Am Dienstag, dem 21. Oktober 2008 begann vor dem Jugendrichter des Amtsgerichts Halberstadt der Prozess wegen eines brutalen Angriffs auf zwei irakische Flüchtlinge. Das Verfahren ist der Hartnäckigkeit einer Anwältin zu verdanken. Die Staatsanwaltschaft hatte kein Interesse gezeigt - offenbar bis heute.
Vor mehr als eineinhalb Jahren, am 3. April 2007, wurden zwei irakische Flüchtlinge im Bereich des Fischmarktes in der Halberstädter Innenstadt gegen 2 Uhr morgens unvermittelt von drei Männern als „Kanacken“ beschimpft. Als die Iraker weitergingen, wurden sie von dem Trio verfolgt. Einer der beiden Iraker, der aufgrund einer Gehbehinderung nicht schnell genug weglaufen konnte, wurde bald von seinen Verfolgern eingeholt und mit einem Tritt in den Rücken zu Fall gebracht. Mit einem so genannten „Totschläger“ schlug dann einer der Angreifer auf den am Boden liegenden Betroffenen ein, während die beiden anderen Angreifer auf den Betroffenen eintraten.
Als sein Begleiter ihm helfen wollte, wurde auch er von der Gruppe angegriffen. Daraufhin versuchte der andere Betroffene, seinen Bekannten wegzuziehen, doch plötzlich ging einer der Angreifer mit einem Messer auf den Flüchtling los. Eine Ausweichbewegung verhinderte schlimmeres: die Klinge traf den Betroffenen lediglich an einer Hand. In diesem Moment trafen Polizeibeamte ein, die die Angreifer nach kurzer Verfolgungsjagd vorläufig festnahmen - drei heute 18-, 20- und 23-jährige. Eins ihrer Opfer erlitt durch den Angriff erhebliche Verletzungen an Kopf, Brustkorb, Rippen, Becken und im Genitalbereich sowie eine blutende Schnittverletzung.
Kuriosum: Verfahren mangels Tatverdacht eingestellt
Obwohl alle drei Tatverdächtigen noch vor Ort von der Polizei festgestellt wurden, stellte die Staatsanwaltschaft Halberstadt Mitte September 2007 das Ermittlungsverfahren „mangels hinreichenden Tatverdachts“ ein. Die Betroffenen wurden darüber nicht informiert. Erst nachdem die Rechtsanwältin eines der Betroffenen Mitte Januar 2008 Akteneinsicht beantragte, wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Ende April 2008 erhob die Staatsanwaltschaft schließlich Anklage gegen alle drei Beschuldigten.
In ihrer Stellungnahme sprach sich die Staatsanwaltschaft gegen eine Beiordnung der Rechtsanwältin für den Betroffenen und Nebenkläger aus, da die Sache keine großen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten aufweise. Der zuständige Jugendrichter lehnte schließlich die Beiordnung ab: Der Betroffene könne seine Rechte ohne anwaltlichen Beistand wahrnehmen, so die Begründung des Richters. Sowohl Gericht als auch Staatsanwaltschaft ist bekannt, dass der Betroffene während des Angriffs Todesängste ausstehen musste, sich wegen seiner Traumatisierung in psychologischer Behandlung befindet und zudem aufgrund seiner Schwerbehinderung auf starke Schmerzmittel angewiesen ist – mithin genau nicht in der Lage ist, seine Interessen vor Gericht selbst zu vertreten.
Angriff unter den Teppich kehren?
„Ganz offensichtlich will die Staatsanwaltschaft Halberstadt hier einen schweren rassistischen Angriff einfach unter den Teppich kehren“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Erst wird das Verfahren gegen die Tatverdächtigen sang- und klanglos eingestellt und dann auch noch gegen die rechtliche Vertretung des Betroffenen argumentiert, deren Tätigwerden offenbar überhaupt erst zur Wiederaufnahme des Verfahrens führte“, kritisiert eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung.
Bisher ist für den Prozess nur ein Verhandlungstag vorgesehen. Neben den zwei Betroffenen sind fünf weitere Zeugen geladen.
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Wittenberg: Polizeibeamte wegen Strafvereitelung im Amt vor Gericht
Bereits am Montag wurde am Amtsgericht Wittenberg gegen zwei Polizeibeamte verhandelt. Den Männern wird Strafvereitelung im Amt vorgeworfen, weil sie die Aufnahme einer Anzeige gegen einen Rechtsextremisten in Gräfenhainichen verweigert haben sollen. Am Neujahrsmorgen 2008 hatten Anwohner die Polizei alarmiert, nachdem sie aus einer Wohnung in der Innenstadt Sieg Heil -Rufe und andere Nazi-Parolen gehört hatten. Die Polizeidirektion bestätigte dem Dessauer Projekt gegenPart , dass wenige Minuten später Beamte vor Ort waren, da sie jedoch nichts hörten, suchten sie die Wohnung allerdings nicht auf...
Mehr unter: www.projektgegenpart.org
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk