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Die Klausel und ihre Folgen


Anfang Mai wurde in Sachsen die „Demokratieerklärung“ nach bundesweitem Vorbild eingeführt. Nun zeigen sich erste Konsequenzen. Das Netzwerk für Demokratie und Courage in Sachsen beklagt 10 Prozent weniger Ehrenamtliche.


Von Paul Grins


Am 6. Oktober verkündete Familienministerin Schröder über Twitter, dass sie in Zukunft von Fördermittelempfängerinnen und -empfängern ein „Bekenntnis zu unserer Verfassung“ verlangt. Damit leitete sie die Einführung der sogenannten Demokratieerklärung ein. Diese sollen alle, die Geld aus Bundesförderprogrammen erhalten, unterschreiben und damit garantieren, dass sie auf dem Boden der freiheitlich, demokratischen Grundordnung (fdGO) stehen. Außerdem sollen Geförderte sicherstellen, dass dies auch für alle Projektpartnerinnen und Projektpartner gilt. Das Innenministerium in Sachsen übernimmt schließlich diese Erklärung und verlangt das Bekenntnis nun auch von sächsischen Förderempfängerinnen und -empfängern. Ein Höhepunkt des damit ausgelösten Streits war die Ablehnung des sächsischen Förderpreises für Demokratie durch das Alternative Kultur- und Bildungszentrum e.V. aus Pirna im November 2010. Der Verein verweigerte die Unterschrift unter die Erklärung und stellte fest: „Die intransparente Kategorisierung von Initiativen, die sich gegen Rechts engagieren, werden wir nicht mit einer unsolidarischen ‚Gesinnungsprüfung’ unterstützen“. Doch damit nicht genug. Mittlerweile zeigen sich die ersten drastischen Konsequenzen der Erklärung selbst nach geleisteter Unterschrift.

Erste Nebenwirkungen

Das Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC), ein wichtiger und etablierter Träger von demokratiefördernden Projekten, lies verlauten, dass dieses Jahr rund 10 Prozent weniger Ehrenamtliche im Namen des Netzwerks an Schulen unterwegs sein werden. „Diese Ehrenamtlichen sind junge freiwillig Engagierte zwischen 18 und mitte 20, die von dem Netzwerk ausgebildet werden, um dann als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren an sächsischen Schulen Workshops anzubieten“, sagt Nina Gbur, Geschäftsführerin des Netzwerks. Jährlich werden durch diese Menschen etwa 19.000 Schülerinnen und Schüler mit den Ideen des demokratischen Miteinanders und, der Zivilcourage vertraut gemacht. Nun haben einige der freiwillig Engagierten angekündigt sich aus der Arbeit zurückzuziehen. „Grund ist eine große Verunsicherung durch die unklare Absicht der ihnen vorgelegten Demokratieerklärung“, erklärt Nina Gbur.

Plötzliches Misstrauen

Das Netzwerk arbeitet seit rund elf Jahren. Gerade vor dem Hintergrund der langjährigen Arbeit des Netzwerks verwundert die Demokratieerklärung besonders. „Wir werden seit mehreren Jahren gefördert, evaluiert und haben schon mehrmals angeboten, Projekte direkt begleiten zu lassen. Warum jetzt auf einmal eine Erklärung wie diese notwendig wird, ist uns unverständlich“, merkt Nina Gbur an.
Auch für die Ehrenamtlichen sind die Zusammenhänge der Klausel nicht nachvollziehbar. Aus diesem Grund verfassten sie gemeinsam ein Begleitschreiben zur Demokratie-Erklärung. Unter anderem beinhaltet dieses Schreiben die Frage, wie man eine Grundordnung brechen kann, für deren Prinzipien man seit Jahren arbeitet. „Wir haben die Vision einer Gesellschaft in der ein demokratisches Miteinander und keine diskriminierenden Grundsätze existieren und gehen im Grunde genommen weit über das Bekenntnis zur fdGO hinaus“, stellt Nina Gbur fest.

Doppelt hält besser...?

Neben der sächsischen Klausel muss der Verein zusätzlich die Klausel des Bundesfamilienministeriums unterschreiben. Auch hier manifestieren sich Unklarheiten und Rechtsunsicherheiten. Ein Ausweg ist laut der Geschäftsführerin nicht erkennbar. „Eine Verweigerung der Unterschrift hätte existenzielle Folgen, da der Verein auf keine institutionalisierte Förderung zurückgreifen kann“. Was ein Wegfallen der Förderung für konkrete Folgen hätte wird deutlich, wenn man sich die Bilanz des Vereins vor Augen führt. „In unserem zehnjährigen Bestehen haben wir mehr als 1.500 Teamerinnen und Teamer ausgebildet, die bis heute mehr als 8.000 Projekttage ehrenamtlich umgesetzt haben. Dadurch konnten wir seit der Entstehung des NDC mehr als 120.000 Schülerinnen und Schüler erreichen“, heißt auf der Internetseite. Wer diese Arbeit, die für eine demokratische Zivilgesellschaft unbestreitbar elementar ist, gefährdet, sollte eher die eigenen freiheitlich demokratischen Grundsätze überdenken als die Anderer anzuzweifeln.

Im Übrigen stellte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD zu den Folgen der Demokratieerklärung folgendes fest: „Daher kann weder von dem Entstehen einer Kultur des Misstrauens noch von einer Schwächung zivilgesellschaftlicher Projekte die Rede sein.“
 

Extreme Zeiten

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Extremismusklausel