Gut 100 Menschen haben am frühen Samstagmorgen in Berlin-Lichtenberg gegen eine Mahnwache der rechtsextremen Kameradschaft "Frontbann 24" protestiert. Die Neonazis wollten gegen einen neu eröffneten Hanfladen in der Nähe einer Schule im "Weitling-Kiez" Stimmung machen. Das ist ihnen gründlich misslungen: Inhalte kamen überhaupt nicht rüber und den knapp 30 "Kameraden“ war sichtlich langweilig. Ein Bericht.
Es ist Samstag, 7:30 Uhr, es ist grau und es regnet. Und trotzdem stehen an die 100 Menschen am S-Bahnhof Lichtenberg um gegen die Mahnwache der Neonazis zu demonstrieren. Genau aus diesem Grunde ruft die Veranstalterin des Gegenprotest, Evrim Baba (Linke), stolz ins Mikrofon: „Es ist egal, an welchem Ort oder um welche Uhrzeit die Neonazis eine Veranstaltung durchführten – es werden immer Gegendemonstranten da sein!“. Baba wendet sich in ihrem Redebeitrag aber auch gegen jeden Versuch der Rechtsextremisten, sensible Themen wie Drogen oder Kindesmissbrauch für ihre braune Propaganda zu missbrauchen. Auch die Bürgermeisterin des Bezirks Lichtenberg, Christina Emmerich (Linke), verspricht den Neonazis, man werde sie nicht in Ruhe lassen und ruft den Rechtsextremisten entgegen: Lichtenberg sei "kein Ort für Neonazis“. Frau Emmerich wiederholt auch die Forderung nach einem Verbot der NPD und der rechtsextremen Kameradschaften- ähnlich wie Hans Coppi, Vorsitzender der Berliner VVN, der außerdem mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen betont, dass „nach wie vor eine Bedrohung von der NPD“ ausgehe. Zwischen den Redebeiträgen der Politiker und Engagierten läuft immer wieder Musik, die Gegendemonstranten sind guter Dinge.
Und die Neonazis? Kein einziges Transparent, kein einziges Flugblatt weist darauf hin, wofür oder wogegen sie ihre Mahnwache organisiert haben. Den einzigen Redebeitrag, der auf der rechtsextremen Veranstaltung gehalten wird, kann man außerdem fast gar nicht verstehen- auch, weil von der Gegenkundgebung laute Musik herüberdröhnt. Und: Kaum ein Passant interessiert sich für das Anliegen der Neonazis- die Allermeisten laufen schnell an den Absperrungen vorbei in Richtung Bahnhof. Aber den Rechtsextremen geht es vermutlich auch nicht wirklich um den kleinen Hanfladen und den Schutz von Schülern vor Drogen. Wie auch- bei einer Razzia gegen die Neonazi-Organisation Mitte August waren neben Ansteckern mit Hakenkreuzen und Schlagringen auch Betäubungsmittel beschlagnahmt worden. Vielmehr ist die Mahnwache wohl eher eine der zahlreichen Selbstinszenierungen der rechtsextremen. Die Berliner und Brandenburger Neonazis lassen jedenfalls kaum ein Klischee aus: Neben bulligen Typen, mit Glatze und Rocker-Ziegenbart gab es Teilnehmer mit "Thor Steinar "-Kleidung, "Skrewdriver"- und ""Good night, left side" -T-Shirts ebenso wie Neonazis, die mit Sonnenbrillen (zur Erinnerung: es ist grau und regnet) und schwarzem Basecaps das Aussehen linker Autonomer zu kopieren versuchen. Dazu Sticker mit Aufschriften wie "Gelobt sei unser Vaterland" und "Weiße Pracht" und natürlich viel Schwarz-Weiß-Rot und viele Reichsadler. Das Ganze erinnert mehr an ein Nazi-Casting als an eine ernst zu nehmende Veranstaltung. Den Neonazis steht dabei die Langeweile ins Gesicht geschrieben. Nach Beendigung der Veranstaltung wollen sie dann noch nach Neuruppin reisen– dort solle mit Schwarz-Weiss-Rot und Reichsadler gegen „Krieg und Imperialismus“ demonstriert werden. Wieder so eine bizarre Selbstinszenierung der Neonazis.
Text & Foto Joachim Wolf