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"Brutalstmöglicher Populismus": Wie Roland Koch & BILD Rassismus fördern

Hand in Hand mit der BILD-Zeitung hat Hessens Ministerpräsident Roland Koch nach Weihnachten auf ein altbewährtes Mittel zurückgegriffen, um Wahlkämpfe zu gewinnen: Ausländerfeindlichkeit. Das Blatt huldigte am Tag nach Weihnachten Koch als "ersten Politiker", der "Klartext" rede mit der Titelschlagzeile: "Wir haben zu viele junge kriminelle Ausländer!" Nach erster Kritik legte Koch sogar nach: "Nur weil Wahlkampf" sei, lasse er das Thema nicht zum Tabu erklären, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) am 29.12.2007. Kochs Ziel scheint damit erreicht: Ende Januar wird in Hessen gewählt und die dortige CDU schwächelt. Koch möchte daher unbedingt wieder in die Schlagzeilen. Und Ausländerfeinlichkeit hat ihm schon einmal zum Wahlsieg verholfen...

SPD, FDP und Grünen werfen ihm vor, den Überfall zweier junger Ausländer auf einen Münchner Rentner für den Landtagswahlkampf in Hessen auszuschlachten. SPD-Vize Frank-Walter Steinmeier sagte in Anspielung auf Koch, der in der hessischen CDU- Spendenaffäre "brutalstmögliche Aufklärung" zugesichert hatte: Die jetzigen Bemerkungen seien "brutalstmöglicher Populismus". Beifall bekam Koch von rechtsextremen Republikanern.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla erklärte, Koch habe die volle Unterstützung der Partei. "Der Rechtsstaat muss wachsam bleiben und, wenn erforderlich, gesetzlich nachjustieren. (...) Wenn unter den jugendlichen Straftätern überproportional viele Ausländer zu finden sind, dürfen Staat und Politik nicht darüber hinwegsehen."

Nach einer vom "Spiegel" in Auftrag gegebenen Umfrage des Düsseldorfer Meinungsforschungsinstituts Advanced Market Research könnte Koch bei der Landtagswahl am 27. Januar seine Regierungsmehrheit verlieren. In seiner Wahlkampf-Not greife Koch "wieder gnadenlos in die alte Kiste der Ausländerfeindlichkeit", sagte SPD-Bundestagsfraktionsvize Ludwig Stiegler der "Passauer Neuen Presse". Auch Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte dem Blatt, Koch versuche, "sein landespolitisches Scheitern durch Ausschlachtung dieses schlimmen Vorfalls zu überspielen".

Koch: SPD und Grüne seien verantwortlich

Koch hatte 1999 mit einer Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft überraschend die hessische Landtagswahl gewonnen. Pofalla warnte Politiker von SPD und Grünen, sie sollten eine nötige Debatte nicht mit dem "absurden Argument" der Ausländerfeindlichkeit abwürgen.

Der Anlass für Kochs Vorstoß

Ein 17-jähriger Grieche und ein 20-jähriger Türke hatten vor einer Woche einen 76-Jährigen zusammengeschlagen, nachdem dieser sie in der U-Bahn gebeten hatte, nicht zu rauchen. Koch hatte den Überfall zum Anlass genommen, via BILD über "zu viele kriminelle junge Ausländer" in Deutschland zu klagen und die bisherige Integrationspolitik als falsch zu geißeln. BILD setzte Koch damit in großen Lettern auf den Titel, der Mord an der Pakistanischen Politikerin Bhutto dagegen wurde nur in einem kleinen Kästchen gemeldet.

In dem BILD-Interview sprach sich Koch dafür aus, dass Kriminelle im Alter zwischen 18 und 21 Jahren in der Regel als Erwachsene behandelt werden und nicht mehr als Jugendliche. Der "FAS" sagte er: "Die Sozialdemokraten tragen die Verantwortung dafür, dass in den 80er und 90er Jahren nicht konsequent gegen ausländische jugendliche Kriminelle vorgegangen wurde." Die Union habe im Bundesrat viele Vorschläge für ein effektiveres und härteres Jugendstrafrecht gemacht. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) "hat sie alle verhindert", so Koch.

Streitpunkt Jugendstrafrecht

Eine Zypries-Sprecherin sagte dazu am Samstag, Verschärfungen im Jugendstrafrecht seien Gegenstand der Koalitionsverhandlungen 2005 gewesen. Man sei sich einig gewesen, dass solche Verschärfungen nicht angezeigt seien - mit Ausnahme der Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Jugendlichen. Diese habe Zypries auf den Weg gebracht, ein Gesetzentwurf liege dem Bundestag vor und solle im ersten Quartal 2008 in Kraft treten. Die Ministerin selbst nannte es in der "Frankfurter Rundschau" unseriös, den Eindruck zu erwecken, Jugendstrafrecht sei nichts anderes als "Kuschelpädagogik".

Steinmeier sagte der "Bild am Sonntag", Richter hätten scharfe Instrumente. Koch solle sich lieber um die rechtzeitige Integration ausländischer Jugendlicher kümmern. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) betonte in der "Berliner Zeitung", die zentrale Frage sei, welche Perspektive Deutschland einem 18-Jährigen biete, der mit Mühe seinen Hauptschulabschluss geschafft habe. "Ich finde, es bietet keine." Es gebe eine Bereitschaft, Konflikte mit Gewalt auszutragen oder durch Raub am Wohlstand der Gesellschaft teilzuhaben. Dies betreffe nicht nur Familien von Migranten. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) wandet sich indessen gegen eine rasche Ausweisung der beiden Tatverdächtigen aus München. Erst sollten die beiden Inhaftierten ihre zu erwartenden mehrjährigen Haftstrafen absitzen, sagte sie dem Magazin "Focus".

BILD und Koch setzten ihre Kampagne indessen fort - mit dem schlagzeilenträchtigen Echo, auf das sie offensichtlich gezielt gesetzt haben. (z. B.NDR-ZAPP 9.1. , MUT 9.1., taz.de 8.1., spiegel.de 4.1.2008 >klick)


Siehe auch: Leser-Karikatur zum NPD-Wahlkampf in Hessen

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de

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