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Mügelner Normalität

In der Nacht von Freitag auf Samstag kam es zu Ausschreitungen vor dem Vereinsheim des antirassistischen Vive le Courage e.V., wo an diesem Abend eine Veranstaltung stattfand. Der Staatsschutz hat Ermittlungen wegen Landfriedenbruchs und verfassungsfeindlicher Parolen aufgenommen.
 
Eine verhältnismäßig unscheinbare Neonaziszene habe die Kleinstadt Mügeln, lässt die zuständige Polizeidirektion verlautbaren. Schiebt allerdings direkt nach, dass es fatal wäre diese zu leugnen. Mügeln sei aber kein Schwerpunkt rechtsextremer Aktivitäten, es gebe nicht mehr Rechtsextremismus als anderswo. Es scheint ein Teil der Normalität zu sein. Was für eine Normalität das ist zeigte sich mal wieder am vergangenen Wochenende.
 
Nach Angaben der Polizei versammelten sich, am Abend des vergangenen Freitags, 30 bis 40 Personen vor dem Haus des Vive le Courage e.V., in der Ernst-Thälmann-Straße. Zunächst waren „Sieg Heil“ Rufe und andere verfassungsfeindliche Parolen zu hören. Anschließend wurden Feuerwerkskörper und Flaschen in Richtung des Vereinsgebäudes geschleudert. Augenzeugen berichten weiterhin, dass Waffen, wie Elektroschocker, Teleskopschlagstöcke und Ketten von den Neonazis mitgeführt und in Drohgebärden gezeigt wurden. (Spendenaufruf des Opferfonds CURA für Vive le Courage)
 
Die von Seiten des Vereins alarmierte Polizei zog nach und nach Einsatzkräfte aus umliegenden Revieren zusammen. Sogar eine Hundestaffel war nötig um die Neonazis in Schach zu halten. So gelang es den Polizisten die Vereinsräume zu schützen. Durch Platzverweise konnte die Situation vor Ort geklärt werden. Eine Person wurde vorübergehend in Gewahrsam genommen und von weiteren Personen wurden Personalien aufgenommen. Die Ermittlungen des Staatsschutzes wegen verfassungsfeindlicher Parolen und dem Verdacht auf Landfriedensbruch dauern an. Die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung wurden aus Sicherheitsgründen mit Polizeibussen nach Hause gebracht. Verhindert werden konnte trotzdem nicht, dass ein Besucher noch am selben Abend von einem Neonazi angegriffen wurde.
 
Die Veranstaltung eines Vereins, der sich gegen Rassismus, Sexismus und Feindlichkeit gegen Schwule und Lesben engagiert, wird von vierzig Neonazis angegriffen. Einer der Besucher wird von einem Neonazi attackiert. Ein weiterer furchtbarer Übergriff in einem Ort, der durch die Hetzjagd auf Bürger indischer Herkunft Berühmtheit erlangte. Trotz alledem kein Schwerpunkt rechtsextremer Aktivitäten. Eben Normalität, wie in anderen Teilen Deutschlands. So wie es nichts Besonderes ist, dass 10,1 Prozent der Bürgerinnen und Bürger bei der Landtagswahl am Sonntag der NPD ihre Stimme gaben. Vielleicht ist so zu verstehen, dass Mügelns Bürgermeister Gotthard Deuse gegenüber der ddp geäußert hat, dass er für die Veranstaltung eines antirassistischen Konzerts des Vive le Courage keinen Anlass sehe.
 
Doch es gibt Menschen die diese Normalität nicht akzeptieren wollen. Seit über einem Jahr ist der Verein „Vive le Courage“ engagiert und bietet mit dem angemieteten Vereinshaus nichtrechten Jugendlichen Raum zum Austausch. Auch das Konzert konnte letztendlich stattfinden. In der Nachbargemeinde.
 

Mehr über die Hetzjagd von Mügeln

Kommentar zur  Absage des antirassistischen Konzerts

Interview mit Susan Anger vom Vive le Courage e.V. (netz-gegen-nazis.de)

Mehr über Mügelns Bürgermeister Gotthard Deuse (spiegel.de)

Mügelns Bürgermeister gegen Ausgrenzung der NPD im Kreistag (NPD-BLOG.info)

Homepage des Vive le Courage e.V.

Spendenaufruf des Opferfonds CURA für Vive le Courage

 

Text: Martin Hünemann Photo: akubiz e.V.

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Spontane Demonstration nach der Hetzjagd 2007 Photo: akubiz e.V.