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Beginnende Prozesse der „Gruppe S.“ und „Feuerkrieg Division“, ein baldiges Urteil im Halle- und im Lübcke-Prozess und ein Innenminister, der eine Waffe bei der Preppergruppe „Nordkreuz“ gekauft haben soll. Ein Überblick zu den aktuellen rechtsextremen Geschehnissen.
Von Erika Balzer
Anklage gegen „Gruppe S.“
Zwölf mutmaßliche rechtsextreme Terroristen stehen in Stuttgart vor Gericht. Die Männer der „Gruppe S.“ sollen Mordanschläge auf Politiker*innen und Angriffe auf Moscheen geplant haben. Im Februar haben Ermittelnde des LKA Baden-Württemberg mit Unterstützung von Spezialeinheiten in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt Hausdurchsuchungen durchgeführt und Haftbefehle erlassen (vgl. Belltower.News). Laut der Bundesanwaltschaft plante eine Gruppe von fünf Männern die „Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden“. Ein Mitglied der „Gruppe S.“ agierte als V-Mann und hat die Polizei seit Oktober 2019 mit Informationen versorgt.
Die Anklageschrift des Generalbundesanwalts ist über 200 Seiten lang. Zwei Männer sollen die Anführer der Gruppe gewesen sein – einer von ihnen Werner S., was zum Namen der „Grupps S.“ führte, neun waren Mitglieder und ein zwölfter hätte die Gruppe als Helfer unterstützt. Ein weiterer Beschuldigter ist in der Untersuchungshaft verstorben, Ermittler gehen von einem Suizid aus (vgl. SWR). Die „Gruppe S.“ hatte es nach Stand der Ermittlungen offenbar vor allem auf die Grünen-Politiker Robert Habeck und Anton Hofreiter abgesehen und erhoffte sich, durch Attentate Gleichgesinnte ausfindig machen zu können. Auch ist bekannt, dass sich die Mitglieder über das Bauen von Waffen ausgetauscht haben und bereits zahlreiche Schuss- und Stichwaffen gehortet hatten. Ihr Ziel war es in Deutschland in mehreren Bundesländern terroristische Angriffe auszuüben, um einen „Zustand des Bürgerkrieges“ zu errichten. Bei diesem Konzept spricht man von Akzelerationismus. Bei der Gruppe „Nordkreuz“ handelt es sich um „Prepper“, die sich auf einen „Tag X“ vorbereiten, also auf einen Untergang des Staates, so wie er jetzt besteht.
Prozess gegen Mitglied der „Feuerkrieg Division“
Im Februar 2020 wurde Fabian D. festgenommen, am 19. November 2020 beginnt vor der Staatsschutz-Kammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth ein Verfahren gegen den 23-jährigen Mann aus Cham. Ihm wird vorgeworfen eine staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, einen Anschlagsort gesucht und sich Waffenteile beschafft zu haben. Er soll Mitglied der „Feuerkrieg Division“ sein und war im Chat unter dem Pseudonym „Heydrich“ unterwegs. Reinhard Heydrich war SS-Mann und galt als führender Kopf bei der Organisation von Massenmorden an Jüd*innen (vgl. Bayerischer Rundfunk). Bei einer Hausdurchsuchung wurden mehrere Waffen sichergestellt, er soll sich zusätzlich über den Bau von Sprengsätzen informiert haben.
Wie die „Gruppe S.“ wollen auch Zusammenschlüsse wie die „Atomwaffen Division“ und die „Feuerkrieg Division“ die Demokratie zum Zusammenbruch bringen. Das Ziel der „White Supremacy“-Gruppen ist ein „weißer Jihad“ und die Gesellschaft und den Staat von Menschen jüdischen und muslimischen Glaubens zu „befreien”. Zur FKD sollen in Deutschland derzeit sechs Personen gehören, international soll es rund 70 Mitglieder geben.
Mehr dazu hier:
https://www.belltower.news/rechtsterrorismus-was-ist-die-feuerkrieg-division-96453/
Mecklenburg-Vorpommern: Innenminister Caffier kauft Waffe bei „Nordkreuz“
Bei einer Pressekonferenz, in der das Innenministerium verkündete, Teile der AfD in MV zu überwachen, wich der Innenminister Lorenz Caffier der Frage einer Journalistin aus. Sie wollte sich erkundigen, ob er bei einem Ex-Mitglied der rechtsextremen Gruppe „Nordkreuz“ eine Waffe gekauft hat bzw. ein Schießtraining absolviert hat. Er hat es weder geleugnet noch zugegeben, sondern darauf hingewiesen dies sei privat und man möge sich „per Brief“ an ihn wenden. Unter heftiger Kritik in den Medien musste sich der Innenminister dazu äußern, auch wenn er davor sagte: „Privatbereich bleibt Privatbereich“. Er hat zugegeben, Anfang 2018 eine Kurzwaffe bei Frank T. gekauft zu haben, welche er als Jäger benutze (vgl. taz). Er versichert, damals habe es noch keinen Verdacht gegen dessen Firma gegeben. Nach 14 Jahren im Amt verkündete Caffier zurückzutreten und entschuldigte sich für den Vorfall. Neuer Innenminister soll Torsten Renz, CDU-Fraktionsvorsitzender im Landtag MV, werden.
Das LKA Mecklenburg-Vorpommern wurde bereits im Juli 2017 über den Chat der „Nordkreuz“-Gruppe informiert, der Landesverfassungsschutz (Zuständigkeitsbereich von Caffier) hat im März 2018 Ermittlungsunterlagen des Bundeskriminalamts zu dem Verfahren erhalten und der Innenminister behauptete, Unterlagen seien aber erst Anfang 2019 bei ihnen angekommen.
Prozess gegen Halle-Attentäter neigt sich dem Ende zu
Der Mann versuchte am jüdischen Feiertag Jom Kippur im Jahr 2019 in eine Synagoge zu gelangen, um dort Jüd*innen zu töten. Als ihm dies nicht gelang, erschoss er eine Passantin, sowie einen Mann im Restaurant „Kiez Döner” und griff eine dritte Person an. Dies wird noch als fahrlässige Körperverletzung gewertet, die Anwältin will den Vorfall allerdings als versuchten Mord verhandelt wissen. Die Beweisaufnahme soll noch in dieser Woche beendet werden, sodass die Schlussplädoyers der Verteidigung, Generalbundesanwaltschaft und der Vertreter*innen der Nebenklage ab dem 01. Dezember 2020 angesetzt sind. Das Urteil wird am 22. Dezember erwartet (vgl. tagesschau).
Belltower.News war beim Prozess vor Ort:
https://www.belltower.news/halle-prozess/
Lübcke-Prozess: Appell der Witwe an den Angeklagten
Der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Walter Lübcke geht weiter. Am 30. Verhandlungstag appelliert die Witwe des verstorbenen Politikers an den Angeklagten: Er soll endlich die Wahrheit sagen und die offenen Fragen beantworten. Der Angeklagte Stephan Ernst hat nach seinem Geständnis der Familie Lübcke versichert, ihre Fragen aufzuklären. Doch am letzten Verhandlungstag hatte er nur eine Entschuldigung für sie parat und macht seine vorherige Verteidigung verantwortlich für die offenen und ungeklärten Fragen (vgl. Hessenschau).
Das Attentat in Wien
Am 02. November 2020 fand in Wien ein Terroranschlag statt. Der islamistisch motivierte Attentäter tötete vier Menschen in der Stadt, bevor er von den Sicherheitskräften selbst erschossen wurde. Auch nach Deutschland führt eine Spur: Zwei Männer aus Osnabrück (19 Jahre) und Kassel (25 Jahre) sollen den späteren Attentäter im Juli 2020 besucht und mehrere Tage bei ihn verbracht haben. Sie alle waren Mitglieder einer Chat-Gruppe, in der IS-Propaganda verbreitet wurden. Nach Angaben des Spiegels sollen deutsche Behörden das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung vor den Männern gewarnt haben.