In Bayern Unterstützung der Zivilgesellschaft? Fehlanzeige!
„Demokratische Strukturen der Zivilgesellschaft werden in Bayern kaum gefördert“ und es fehlt „eine konsequente Unterstützung durch die CSU-Landesregierung“, hat die Amadeu-Antonio-Stiftung in ihrem Newsletter vom 1.9.2008 beklagt.Genau das bestätigt jetzt das fränkische Bürgerbündnis Gräfenberg. "Die Bürger des bayerischen Orts Gräfenberg erleben derzeit hautnah, was Organisationen und Institutionen gegen Rechtsextremismus bereits seit Längerem in Bayern beobachten", heißt es in einer Erklärung. Und weiter:
"Die Staatsanwaltschaft Bamberg überzieht derzeit unbescholtene Bürger mit Ermittlungsverfahren bis hin zu erkennungsdienstlicher Behandlung. Gleichzeitig fordert die Polizei Bürger Gräfenbergs auf anhand von Fotos Teilnehmer zu identifizieren. Dabei wollten die Betroffenen lediglich den Würzburger Friedenspreis, der Gräfenberg für sein couragiertes Engagement gegen Rechtsextremismus verliehen worden war, feiern. Völlig unverständlich genehmigte das Landratsamt Forchheim zeitgleich einen erneuten NPD-Aufmarsch exakt auf der Strecke des Gräfenberger Festzuges. Eine große Anzahl Teilnehmer ließ sich bereits zu Beginn der Veranstaltung spontan auf der Bahnhofstraße nieder und verhinderte damit den Aufzug rechtsradikaler Provokateure entlang der Festmeile. So wollte Gräfenberg wiederum ein friedliches Zeichen setzten, dass demokratiefeindliches und menschenverachtendes Gedankengut der braunen Gesinnungsgenossen in ihrer Stadt nicht geduldet wird. Das bittere Fazit der Gräfenberger: „Durch dieses Vorgehen der Justiz gerät der Aufruf von Kanzlerin Merkel und anderer Politiker zu bürgerlichem Engagement gegen Rechtsradikalismus in Bayern zur Farce“.
Hilferufe an Laut gegen Nazis
Eine weitere Erfahrung aus Bayern steuerte am Freitag in einer Pressemitteilung der Leiter des Hamburger Projekts "Laut gegen Nazis", Jörn Menge, mit. Sein Erfahrungsbericht lautet:
"Seit geraumer Zeit erreichen uns vermehrt Hilferufe aus dem anständigen Bundesland Bayern. Wir können sogar davon berichten, dass diese den Hauptteil der bei uns ankommenden aktuellen E-Mails und Telefonate ausmacht. Was ist da eigentlich los? Bayerns Hauptstadt München ging unter der Regierung des SPD Bürgermeisters Christian Ude, den Sportfreunden Stiller und uns im Januar dieses Jahres vor der Feldherrnhalle mit gutem Beispiel voran. Was ist mit dem Rest Bayerns?
Im Januar dieses Jahres gründeten die Sportfreunde Stiller, die Amadeu Antonio Stiftung und wir in Anwesenheit von Oberbürgermeister Christian Ude/ München und der Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland Charlotte Knobloch vor der Feldherrnhalle symbolisch mit einer Kundgebung (ca. 4.000 Teilnehmer) den Antinazibund. München steht allerdings leider nicht für ganz Bayern. Täglich erreichen uns neue Meldungen aus Gräfenberg, Amberg und fränkischen Provinzen über eine starke Präsenz Rechtsextremer. Abgesehen von Wunsiedel, eine Stadt in der seit 2005 durch das Verbot des Bundesverfassungsgerichtes von Märschen zu Ehren des Rudolf Hess (zweitweise m. 6.000 Nazis), trügerische Ruhe eingekehrt ist. Nur heimlich sollen Nazi-Funktionäre wie Rieger ab und zu am Grab des Stellvertreters Hitlers stehen und dem Altnazi huldigen.
Wallfahrtsorte für nazinahe Gäste hat Bayern ja auch durch den allseits bekannten Ort Berchtesgarden, in dem die führenden Nazis und auch noch ihr Führer damals residierten. Die Gedenkstätte dort klärt zwar auf und genießt auch unsererseits ein hohes Ansehen, aber drum herum erkennt man dann doch immerwieder Menschen, die krampfhaft den Platz des Berghofes (Hitlers Residenz) suchen. Abgesehen von einem Hotel (so sahen wir in einem TV-Bericht) das betrieben wird, welches in seinen Kellergewölben originale SS-Runen beherbergt und einem fragenden Rechtsextremen die Räumlichkeiten in denen die Wachmannschaften des Führers beheimatet waren und noch alles so ist wie früher, sehr gerne zugänglich macht. Die Wirtin war in dem TV-Bericht leider zu keinem Interview bereit. Zum Thema Hotel fällt uns dann natürlich auch sehr schnell die Geschichte des Franken ein, der uns von seiner Vollbremsung mit dem Auto erzählte, weil er dieses Riesenplakat als Werbung für das Hotel "Deutsches Reich" inmitten der bayrischen Provinz entdeckte.
Ein anderer Bayer berichtete uns von seiner früheren, alternativen Rock/Alternative - Kneipe in einer Kleinstadt. Neulich wollte er mit seinem alten Kumpel da mal wieder ein Bierchen trinken. Er hatte allerdings auch gehört, dass diese Kneipe inzwischen Anziehungspunkt für die örtlichen Nazis geworden ist. Er staunte nicht schlecht, als er den Laden betrat. Rechts eine Reichskriegsflagge, links eine Deutschlandfahne und dazu merkwürdige Menschen mit garkeinen Haaren oder anständig deutschen Frisuren. Er fühlte sich unwohl. Der Laden wird immer noch von der gleichen Wirtin betrieben. Sichtlich geschockt fragte er sie, was denn das nun sei? Sie antwortete ihm: "...man muss mit der Zeit gehen. Die sind alle anständig und zahlen wenigstens ihre Rechnungen gleich in bar".
All das, ist Bayern 2008. Uns wird berichtet, dass Ausländerfeindlichkeit offen kund getan wird. Da erinnern wir uns hier auch sehr gerne an den Videobeitrag von Christian Ulmen in Zusammenhang mit dem nicht mehr im Amt stehenden CSU Bürgermeister eines kleinen Ortes in Bayern. All diese Realitäten sind aber auch ein Beweis dafür, dass wir ein gesamtdeutsches Problem haben (sicherlich nicht nur in Bayern und Ostdeutschland). Rassismus und Rechtsextremismus werden subtiler. Wir würden uns freuen, wenn die bayrische Landesregierung und selbstverständlich alle anderen, ihre Probleme auch im kleinen Rahmen erkennen und Initiativen stützen".