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Tausende Menschen verhindern einen Aufmarsch der NPD in Frankfurt am Main.
Ein Bericht von Jessica Lütgens
Die Stadt Frankfurt hatte versucht, ein Zeichen zu setzen: am 12. April verbot sie den, unter dem Motto „Raus aus dem Euro – gegen Euro und Großkapital“ laufenden, Demonstrationszug der NPD. Argumentiert wurde mit einem Sicherheitsrisiko ausgehend von den Neonazis und ihrer Anhänger. Die Landespolizei stufte die NPD-Demonstration als eine „erhebliche Gefahr für die Sicherheit“ ein, die Anmelder zeigten sich in Verhandlungen bezüglich Ort und Datum als unnachgiebig. Das sich diese Entscheidung trotzdem vor Gericht nicht halten würde, war absehbar. Am 26. April nahm das Frankfurter Verwaltungsgericht die Einschränkungen teilweise zurück und genehmigte eine Demonstration nahe des in der Innenstadt gelegenen Ostbahnhofs. Die Demonstration sollte unter dem Motto „Genug gezahlt, wir sind keine Melkkuh Europas“ stehen.
Parallel zu der Neonazi-Demonstration wurden im Vorfeld insgesamt 14 Protestorte und Kundgebungen von Gewerkschaften, Parteien und antifaschistischen Zusammenschlüssen sowie ein traditionelles Radrennen angekündigt. Auch mehrere Großbündnisse stellten sich gegen den Neonazi-Aufmarsch: Rund 120 Gruppen und Initiativen, unterstützen den Aufruf des offenen Bündnisses „Antifaschistischer Ratschlag“. Dieses rief zu Blockaden und zivilen Ungehorsam auf: „Unser Ziel ist es, den Naziaufmarsch in Frankfurt am 1. Mai 2013 zu verhindern! Wir sind solidarisch mit allen, die mit uns dieses Ziel teilen. Dazu sind verschiedene Aktionsformen notwendig. Wir leisten zivilen Ungehorsam gegen den Naziaufmarsch. Unsere Massenblockaden sind Menschenblockaden. Von uns geht dabei keine Eskalation aus.“
Es gab zahlreiche Aktivitäten, Veranstaltungsreihen und Vorbereitungen im Vorfeld. Das breite Bündnis „Frankfurt Nazifrei“ rief zu Gegenaktionen und einer Massenblockade auf, dass antifaschistische Bündnis „Stürmische Zeiten“ mobilisierte zu einer sozialrevolutionären Großdemonstration und das „Internationalistische Aktionsbündnis“ organisierte einen Blockadepunkt nahe der Demonstrationsroute der Neonazis. Auf breiter Ebene wollte man den Neonazis in Frankfurt begegnen.
Dass die NPD in der Krise steckt, war im Vorfeld der Anmeldung weitläufig bekannt. Neben der Finanzsituation und dem unsicheren Auftreten am NPD-Parteitag in Weinheim, zogen sich die Autonomen Nationalisten und Freie Kameradschaften zunehmend aus der Mobilisierung und Vorbereitung des 1. Mai in Frankfurt zurück. Diese legten ihren Fokus auf die Demonstrationen in den Städten Dortmund, Berlin und Würzburg.
Aktionen, Blockaden und Polizeigewalt
Hunderte Personen blockierten bereits am frühen Morgen die Gleise nahe des Versammlungsortes der Neonazis und NPD. Aus Sicherheitsgründen stellte die Bahn den Fahrtenstrom ab und legte so die Anfahrtstrecke zahlreicher Neonazis lahm. Bis in den Abend hinein wurden Demonstrierende auf und nahe der Bahngleise durch die Polizei gekesselt und festgesetzt. Rund um den Danzinger Platz, nahe dem Versammlungsort der Neonazis, kam es immer wieder zu Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstrierenden.
Auch drei engagierte Blockaden und vielfältige Aktionen verhinderten die Anreise der Rechtsextremen, von denen nur eine Handvoll den Versammlungstreffpunkt erreichte. Trotz der Versuche, die Blockaden anzugehen und zu räumen, unter Einsatz von Knüppeln und Pfefferspray, zeigten die Frankfurter Aktiven den Neonazis die Stirn.
