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Am Dienstag früh, den 30. Juni um 2 Uhr nachts, wurde ein Flüchtling namens Azad Murad Hadji aus dem Irak angegriffen und bei lebendigem Leib angezündet als er um das Gelände des Flüchtlingslagers in Möhlau ging. Das war eine erste Vermutung. Danach gabe es Indizien, dass das Opfer bei einem Imbissbrand in Dessau verletzt wurde. Ob nach einem Anschlag oder durch eigenen Verschulden ist unbekannt. Das Lager Möhlau liegt isoliert im Wald und ist für die Bewohner keineswegs eine Idylle. Dies wäre nicht der erste rassistische Überfall in Möhlau, meldet die örtliche Flüchtlingsinitiative. Die genauen Umstände bleiben aber ungeklärt.
Der 28-jährige Iraker Azad Murad Hadji wurde in ein Krankenhaus nach Bitterfeld gebracht und am Dienstag von dort in die Spezialklinik "Bergmannstrost" nach Halle verlegt. Dort liegt er nach Auskunft der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost im künstlichen Koma und konnte deshalb immer noch nicht befragt werden. Die Polizei stieß allerdings zeitgleich auch auf einen ausgebrannten Imbiss in Halle-Roßlau, der durch einen Brandbeschleuniger in Flammen aufgegangen sei. Dort seinen Spuren des Irakers gefunden worden. Ob als Täter oder Opfer, sei unklar. Polizei und Staatsanwaltschaft teilten der Mitteldeutschen Zeitung am Freitagabend mit, Spuren des 28-Jährigen seien in dem ausgebrannten Döner-Imbiss im Ortsteil Roßlau gefunden worden. Die Explosion hatte sich eine halbe Stunde vor der Ankunft des Irakers in Möhlau ereignet. Laut Polizei war sie vorsätzlich mit Brandbeschleuniger herbeigeführt worden. Rückschlüsse darauf, ob der 28-Jährige selbst das Feuer gelegt hat oder aus anderem Grund davon betroffen war, lasse der vorläufige Ermittlungsstand noch nicht zu, so Polizeisprecher Ralf Moritz. Ein politischer Hintergrund sei derzeit nicht erkennbar. Im Asylbewerberheim in Möhlau hatten die Verbrennungen des Irakers für Angst vor fremdenfeindlichen Übergriffen gesorgt, zumal der Verletzte seiner Frau gesagt haben soll, er sei von Nazis "fertig gemacht worden".
Die Flüchtlingsinitiative Möhlau berichtete auch von vorherigen Angriffen. Auch Kinder seien gelegentlich auf Jugendliche gestoßen, die sich im Wald versteckten. Die Flüchtlinge und ihre Kinder im Lager in Möhlau fühlen sich isoliert, bedroht und nun besonders traumatisiert.
Die panische Stimmung belaste ihr Leben Tag für Tag, teilte ein Sprecher der Initiative der MUT-Redaktion mit, denn "die bittere Wahrheit ist - er hat gebrannt", alle 180 Bewohner des Heims seien schockiert. Die Flüchtlingsinitiative Möhlau fordert schon länger die sofortige Schließung des Lagers, das vollständig isoliert ist und keinerlei Schutz für harmlose Flüchtlinge bietet. Es gebe zwar ein bis zwei Nachtwächter im Gebäude, aber nicht in der Umgebung.
Das tief im Wald gelegene Flüchtlingsheim ist in einem Plattenbau in einer ehemaligen russischen Kaserne untergebracht. Einige Bewohner müssen schon seit 15 Jahren hier leben. Eine kulturelle Anbindung finde nicht statt, klagen die Berater der Mobilen Opferberatung Marco Steckel und Razak Minhel vom Dessauer Multikulturellen Zentrum: Die Unterbringung sollte endlich "dezentral" gelöst werden. Seit Wochen sammeln die Bewohner bereits Unterschriften für einen offenen Brief, in dem sie sich über ihre Lebensumstände beklagen, für den 11. Juli haben sie zu einer öffentlichen Lagerbesichtigung eingeladen. An diesem Wochenende ging das noch nicht. Da standen Feuerwehrfest und Sommerfest in Möhlau auf der Tagesordnung.
Die Polizei untersucht indessen noch den Fall. Die Mitteldeutsche Zeitung meldete dazu:
"Die Beamten ermitteln in alle Richtungen", erklärte der Pressesprecher der Dessauer Polizei, Ralf Moritz. Eine Straftat werde nicht ausgeschlossen. Bislang gebe es "eine Aussage, dass eine politische motivierte Straftat vorliegen könnte". Der Hinweis stamme allerdings nicht von einem Tatzeugen, sondern aus dem Umfeld des Opfers, fügte der Beamte hinzu. Im Moment gebe es nicht einmal einen Anhaltspunkt dafür, wie sich der 28-Jährige die Brandverletzungen genau zugezogen hat, so der Polizeisprecher. Er habe auf der Vorderseite des Körpers großflächige Verbrennungen erlitten.
Bisscheint zumindest aus dem Asylbewerberheim niemand etwas beobachtet zu haben, das der Aufklärung dienen kann.
Ein Notarzt war zwar verständigt worden, allerdings hatte ein Freund aus dem Asylbewerberheim den Verletzten bereits im eigenen Fahrzeug ins Krankenhaus nach Bitterfeld gebracht. Die Information bei der Polizei ging am Dienstag gegen 2.40 Uhr ein. Der Iraker lebt mit seiner Familie, zu der zwei Töchter im Alter von sechs und fünf Jahren gehören, seit zwei Jahren in dem Möhlauer Heim. Zuvor war die Familie fünf Jahre lang in Zerbst untergebracht. Der Mann wird als ruhig und fürsorglich beschrieben. (Quelle: MZ)
Die Flüchtlingsinitiative Möhlau und das Projekt "no lager halle" haben für den 11.7.von 12 bis 16 Uhr zu einer öffentlichen Begehung des Lagers in der Raguhnerstraße eingeladen.
Reportage aus der Mitteldeutschen Zeitung vom 2.7.2009, Meldung aus Dessau-Roßlau vom 3.7.
Zur generellen Situation in Möhlau: http://thecaravan.org/node/1959
Ausländerfeindlicher Mordfall in Dresden: Ein 33-jähriger Russlanddeutscher erstach vor Gericht eine 29-jährige Ägypterin, die er zuvor als Islamistin beschimpfte. Sachsens Polizeipräsident Bernd Merbitz sagte, es gebe Anhaltspunkte für einen fremdenfeindlichen Hintergrund der Messerattacke. Er verwies darauf, dass es sich bei dem Opfer um eine Ägypterin handelt. Der "Dresdner Morgenpost" zufolge hatte der Täter sein Opfer mit den Worten "Du hast kein Recht zu Leben" angeschrien. Bereits vor einem Jahr nannte er die Ägypterin eine "Islamistin" und "Terroristin". Wegen Beleidigung war der Deutschrusse deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. In der Verhandlung ging es um die Berufung des Mannes. (welt.de, 1.7.)
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