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Auch 2008: Bürger machen gegen Nazis mobil...

...und rauben der NPD ihre Illusionen. So gingen am Wochenende (19./20.1.) zahlreiche Menschen bei Kundgebungen gegen Rechtsextremismus und Fremdenhass auf die Straße - unter anderem in Frankfurt am Main, Magdeburg, Goslar, Celle, Meckelfeld, Göttingen und Salzgitter. Anlass waren zumeist NPD-Veranstaltungen. In Magdeburg erntete die Polizei dabei heftige Kritik.
 

In Magdeburg zogen rund 800 Menschen in drei Protestzügen durch die Stadt. Unter den Initiatoren war ein breites "Bündnis gegen Rechts", dem zahlreiche Organisationen und Personen des öffentlichen Lebens angehören. Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) betonte, in seiner Stadt sei kein Platz für Rechtsradikale. "Magdeburg ist eine weltoffene, tolerante, demokratische Stadt." Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Dieter Steinecke (CDU) bezeichnete Rechtsextreme und Neonazis als geistige Brandstifter, denen alle Demokraten bei jeder Gelegenheit mit lauter Stimme widersprechen müssten.

Anlass der Aktionen war eine Demonstration von Rechtsextremisten, zu der sich laut Polizei rund 400 Menschen versammelten. Die Polizei bot 1000 Beamte aus mehreren Bundesländern auf, um gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten zu verhindern. Dieser Einsatz stieß auf heftige Kritik, so kritisierte Miteinander  e.V. im Magdeburg die Polizeiführung scharf:

In Magdeburg Kritik an der Polizei

"Insgesamt sei bei vielen engagierten Magdeburger Bürgerinnen und Bürgern der fatale Eindruck entstanden, der Polizei sei es in erster Linie um einen störungsfreien Ablauf der Neonazidemonstration gegangen" kommentierte Roman Ronneburger von Miteinender e.V.. Als Beispiel nannte er den unzureichenden Schutz der Abschlusskundgebung des „Bündnis gegen Rechts“.

„So ergab sich eine brenzlige Situation, als einige wenige offenbar aggressionsbereite Anhänger der rechten Szene ungehindert auf die Redner der Kundgebung zugingen. Nur der Personenschutz des Innenministers konnte dem Einhalt gebieten. Die Polizei war nicht präsent.“

Ronneberg kritisierte zudem das Verhalten der Einsatzkräfte gegenüber den Teilnehmern einer linken Demonstration als unverhältnismäßig. „Der Einsatz von Pfefferspray gegen offenbar friedliche Demonstranten ist aus unserer Sicht unangemessen und überzogen.“ Es sei der Besonnenheit der Vertreter des Bündnisses gegen Rechts zu danken, dass die Lage nicht weiter eskaliert sei.

Ronneberg zeigte sich auch von der Einsatzstrategie der Magdeburger Polizei am Samstag enttäuscht. „Wir hätten uns gewünscht, dass die Polizei flexibler und kommunikativer auf die Situation am Hundertwasserhaus reagiert.“


Hövelmann will Versammlungsrecht ändern

Innenminister Holger Hövelmann (SPD) kündigte eine Änderung des Versammlungsrechtes im Land an: "Wir wollen so verhindern, dass braune Neonazis Gedenktage missbrauchen, um ihre Ideologie zu verbreiten." Rechtsextreme Gruppierungen hatte ihre Veranstaltung mit Blick auf den 63. Jahrestag der Zerstörung Magdeburgs durch alliierte Bomber im Zweiten Weltkrieg angemeldet. Sie versuchen seit einigen Jahren, das Gedenken an den verheerenden Bombenangriff am 16. Januar 1945 für ihre Zwecke zu nutzen.

Das 'Bündnis gegen Rechts' zog am Sonntag eine gemischte Bilanz der Demonstrationen. Positiv sei, dass so viele Menschen - das Bündnis sprach von "mehr als 1000", die Polizei von 800 - ein klares Zeichen gegen den Rechtsextremismus gesetzt hätten. Sprecher Sören Herbst (Grüne) kritisierte jedoch den Umgang der Polizei mit den Linksautonomen. "Als Skandal wertet das Bündnis gegen Rechts die Tatsache, dass es die Polizei dem Neonazi-Aufmarsch gestattete, unmittelbar am Denkmal für die in der Reichspogromnacht zerstörte Magdeburger Synagoge entlang zu marschieren", hieß es in einer Mitteilung weiter.

