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Freiheit statt Nazis

Am 12. September werden in Berlin wieder tausende Menschen für „Freiheit statt Angst“ demonstrieren. Besonders die im Internet beliebten "Zensur"-Diskurse bieten eine Anschlussfähigkeit für das "Meinungsfreiheits"-Gezeter von Neonazis und Antisemiten.

 
Demokratie und Menschenrechte, Meinungs- und Informationsfreiheit, Freiheit der Medien und der Respekt vor Privatsphäre als ein wichtiger Teil unserer Menschenwürde gehört wirklich nicht zu den Tugenden, die den Rechtsextremismus oder Antisemitismus prägen. Ganz im Gegenteil. Trotzdem bieten die „Freiheit statt Angst“ Demonstrationen am kommenden Samstag (13.00 Uhr Rotes Rathaus und 15.00 Uhr Potsdamer Platz) für Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker ein „Rebellionspotential“, in das sie einzutauchen versuchen. Unter die Anti-Atom-Demonstration des vorigen Samstags mischte sich bereits eine Gruppe Autonomer Nationalisten. Wenn es noch dazu um Überwachung geht, steht die Tür für Freunde der antisemitischen Verschwörungstheorien offen.
 
Holocaustlegnung ist keine Meinungsfreiheit
Der Hass von Neonazis und Antisemiten wird meist – trifft er auf Widerspruch – als „Meinungsfreiheit“ deklariert – was er aber nicht ist. Die Leugnung und die Relativierung der deutschen Verbrechen und die Glorifizierung von Taten sowie Täterinnen und Tätern des Nationalsozialismus bewegen sich außerhalb dieser Meinungsfreiheit. Sie sind Leugnung historischer Tatsachen, mit dem Ziel bruchlos stolz auf Deutschland und seine Geschichte sein zu können. Das führt zwangsläufig zu einer Abwertung der Opfer und dem Hass auf die Überlebenden und ihre Nachkommen, die heute an den Massenmord von damals erinnern. Auch jenseits dessen, dass eine solche Verkehrung der Geschichte nach § 130 StGB als Volksverhetzung strafbar ist, ist die Leugnung von allein sechs Milionen ermorderter Juden und Jüdinnen moralisch kategorisch abzulehnen und kann sich nicht dadurch verstecken, dass es eben eine „Meinung“ sei.
 
„Wir haben keinen Bock auf Nazis“
Die Neonazis, die sich selbst gerne als „Dissidenten und Kritiker“ sehen, fühlen sich zu unrecht kriminalisiert. In einer Nachbesprechung der „Freiheit statt Angst“-Demonstration 2008 heißt auf einem einschlägigen Neonaziportal dementsprechend „die Bundesrepublik [ist] einer der wenigen Staaten, die sich eine Demokratie nennen, aber Dissidenten und Kritiker wegen ihrer Ansichten für mehrere Jahre hinter Gitter sperren.“ So sehen sie es auch als Widerspruch zum Inhalt der Demo, dass sie von der Bühne explizit aufgefordert wurden, die Demo zu verlassen. Der Anmelder der letzten Demonstration, Ricardo Cristof Remmert-Fontes, wird beschuldigt, ihr Anliegen „mit aller Macht zu sabotieren“. Auf Nachfrage von MUT hat er das auch in diesem Jahr vor, wenn seine Demonstration um 13.00 Uhr startet: „Wir haben keinen Bock auf Nazis und werden darauf zu Beginn der Demonstration auch hinweisen“. Remmert-Fontes wurde nach der Demonstration 2008 in Pankow von Neonazis gewalttätig angegriffen und setzt deshalb in diesem Jahr erst recht auf die Zusammenarbeit mit der Polizei, sollten sich Neonazis unter die Demoteilnehmenden mischen. Doch „viele Neonazis werden es sicher nicht sein, da die Szene am Samstag für eine rechtsextreme Demonstration in Hannover und das „Fest der Völker“ in Pößneck mobilisiert“, so Malte Spitz, der für Bündnis 90/Die Grünen zur 15.00 Uhr Demonstration am Potsdamer Platz aufruft. Dem zugehörigen Aktionsbüro ist bekannt, dass das „Freiheit statt Angst“-Eselsohr auf auf Neonaziwebsites verwendet würde und man deshalb „Sicherheitstechnische Maßnahmen“ vorbereite.
 
Auf beiden Demonstrationen sollen die Ordner und Polizei darauf hingewiesen werden, wenn sich Neonazis in den Demonstrationszug mischen. Auch eine kleine Gruppe demokratischer Demonstrierender kann durch lautstarken Protest auf Neonazis aufmerksam machen. Denn wer sich für ein vermeintlich richtiges Anliegen mit Neonazis gemein macht, verspielt damit moralisch und politisch seine Glaubwürdigkeit.
 
 
Foto: Screenshot einer Neonaziwebsite mit dem „Freiheit statt Angst“-Eselsohr; Text: Martin Hünemann & Sebastian Brux
 

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Freiheit statt Angst ohne Nazis