An den Blockaden nahmen tausende von Menschen verschiedener Spektren und Motivation teil. Auch die Blockadepunkte waren rege besucht und gut organisiert; mit Musik, Vorträgen und Parolen protestierten die Anwohner und Engagierten gegen die Präsenz der Neonazis. Auf dem Römerberg, dem Sitz des Stadtparlaments, versammelten sich Gewerkschaften und etwa 5.000 Menschen, die für Demokratie und eine starke Zivilgesellschaft protestierten. Während am Römerberg bunt gefeiert wurde, bemühte sich die Polizei andernorts eine antifaschistische Spontandemonstration zu unterbinden und ging auf den Bahngleisen gegen Demonstrierende vor.
500 Teilnehmende hatte die NPD im Vorfeld angekündigt. „Die Problematik war, dass wir in Frankfurt nicht reingekommen sind“, sagte ein Sprecher der NPD der Frankfurter Rundschau. Einer der angekündigten Redner, der stellvertretende Bundesvorsitzende der NPD Uwe Pastörs, war nicht in der Lage mit seinen rechten Kameraden Frankfurt zu erreichen. Die angemeldete Kundgebung in dem nahe gelegenen Wiesbaden wurde seitens der Neonazis kurz vor Beginn abgesagt und die Frankfurter NPD entschied gegen 13 Uhr, ihre Pläne ebenfalls abzusagen. Die angereisten Neonazis am Frankfurter Ostbahnhof wurden in einem Dienstwagen der Polizei aus der Stadt begleitet und Gerüchten zufolge zu anderen Demonstrationsorten gebracht. Eine Gruppe von etwa 50 Demonstrierenden, die sich über dieses Vorgehen der Polizei empörte und versuchte, den Abtransport zu blockieren wurde gewaltsam aufgelöst.
Neonazis weichen in umliegende Städte aus
Spontan entschieden sich gegen 14 Uhr rund 180 der blockierten Neonazis in das nahe gelegene Hanau zu fahren, dort auf Udo Pastörs zu treffen und eine Spontandemonstration zu starten. Zahlreiche Frankfurter Gegendemonstrierende zogen daraufhin nach und unterstützen in Hanau weitere Blockaden und Gegenaktionen. Die Polizei kesselte die unangemeldete, gewalttätig auftretende Neonazi-Demonstration nach Gerangel und Unruhen zwischen NPD, Autonomen und Junge Nationalisten und den Gegendemonstrierenden. Die Neonazis wurden in Zügen schlussendlich außer Reichweite begleitet und weitere Demonstrationen ihrerseits unterbunden.
Die letzten Monate schienen auf die Stimmung in der NPD abgefärbt zu haben; die hessische NPD, Neonazis und ihre Anhänger wirkten unorganisiert und vereinzelt.
Gegen 16 Uhr startete in Frankfurt ein Demonstrationszug des sozialrevolutionären und antinationalen Krisenbündnisses Frankfurt unter dem Motto „Sozialrevolutionäre Demonstration“ mit rund 2.000 Teilnehmenden durch die Innenstadt und endete erst in den Abendstunden. Die Anwohner und Gegenprotestierenden feierten die erfolgreichen Blockaden.
Bis in den Abend hinein wurden Demonstrierende auf und nahe der Bahngleise durch die Polizei gekesselt und festgesetzt. Rund um den Danzinger Platz am Versammlungsort der Neonazis kommt es immer wieder zu Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstrierenden: Mehr als 50 Demonstrierende wurden in Frankfurt am Main durch Gewalteinwirkungen der Polizei verletzt, zwei, Meldungen zufolge, schwer.
Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) verkündete vor zwei Wochen gegenüber der WELT: „Wo Rechtsextreme demonstrieren, ist immer mit Gewalt und einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu rechnen. Wir leben in einer weltoffenen Stadt, in der für Rassismus kein Platz ist.“ Angesichts des brutalen Vorgehens der Polizei gegen Demonstrierende, erscheint die Entschlossenheit der demokratischen Römer-Parteien, Neonazis Frankfurts Weltoffenheit entgegenzusetzen, zweifelhaft. Nicht die warmen Worte politischer Vertreter blockierten den Neonazi-Aufmarsch in Frankfurt und dem Umland, sondern die aktiven Demonstrierenden, die engagierten Antifaschisten und die kreativen Anwohner auf den Straßen, Gleisen und an den Blockadepunkten.