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Neonazis marschierten durch Hellersdorf - Bürger schauten weg

Knapp über 350 Neonazis zogen am 18.10. nahezu ohne Gegenwehr durch Berlin Marzahn-Hellersdorf. Sie forderten einen "gnadenlosen Umgang" mit Kinderschändern und  trugen Plakate und Transparente mit Aufschriften wie „Todesstrafe für Kinderschänder“ - eine beliebte Neonazi-Formel um Verachtung für das Grundgesetz auszudrücken, das die Todesstrafe nicht vorsieht. 

Dass aber ausgerechnet diese Formel immer wieder propagandistisch von Rechtsextremen benutzt wird, hat auch zwei weitere denkbare Gründe. Entweder sind unter den Reihen der Neonazis besonders viele Jugendliche, die Missbrauch in ihrer eigenen Kindheit erlitten haben - oder solche, die selbst Gewalt gegen Kinder ausüben und sich auf diese Weise als Biedermänner tarnen. Experten schließen beides nicht aus.

Angemeldet wurde der Aufmarsch vom Wochenende in Berlin von einer NPD-Funktionärin, die sich nach eigenen Angaben als Betroffene ausgab, weil ihr Sohn missbraucht worden sein soll. Der Landesverband der NPD, der die Demo zunächst angemeldet hatte, hatte sich aber später wieder zurückgezogen. Die Gründe für diesen innerparteilichen Zwist, so berichtet der Berliner Tagesspiegel  "sind unklar".

Magerer Gegenprotest

Zwar hatte die Partei "Die Linke" zu zwei  Gegendemonstrationen am Rathaus Marzahn und am U-Bahnhof Hellersdorf aufgerufen, aber es nahmen jeweils kaum mehr als 150 Menschen teil.  Da mehrere Hundertschaften der Polizei rigoros den sieben Kilometer langen Marsch der braunen Szene abschirmten, gelang es den wenigen Gegendemonstranten auch nicht, diesen zu blockieren.
Nazis mit Rückenaufschrift
Nazis mit Rückenaufschrift

Unter den rechten Demonstranten befand sich ein aus etwa 70 gewaltbereiten Neonazis bestehender schwarzer Block, von denen viele aus Hamburg angereist waren. Dieser Block war nach Angaben der Polizeiführung „hoch aggressiv“ und wurde deshalb massiv seitlich von Polizisten  begleitet.

Anfang September hatten Neonazis in Leipzig auf ähnliche Weise menschenverachtend Stimmung gemacht. Dabei hatten sie sich den Aufruf einer Elterninitiative zunutze gemacht, die aus Anlass der Ermordung der achtjährigen Michelle zu einer Kundgebung aufgerufen hatte. Es kamen Anwohner, Eltern mit ihren Kindern und etwa 300 Rechtsradikale mit scharzen Fahnen und Fackeln. Auf Bannern  war "Nationaler Sozialismus" und "Todesstrafe für Kinderschänder" geschrieben. Doch sowohl die Eltern von Michelle als auch die Elterninitiative distanzierten sich anschließend von der Neonazispropaganda.

Bundesweit am 18.10. und 19.10. mehrfacher Protest gegen Neonazis

Weiteren Protest gegen Neonazis gab es am Wochenende u.a. in Magdeburg, Dresden und Bochum. In Magdeburg erinnerten rund 150 Demonstranten an den 20jährigen Rick L. Dieser war in der Nacht zum 17. August in der Nähe der Magdeburger Diskothek 'Funpark' vom gleichaltrigen Rechtsextremisten Bastian O. ermordet worden, ohne dass Polizei und lokale Medien dies groß thematisierten. Ebenfalls am Sonnabend demonstrierten mehr als 1000 Bürger unter dem Motto 'Den Nazis Dampf machen! – Gegen Naziläden und Rassismus!' in Dresden. Sie forderten die Schließung des am Ferdinandplatz gelegenen 'Thor Steinar'-Shops 'Larvik' und protestierten gegen sich häufende rassistischen Übergriffe.
In  Bochum wurde an ein weiteres Neonaziopfer erinnerten rund 60 Antifaschisten an Josef Anton Gera. Der Rentner war wegen seiner Homosexualität am 14. Oktober 1997 von zwei Rechtsradikalen derart brutal zusammengeschlagen worden, daß er zwei Tage später seinen Verletzungen erlag. (Quellen: Tagesspiegel, Augenzeugen, Junge Welt).

DAZU: Rechtsextremer Kinderschänder? (endstation-rechts.de, 22.10.2008)http://endstation-rechts.de/index.php?option=com_content&view=article&id...

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Fotos: Oliver Krumes

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neonazis in berlin mit Transparent "Härteste Strafen für Kinderschänder"