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Seit dem 24. November steht der 25-jährige Neonazi Daniel T. vor dem Amtsgericht Zossen. Dort muss er sich unter anderem wegen der Anstiftung zum Brand, der in der Nacht vom 22. zum 23. Januar 2010 im „Haus der Demokratie“ entstand, verantworten.'
Von Danny Frank und Laura-Sophie Wagner
Im September 2009 eröffnete die Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ das „Haus der Demokratie“ im brandenburgischen Zossen (Teltow-Fläming). Sie wollte sich damit dem immer mehr erstarkendem Rechtsextremismus in der Stadt entgegentreten. Doch schon wenige Tage nach der Eröffnung wurde das Haus mit neonazistischen Parolen und Stickern der „Freien Kräfte Teltow-Fläming“ (FKTF) regelrecht übersäht. In den darauffolgenden Monaten traf es den Sprecher der Bürgerinitiative, Jörg Wanke. Mehrfach bekam er Todesdrohungen. In der Nacht vom 22. zum 23 Januar 2010 fand der rechte Terorr seinen Höchepunkt: Drei rechtsgesinnte Jugendliche im Alter von 13, 14 und 16 Jahren verübten einen Brandanschlag, bei dem das Haus vollständig zerstört wurde. Nun, nach knapp zwei Jahren, muss sich der 25-jährige, einschlägig vorbestrafte Daniel T. vor dem Amtsgericht Zossen verantworten.
Kein unbeschriebenes Blatt
Daniel T. gilt im Kreis Teltow-Fläming als führendes Mitglied der bereits verbotenen Nazi-Truppe FKTF. Er ist bekennender Geschichtsrevisionist und Neonazi. Vor dem Amtsgericht machte er keinen Hehl daraus, welch krude und menschenverachtende Ansichten er vertritt. Dementsprechend sehen auch die Anklageschriften, insgesamt 27, aus, zu denen er sich verantworten muss. Darunter: Brandanstiftung, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung.
Nazi-Schmierereien zogen sich durch Zossen
Der heute 25-jährige T. räumte zum Anfang der Verhandlung ein, mehrere Morddrohungen, Hakenkreuze und andere neonazistische Symbole und Schriften am 20. September 2010 in Zossen geschmiert zu haben. Auf etlichen Wänden pragt seitdem in Riesenlettern: „Deutsche wehrt euch gegen den Judenstaat – Scheiß Israel!“ oder „Zossen zeigt Arschgesicht“, wobei der Buchstabe „S“ jeweils in Form von einer Siegrune angebracht wurde. Auch gab er zu, in Königs Wusterhausen und Zossen, „Stolpersteine“ die an jüdische Opfer des Nationalsozialismus erinnern, mit Hakenkreuze beschmiert und geschändet zu haben. Die Sachbeschädigung tue ihm zwar leid, der Inhalt aber der dahinter Steckt nicht. Das betonte er deutlich mit den angehängten Worten „Auf gar keinen Fall!“. Er hasse „Antideutsche“ und wolle mit diesen Aktionen lediglich die Öffentlichkeit schockieren, so T. weiter vor Gericht. Vielleicht hat er aus diesem Grund auch eine Kundgebung in Ruf- und Sichtweite einer Gedenkkundgebung zum Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2010 angemeldet. Dafür besorgte er Trillerpfeifen, um gezielt das Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen zu stören. Mit rund 20 weiteren Neonazis rief er „Lüge“ und „Lügner“ während die Namen von jüdischen Opfern aus der Region verlesen wurden.
„Der Kuchen ist gebacken“
Zu der Brandanstiftung im Januar 2010 wollte er sich hingegen noch nicht äüßern. Sein damaliger „Ziehsohn“, der mittlerweile 18-jährige Daniel S. Hingegen schon. S. sagte aus, dass ihn Daniel T. angestiftet hatte. Der damals 16-jährige wollte Aufmerksamkeit und sah in den Angeklagten T. eine Art Vorbild. Nicht von ungefähr: T. gab sich alle Mühe S. zu Schulen. Er verbrachte Stunden, manchmal gar Tage und Wochen bei ihm. Zeigte ihm, wo sich das Gebäude befand, gab ihm Grundrisse und eine Art Anleitung wo man am besten „einsteige“. Er gab eine gewisse Kleiderordnung vor, aber auch die Anweisung das Handy zu Hause zu lassen. Zu guter Letzt gab er ihm, ein von Spuren beseitigtes Feuerzeug. Der Jugendliche zögerte nicht lang und machte sich anschließend auf den Weg zum „Haus der Demokratie“. Unterwegs, traf er auf zwei Bekannte, die sich ihm anschlossen. Nachdem er den Brand gelegt hatte, schrieb er via Internet an T.: „Der Kuchen ist gebacken“. „Der Kuchen ist gebacken“ war ein Code von T. und sollte der Benachrichtung dienen, falls der Brand erfolgreich gelegt wurde. Für den Fall das ihn die Polizei verdächtige, sollte S. Aussagen, dass der Sprecher der Bürgerinitiative ihn angestiftet hätte das Haus anzuzünden, um die Versicherung zu betrügen.
Erst nachdem T. unter Freunden erzählt habe, dass S. ein Hohlkopf sei, hatte sich dieser dazu entschieden, sich der Polizei zu stellen. Zum Nachteil von T.: Dieser hoffte nämlich bis zuletzt, dass S. sich seine Aussage nocheinmal durch den Kopf gehen lässt. Umso überraschender traf es den 25-Jährigen, der sprachlos mit offenem Mund und gesenktem Kinn auf der Anklagebank saß. Nun will sich T. dazu am nächsten Prozesstag ausführlich äußern.
Aktiv auf anderen Ebenen trotz Verbot
Die FKTF war eine der gewaltbereitesten Neonazi-Kameradschaften im Land Brandenburg. Auch wenn es in Zossen seitdem eher ruhiger um die Szene geworden ist, betonte der Sprecher der Bürgerinitiative „Zosssen zeigt Gesicht“, Jörg Wanke, „dass ein Verbot rein gar nichts bringe, denn die Neonazis seien nach wie vor aktiv, wenn auch auf anderen Ebenen.“ Wie selbstbewusst und offen aggressiv die Neonazis vor Ort sind, zeigte sich am gleichen Tag: Ein ehemaliges Mitglied der FKTF, der sich inzwischen der örtlichen NPD angeschlossen haben soll, rannte auf einen Journalisten los, um ihn gezielt anzugreifen. Er wollte ihm das dokumentieren des Prozesses untersagen. Nur durch die Hilfe anderer Personen, die sich in der unmittelbaren Nähe befanden, konnte ein Angriff abgewehrt werden.
Das Verfahren wird am Dienstag, den 29. November und am Mittwoch, den 30. November fortgesetzt. Für den 30. November wird ein Urteil erwartet.