In Frankfurt 1000 gegen 90

In Frankfurt am Main demonstrierten bis zu 1000 Menschen in der Innenstadt gegen eine Kundgebung der rechtsextremen NPD vor dem Rathaus Römer. Es sollte die zentrale hessiche NPD-Kundgebung werden - doch nur 90 Personen nahmen teil. Die Polizei nahm sieben Anhänger der rechten Szene wegen des Verdachts des Tragens verfassungsfeindlicher Symbole vorläufig fest. Und die Veranstalter beendeten ihre Veranstaltung angesichts eines anhaltenden Pfeifkonzerts gegen ihre Kundgebung vorzeitig.


Protestlauf in Salzgitter

Zahlreiche Menschen haben auch in Niedersachsen gegen Rechtsextremismus und die NPD demonstriert. In Salzgitter beteiligten sich bis zu 2000 Menschen an einem "Protestlauf gegen Braun". „Wir haben gezeigt, dass die NPD hier nichts zu suchen hat“, sagte Frank Groß vom Aktionsbündnis „Salzgitter passt auf“.

Auf der einen Kilometer langen Rundstrecke am Rathausplatz in Salzgitter demonstrierten nach Angaben der Veranstalter neben Joggern auch zahlreiche Walker und Spaziergänger. „Auch aus den angrenzenden Seniorenheimen sind zum Teil gehbehinderte Menschen mit ihren Betreuern zu uns gekommen, um gegen die rechte Szene zu protestieren“, sagte Frank Groß. Wegen des Laufes wurde die Kundgebung der NPD auf einen Platz außerhalb der Stadt verlegt. „Wir haben die Rechten rechts liegen lassen“, betonte Groß.

Weitere Proteste in Niedersachsen

In Bad Lauterberg schlossen sich 650 Menschen, darunter etwa 300 Sympathisanten aus dem linken Spektrum, einem Demonstrationszug unter dem Motto „Es gibt kein ruhiges Hinterland – Gegen NPD und Kameradschaft Northeim“ an.
In Goslar demonstrierten rund 200 Menschen gegen eine Kundgebung und Wahlkampfveranstaltung der NPD. Zu dem Protest hatte ein Bündnis gegen Rechts von Parteien und Gewerkschaften aufgerufen. Nach Polizeiangaben kam es zu keinen Zwischenfällen.

In Celle musste die Polizei einen Protestmarsch von 70 Menschen aus der linken Szene gegen einen Informationsstand der NPD verhindern. Nur durch konsequentes Eingreifen sei eine Konfrontation zwischen den politischen Lagern vermieden worden, teilte die Polizei mit.

Zu einer weiteren Demonstration kam es am Sonntag in Meckelfeld (Kreis Harburg). Dort demonstrierten etwa 400 Menschen gegen eine Kundgebung der NPD. Zu der Protestaktion hatte die Antifaschistische Aktion Lüneburg Uelzen sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Grünen aufgerufen. Auch in Goslar kam es zu Protesten. Dort wurden rund 180 Gegner einer Wahlkampfveranstaltung der NPD gezählt. In Göttingen musste die NPD am Freitagabend unter Polizeischutz eine Lesung mit ihrem Spitzenkandidaten Molau beenden. Linksautonome hatten von dem öffentlich geheim gehaltenen Termin erfahren und blockierten den Veranstaltungsort.

Prognosen: Kaum mehr als ein Prozent für die NPD


Der weitverbreitete Bürger-Widerstand gegen NPD frustriert zunehmend deren Anhänger. Die Rechtsaußen-Partei hatte es sich als einen Spaziergang vorgestellt, bei den kommenden Landtagswahlen in Niedersachsen zu punkten. Doch Umfragen sehen sie derzeit auch in Hessen kaum über 1 Prozent.

Laut Spiegel sind unterdessen mehr als 1000 interne e-mails der NPD öffentlich geworden, die von tiefen Rissen in der Partei über ihren derzeit erfolglosen Wahlkampf-Kurs zeugen. Unter Beteiligung von NPD-Chef Voigt werde den Dokumenten zufolge auch eine Strategie diskutiert, "wie man den Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen in Niedersachsen, Andreas Molau, über offenbar fingierte Immobilienkaufabsichten bekannt machen könnte. Der Wahlkämpfer solle, so heißt es in einer E-Mail, regelmäßig "Objekte im Land mit Ankündigung besuchen" und so "eine Berichterstattung über den Spitzenkandidaten vor Ort" sichern", berichtete spiegel-online am 19.1.


hk / Foto: Demonstranten in Salzgitter mit Plakat Courage zeigen des Runden Tischs (dpa-bild). Lesen Sie auch: Rechte Szene mobilisiert im Februar nach Dresden >klick

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Demonstranten in Slzgitter mit Plakat Courage zeigen des Runden Tischs