Hip-Hop-Künstlern. Sie verfassten das Lied „Nazis verpisst euch“ und veröffentlichten es im Internet (Hörprobe auf:
www.myspace.com/dystyle). Die zwei jugendlichen Rostocker MCs, Dymon und Venom der Formation Dystyle Records, protestieren in ihrem Song mit kreativem und etwas provokantem Humor gegen den ECC. So heißt es beispielsweise in ihren Texten: “Mecklenburg-Vorpommern will schöner leben mit – anstatt Nazis – Dönerläden“.
Die Protestaktionen in Rostock sind so unterschiedlich wie die Zivilgesellschaft heterogen ist. Sie verfolgen allerdings ein und dasselbe Ziel. Katrin Zschau, DGB-Jugendreferentin, formuliert es folgendermaßen: “East Coast Corner gehört dichtgemacht.“ Dem Hausbesitzer allerdings sind nach eigenen Angaben für eine “kurzfristige Auflösung des Mietvertrages“ die Hände gebunden: „Aus juristischen Zwängen.“.
Zum Beispiel Magdeburg
Ähnlich wie in Rostock kam es aufgrund der Eröffnung des Naziladens “Narvik“ im Magdeburger Hundertwasserhaus “Grüne Zitadelle“ mitten in der Innenstadt zu einer Welle von Protestaktionen. Die Ausmaße des breiten öffentlichen Protestes veranlasste die Hausvermietung (Gero AG, eine Tochterfirma des katholischen Bistums Magdeburgs), dem Ladenbetreiber eine außerordentliche Kündigung auszusprechen. Ein Garant des Erfolges der Magdeburger Zivilgesellschaft war unter anderem das “Ausstellungs- und Informationszentrum“, das unter dem Motto “hingucken…denken…einmischen“ organisiert wurde. Der ökumenische Kreis unter Vorsitz des Bistums Magdeburg schaffte es unter der Mithilfe der Gero AG und der Unterstützung von einer Vielzahl von Akteuren und Organisationen im Hunderstwasserhaus selbst, ein Zentrum für neue Formen der Auseinandersetzung und Aufklärung mit dem Naziladen und seinem menschenverachtenden Weltbild zu etablieren. Die Betreiber des Naziladens zeigen sich relativ unbeeindruckt vom öffentlichen Druck der Bevölkerungsmehrheit. “Narvik“ bleibt bis auf weiteres geöffnet und die außerordentliche Kündigung ist auf Rechtswegen anfechtbar.
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www.mut-gegen-rechte-gewalt.de, 27.08.2007; Foto: Demonstration in Bielefeld