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Razzia bei der HDJ. Mit Folgen?

Am Morgen des 9. Oktober um  6 Uhr wurden in 14 Bundesländern Durchsuchungen und Beschlagnahmungen durchgeführt. Rund 100 Personen sind betroffen. Der Grund dafür: die Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ), ein neonazistisch ausgerichteter Jugendverband. In einer Pressemitteilung erklärte das Bundesinnenministerium, es gäbe Anhaltspunkte dafür, dass sich die HDJ gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Der Bund habe deshalb ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, was ein mögliches Verbot der HDJ nach sich ziehen könnte. Gefordert haben Experten dies schon lange, aber stets ohne Folgen. Vielleicht jetzt...

Von Antonia Oettingen

„Die entschlossene Bekämpfung des Rechtsextremismus ist Zeichen unserer wehrhaften Demokratie und wesentlich für den Erhalt unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Wir müssen vor allem wachsam sein gegenüber allen Bestrebungen, die Kinder und Jugendliche unter dem Deckmantel scheinbar unpolitischer Freizeitangebote anlocken, um sie dann mit nationalsozialistischem Gedankengut in die Irre zu führen. Dem gilt es entgegenzuwirken. Die heutigen Durchsuchungen sollen uns Klarheit darüber verschaffen, ob sich die HDJ in aggressiv–kämpferischer Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet oder ihre Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft. Wir werden dies sorgfältig prüfen“, so begründete Innen-Staatssekretär August Hanning die Durchsuchungen..

Vordergründig hat sich die HDJ ein  familien – und kinderfreundliches Image zugelegt, aber nur für den, der nicht hinter die Kulissen schauen kann. Denn im Kern geht es um die Verherrlichung von Naziunkultur und -Ideologie.  Kinder und Jugendliche werden mit Abenteuer-Zeltlagern gelockt. Die meisten Erzieher der HDJ sind ehemalige „Wiking-Jugend“ Mitglieder. 42 Jahre lang gab es die Wiking Jugend. Bis sie 1994 in Deutschland verboten wurde, auch Mecklenburgs NPD-Chef Udo Pastörs wurde mit durch solche Camps geprägt. Die Betreiber der HDJ haben allerdings aus dem Verbot der nazistischen Wiking-Gemeinschaft gelernt. Die Fachjournalistin Andrea Röpke beschreibt das so:

"Anders als der historische Vorläufer Hitlerjugend zielt die HDJ nicht darauf ab, zur nationalistischen Massenorganisation zu werden, denn die HDJ-Ideologen bekräftigen immer wieder den elitären Charakter ihrer Gruppe. Diese Strategie kommt nicht von ungefähr. Ein Blick auf die heutige Riege von Neonazi-Führern aus NPD und Kameradschaftsspektrum verrät: Die meisten von ihnen haben in der Vergangenheit die militante Schule der Wiking-Jugend durchlaufen – und die war elitär geprägt.Sie wollen keine Massenveranstaltung, sondern möchten elitär bleiben".

Das Angebot der HDJ richtet sich vorwiegend an Kinder und Jugendliche und ist auf eine generationsübergreifende und dauerhafte Einbindung in die rechtsextreme  Szene ausgerichtet.
Einschlägig bekannte Neonazis schulen Kinder und Jugendliche. Fächer wie Menschenführung, Rhetorik und Lagersicherheit stehen ganz oben im HDJ-Lehrplan. Eine Pizza wird zum „Gemüsekuchen“ und das Internet zum „Weltnetz“. Die Jugendlichen lernen in Parolen zu sprechen, wie zum Beispiel „Mein Glaube ist der Kampf“. Neben dem ideologischen Drill können Jugendliche offenbar auch - "ganz praxisnah"- den Umgang mit Waffen üben. Die von der HDJ organisierten Ferienlager funktionieren nach soldatischen Erziehungsmaßnahmen. So wird  zum Beispiel von 150 Kilometer-Märschen berichtet. Das Programm: Strammstehen, Frühsport und Gewaltmärsche mit Gepäck. Mit einem Appell beginnt jeder Tag. Schließlich wollen die HDJ-Kader den Jugendlichen „ein Leben mit Tradition und Werten“ für ein „unabhängiges Deutschland“ anhand von „körperlicher und geistiger Lebensführung“ beibringen. Die Aussteigerin Tanja P. sagt es deutlicher: „Die Kinder werden dort vorbereitet auf den zu erwarteten Straßenkampf, auf Demonstrationen.“

Bislang nur Tragen der "Kluft" verboten


Es bestehen eindeutige Parallelen zwischen der Wiking Jugend und der HDJ, dennoch wurde die Neonaziorganisation bis jetzt nicht verboten. Zwar wurde das Tragen der sogenannten „Kluft“ untersagt, was lediglich eine Welle von Spott und Höhn von Seiten der Neonazis auslöste, aber ein Verbot der HDJ blieb bisher aus. Anfang August 2008 hatte die Polizei  nach Hinweisen aus der Bevölkerung ein Ferienlager der HDJ in der Nähe der Gemeinde Hohen Sprenz (Kreis Güstrow) aufgelöst. Nach Polizeiangaben umfasste das auf einem Privatgelände errichtete Camp 14 Zelte. In dem Lager hätten 39 Jungen und Mädchen zwischen acht und 14 Jahren unter Anleitung von rund 50 Erwachsenen Verhaltensweisen und Lebensformen des Nationalsozialismus praktiziert, teilte die Polizei mit.

Die Verbreitung rechtsextremistischer Inhalte habe zum Tagesablauf des Camps gehört. Die Kinder seien mit nationalistischem Gedankengut "regelrecht beschult" worden. Zudem fand die Polizei Geschirrhandtücher, Schriftstücke, Liedtexte und Tagebücher mit Hakenkreuzen.

Erst im Mai hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) mehrere rechtsextreme Vereine verboten. Betroffen waren das "Collegium Humanum" in Vlotho mit der Teilorganisation "Bauernhilfe e.V." sowie der "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten (VRBHV)". Seit 1992 wurden vom Bundesinnenminister und seinen Länderkollegen Verbote gegen mehr als 20 rechtsextremistische Vereine ausgesprochen.

Wie es sein kann, dass die HDJ sich problemlos weiter ausbreiten und Kinder und Jugendliche für ihren kriminellen Zweck rekrutieren konnte, fragt sich so manch einer schon lange. Demnach liegt ein Verbotsantrag der Grünen dem Ministerium schon seit Anfang Juli vor. Im Bundestag darüber diskutiert wurde erst kürzlich.

Nun hofft man, dass die Razzien vom 9.10. ein rasches HDJ – Verbot nach sich zieht. Jedoch wussten Gerüchten zufolge einige Redaktionen von der geplanten Razzia, was nicht ausschließen lässt das Neonazis ebenso von der Aktion Wind bekommen haben und die Beweislage bereinigt haben.


Braune Parallelwelten: Was ist die HDJ, Ein Hintergrundbericht von Andrea Röpke

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk

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Blaulicht und Polizeiwagen